@Rico,
vor ungefähr 20 Jahren habe ich mich intensiv mit
Thomas Szasz einem New Yorker Psychiater beschäftigt. In einem Buch mit dem Titel „Das Ritual der Drogen“ findet man als kulturhistorische Betrachtung alle Drogen seit Anbeginn der Menschheit beschrieben. Nehme ich nur Alkohol als Droge mit ca. 4000-jähriger Geschichte und vermute genetische Ursachen, die sich demnach auch vererben müssten, wären wir aufgrund dieser Annahme was? Na klar, ausgestorben oder zumindest müssten wir deutlich mehr als 10% alkoholabhängige Menschen unter uns ermitteln können.
Prof. Dr. med. Dr. phil. Heinz Schott Medizinhistorisches Institut Rheinische Friedrich-Wilhelms-Universität in Bonn beschreibt in
dieser Arbeit die neuere Geschichte des Alkoholmissbrauchs (ab dem 16. Jahrhundert) und die 3 herausragenden Alkohol-Epidemien der Neuzeit (ja das gab es tatsächlich). Epidemien wie Pest, Cholera udgl. wurden eingedämmt durch die Entdeckung der Hygiene und später durch Impfstoffe. Im Falle Alkoholismus hat man in Amerika zumindest die Prohibition für kurze Zeit entdeckt. Ist irgendwie aber auch schiefgegangen, bzw. es wurde mehr gesoffen als jemals zuvor.
In Deutschland wurde zur Jahrhundertwende der Alkoholiker als quasi Geisteskranker identifiziert: Die Alkoholiker wurden im Kontext von (Sozial-) Darwinismus und Rassenhygiene gegen Ende des 19. Jahrhunderts als Minderwertig stigmatisiert. Die erbbiologische Betrachtung beherrschte das Feld, die schließlich im NS- Staat auch zur Zwangssterilisation von Alkoholikern gemäß dem „Gesetz zur Verhütung erbkranken Nachwuchses“ führte. Der Alkoholismus erschien als Analogon der Geisteskrankheit und wurde deshalb vor allem zum Gegenstand der Psychiatrie, schreibt Heinz Schrott in dieser Veröffentlichung. Thomas Szasz beschreibt es in seinem Hauptwerk „Geisteskrankheit – ein moderner Mythos“ in ähnlicher Weise, Stigmatisierung war schon damals deshalb für mich ein Reizthema.
Vielleicht kann ich es deshalb nicht mehr hören, wie immer noch oder immer wieder nach dieser genetischen Veranlagung für Sucht, respektive Alkoholismus gefahndet wird.
LG Federico
PS was kümmert's mich eigentlich? Ich repariere seit 3 Jahren meine neurobiologischen Prädispositionen sehr erfolgreich mit Baclofen. „It' works“, würde Jivaro sagen.