@Nordlicht,
die Veränderungen während eines Aufenthalts im „betreuten Nichttrinken“ sind
relativ. Die meisten landen dort nicht ganz aus freiem Entschluss, sie werden von ihrem
Umfeld dazu gedrängt oder vom Arbeitgeber dazu verdonnert. Natürlich gibt es auch
die, denen klar geworden ist, dass sie dringend eine Trinkpause benötigen.
Alle miteinander haben eines gemeinsam, sie stellen eine Minderheit von ca. 10%, die
auf diese Art Kontakt zum Suchthilfesystem aufgenommen haben.
Aber die anderen 90% trinken beileibe nicht bis zum St. Nimmerleinstag weiter, einige
geben ihren ungeliebten und krankmachenden Job auf, andere wechseln den Partner und
wieder andere beschließen ganz unspektakulär, dass es jetzt einfach mal genug war.
Neuerdings soll es sogar Menschen geben, die zum Arzt gehen und nach einem ganz
bestimmten Medikament fragen ...
Die meisten aus der letztgenannten Gruppe haben den Spruch „einmal Alki, immer Alki“ nie
gehört, weil sie nie in einer klinischen Entgiftung waren. Ihnen hat nie ein „Suchtspezialist“
zum Abschied in der Klinik gesagt, „sie dürfen nie wieder ein Mon Cherie essen“. Niemand
hat sie mit den segensreichen Besuchen einer sektenähnlichen Selbsthilfegruppe konfrontiert.
Sie haben all' diese düsteren Prophezeiungen nie gehört und infolgedessen nicht verinnerlicht.
Sie alle haben deshalb gute Chancen, mit oder ohne Baclofen, nach einer längeren Abstinenzphase,
kontrolliertes Trinken nach Körkel oder nach eigenem Ermessen erfolgreich zu praktizieren.
Es hat auch wenig mit dem Schweregrad des Alkoholismus aber viel mit dem
sozialen Umfeld und einer ungebrochenen Persönlichkeit zu tun.
Wer sich selbst niemals aufgegeben hat, hat in der Regel genügend Ressourcen zur Verfügung,
um den gefürchteten Kontrollverlust zu vermeiden. Mit Baclofen fällt die Modulation
der aus dem Gleichgewicht geratenen Neurotransmitter leichter, bis hin zur Aufrechterhaltung
einer zufriedenen Abstinenz ist alles möglich. Vor einigen Jahren wurde auf einem Sucht-
kongress die These aufgestellt, dass anhand von bestimmten Biomarkern nach einjähriger
Abstinenz keine Unterscheidung zwischen Trinkern und Nichtrinkern nachweisbar ist.
Im Kern ist das genau diese Aussage:
Karl Mann hat geschrieben:
„Wenn nun über ein halbes oder ein ganzes Jahr lang wenig getrunken wird“,
so Mann, „kann sich das Ungleichgewicht zwischen den Neurotransmittern wieder normalisieren.
Und das würde bedeuten – aber das ist eine reine Vermutung, die erst durch Langzeitstudien
bewiesen werden muss –, dass man dieses Medikament nicht sein Leben lang nehmen muss“.
Für mich kämen evidenzbasierte Langzeitstudien zu spät. Im Unterschied zu Karl Mann
verfüge ich über genügend Selbsterfahrung um diese Vermutung schon heute bestätigen
zu können. Wobei ich natürlich 1 Jahr Abstinenz für zielführender halten würde.
Auch würde ich aus vielen Gründen Baclofen anstatt Nalmefen den Vorzug geben.
LG Federico