Samstag 2. September 2017, 23:28
Liebe Forumsmitglieder, liebe Freunde,
vielen Dank für euren Beistand und all eure Beiträge. Mittlerweile geht es mir besser, ich habe mich stabilisiert und verspüre hier zuhause absolut kein Verlangen nach Alkohol.
@Fallada: Ich weiß nicht, ob mein jetziges Herangehen wirklich bespielhaft ist oder sein sollte. Mir kommt es eher vor wie Notwehr.
@Nadine: Leider habe ich es genau so erlebt, wie du schreibst: Die Sucht oder die Gier schlägt irgendwann ganz brutal zurück.
@Akito: Richtig, das Ziel in Bezug auf Abstinenz hat sich nicht verändert. Abstinenz ohne Ausnahme. Ich habe es 11 Monate geschafft und kann nicht behaupten, irgendwas vermisst zu haben. Im Gegenteil.
@Patrick: Ja, das Selbstvertrauen muss erst mühsam wieder aufgebaut werden. Es ist eine Selbsttäuschung und Selbstenttäuschung, sich stark zu fühlen und plötzlich doch so schwach zu sein. Danke für deine Einschätzung, dass es keine schlimmere Alkoholfalle gäbe als eine Geschäftsreise. Genau so ist es auch in meinen Augen. Wobei mir noch immer nicht klar ist, wie ich etliche Geschäftsreisen in besagten elf Monaten locker ohne in Versuchung zu kommen meistern konnte, und auf einmal fallen wieder alle Hemmungen. Und du hast vollkommen Recht, auch nach dem 50. Geburtstag lauern Gefahren, was immer man sich auch vornimmt. Alkohol bedeutet bei mir immer die Möglichkeit des Kontrollverlusts und der Selbstgefährdung. Noch deutlicher ausgedrückt: Sollte ich in den nächsten Jahren ernsthaft Schaden nehmen oder sterben, ist die Wahrscheinlichkeit groß, dass irgendwie Alkohol im Spiel war. Und dann hab ich's echt verkackt, und genau das soll nicht passieren. Ja, am besten wäre es für mich wirklich, es gäbe jetzt erst mal sehr lange Zeit keine Geschäftsreisen mehr. Aber das ist leider nicht möglich, ich vermarkte ein Projekt, bin dafür verantwortlich und kann da auch sonst niemanden vorschicken (schon deshalb, weil es niemanden gibt). Wenn ich das ganze Bild betrachte an diesem 2. September - und heute wäre ja eigentlich 1-Jähriges - dann hast du ebenfalls Recht, lieber Patrick, die Jahresbilanz ist nicht schlecht. Nur die jüngsten Einschläge erweisen sich als neue, unvermutete Bedrohung.
@Spirit: Ja, ich schütze meine Familie, Familie und Alkohol schließen sich gegenseitig aus, das steht und bleibt so. Und ebenfalls ja, die Gier lässt mit der Zeit nach, diese Erfahrung habe ich monatelang auch machen dürfen. Aber ich habe die dennoch vorhandene Rückfallgefahr einfach nicht ernst genug genommen bzw. deren Auswirkungen auf mich, meine Psyche und mein Selbstvertrauen nicht wahrhaben wollen.
@Kornblume: Ich weiß, wie problematisch diese "innere Erlaubnis" ist, auf Geschäftsreisen wieder zu trinken. Ich sehe sie als Notwehr, weil ich den Eindruck habe, mich ansonsten momentan zu überfordern. Und es ist ja leider nicht so, dass ich mir dann mal ein, zwei Gläser genehmigen würde und Gefahr liefe, schneller wieder in alten Mengen zu trinken. Nein, ich trinke
sofort wieder in alten Mengen. Als ob ich Angst hätte, etwas zu verpassen. Die "innere Erlaubnis" soll genau dieser Angst wenigstens ein bisschen Wind aus dem Segel nehmen - und die Trinkmenge bei Geschäftsreisen reduzieren.
@Bine: Ja, man kann die Sucht mildern... Aber kann man sie wirklich niemals abschütteln? Ich dachte schon, ich wäre soweit, aber ich war es nicht. Klar, es ist, wie du schreibst, auch jenseits der 50 können unangenehme Lebenssituationen kommen, vielleicht sogar mehr als zuvor, und in besagten 11 Monaten gab es keine echte Lebensprüfung, die die alte Gier stark entfacht hätte. Was tun, wie damit umgehen, wenn solche Situationen kommen? Vielleicht ist "Mach dir vorab kein' Kopp'" da sogar die wenn nicht beste, so doch pragmatischste Herangehensweise. Aber nein, so ist es nicht. Ich will, ich muss mich wieder wappnen. Lange Zeiten der Freiheit ohne Vorfälle wieder für mich erobern. Und sie dann wie ein Löwe verteidigen und immer weiter ausbauen.
@Federico: Sucht als fatale Verallgemeinerung, Binsenweisheit: Ja und nein. Ich weiß nicht, ob ich wirklich lernen kann, mit Verstand zu trinken. Will es aber jeder und jedem Anderen gern zubilligen. Du schreibst, dazu braucht es Zeit, Geduld und ein paar Regeln. Für meinen Fall glaube ich, dass es wesentlich leichter ist, die Flasche gar nicht erst zu öffnen. Denn die Flasche nach dem ersten Glas wieder zu schließen, halte ich für unmöglich. Wozu hätte ich die Flasche dann überhaupt öffnen sollen? Nach einem Glas aufzuhören halte ich für übermenschlich... nein... aber zumindest für über-dieterisch. Da finde ich es viel einfacher, das Spiel mit dem Feuer gar nicht erst anzufangen. Ich dachte ja, ich könnte es! Könnte kontrolliert trinken, im April 2016 habe ich hier ausführlich davon geschrieben, um anschließend dem Forum ein halbes Jahr fernzubleiben und in dieser Zeit mir selbst beim erneuten Absacken fern jeder Kontrolle zuzusehen.
@jivaro: Ich glaube schon, dass verhaltener Alkoholkonsum für einige - vielleicht auch sehr viele - Menschen wieder möglich ist, die die Schwelle zur Sucht eigentlich schon überschritten hatten. Und ich glaube gern, dass das mit Baclofen sogar noch eher möglich ist. Aber ich glaube nicht, dass das für mich zutrifft, weder mit Baclofen noch (und schon gar nicht) ohne. Allein der Gedanke an "ein, zwei Gläser und dann Schluss" ist eine Qual, der ich mich nicht aussetzen will. Aber wie passt das mit der "inneren Erlaubnis auf Geschäftsreisen" zusammen? Das passt insofern, als dort dann 5-6 Gläser ausreichen, weil es nicht mehr sein "müssen" (weil ja die Erlaubnis, überhaupt zu trinken, erteilt wurde), und weil ich davon abgesehen eine Höllenangst vor Verkaterung oder gar Restalkoholfahne bei morgendlichen Terminen habe.
@Fallada: Ich hab meinen Avatar entfernt, nachdem Patrick seinen entfernt hatte. Es war für mich ein Auslöser plötzlicher Angst vor der eigenen Courage. Patrick, bitte nicht als Vorwurf verstehen! Und nach dem ersten Vorfall dann wollte ich mir hier im Forum erst recht nicht mehr selbst in die Augen sehen müssen. Aber es wird einen neuen Avatar geben, vielleicht schon bald.
@all: Durch Vor- und Rückfälle bricht keine Welt zusammen. Verzeiht sie euch, das Leben ist zu schade, um deshalb in Schuld zu verharren und in Sack und Asche zu gehen. Ich arbeite weiter an mir, bitte tut das auch, bin guter Dinge, weiß um die Sicherheit in meiner Familie, sehe den nächsten Auswärtsterminen mit sehr gemischten Gefühlen entgegen - und werde weiterhin berichten.
Herzlich grüßt
Dieter