Dienstag 23. Juni 2015, 15:43
Liebe kürbiskern,
ich bin sehr! beeindruckt von Deinem Beitrag, und dass es sogar Forschung zu diesem Thema gibt, und das von einer „Suchtmutter“ von 2 suchtkranken erwachsenen Töchtern.
Meine Mutter hat 2 alkoholkranke Kinder, meinen Bruder (50, der vor 3 Jahren den Kontakt abgebrochen hat) und mich (49). Meine Mutter würde alles, was irgendeinen Bezug zwischen ihr und unserer Sucht herstellen könnte, weit von sich weisen, und hat meine diversen Therapien und Therapieversuche bzgl. Angst und Alkohol auch eher zur Kenntnis genommen als sich damit beschäftigt, mit der Zeit habe ich sie auch nicht mehr erwähnt. Meinem Vater gegenüber sollte ich auch nicht darüber sprechen (was ich dann auch tatsächlich nicht getan habe), um ihn nicht zu „belasten“. Er war selbst Alkoholiker und ist vor 10 Jahren gestorben.
Mein Vater war kein ängstlicher Mensch, eigentlich das Gegenteil, und meine Mutter hat da gerne immer mal wieder „die Bremse reingehauen“. Als Teenager im Krieg hat er sicher seine eigenen Angsterfahrungen gemacht, aber vermutlich hat er sie in Tatendrang und in „nach vorne schauen“ umgeleitet, oder sie „einfach“ in der Vergangenheit gelassen (@Werner: ich glaube auch, „Männer weinen nicht….“

). Alkoholiker ist er trotzdem geworden, wobei man natürlich sehen muss, dass das Bewusstsein für die Alkohol-Problematik noch nicht gesellschaftsfähig war (noch weniger als heute) und der Konsum von Hochprozentigem (auch der „Remy Martin“, um den mein Vater gerne Wetten abgeschlossen hat) zum wachsenden Wohlstand in Deutschland gehörten.
Es geht mir als „Suchtkind“ nicht um Schuldzuweisung oder „Eltern-Bashing“. Meine Mutter hat auch gekämpft, für sich und für ihre Famile, und die Gesundheit meines Vaters, so gut sie es eben konnte. Aber für die eigene Heilung ist man letztendlich selbst zuständig, aber wenn man Glück hat, wird man dabei kompetent und mit Herz, vielleicht sogar von der eigenen Mutter

, begleitet.
Es fällt mir allerdings schwer, Dich „Suchtmutter“ zu nennen, denn da polt sich bei mir die Bedeutung von „Mutter“ um, wogegen sich in mir alles sträubt. Ich kann mich nicht erinnern, als Kind schon ängstlich gewesen zu sein (passt dann auch wieder zu den Forschungsergebnissen), eher neugierig und unternehmungslustig, wie die meisten Kinder, bin aber instinktiv in die Rolle „hineingewachsen“, meiner Mutter Sicherheit vermitteln zu wollen und sie emotional „aufzufangen“ (natürlich auch, um mir selber Ärger vom Hals zu halten). Dass das eigentlich anders herum hätte sein sollen, dämmerte mir erst sehr viel später, und bis heute kann ich es nur in homöopathischen Dosen an mich heranlassen, sonst bricht zu viel zusammen. Ich will meine Mutter immer noch beschützen.
Die Rolle meines Vaters in der ganzen Thematik kann ich nicht wirklich ausloten, denn seit meinem 10. Lebensjahr habe ich ihn nur an den Wochenenden und im jährlichen Familienurlaub erlebt. Meine „Alltage“ habe ich bis zum Auszug von Zuhause mit 20 mit meiner Mutter und meinem Bruder verbracht. Insofern kann ich auch keine Rückschlüsse auf evtl. Traumata bei ihm ziehen. Als Gegenstand von Forschung hätte er diese vermutlich als „Mumpitz“ bezeichnet, aber als Ergänzung zu meiner Mutter, als „Subjekt“ meiner eigenen „Forschung“ und einfach als meinen Vater hätte ich ihn gerne öfter in meiner Nähe gehabt. Dies als subjektiver Bericht von meiner Familie und „Heimatfront“, und wie wir „auf unsere Weise unglücklich waren“. Wobei die Erinnerung an die glücklichen Momente umso wärmer ist, und die sind mein ganz persönlicher Schatz.
Ich bewundere Deine Einstellung und Deinen Mut, und wünsche Dir und Deinen Töchtern von Herzen alles Gute,
Becky
P.S.: Interessant wäre die Zusammensetzung des Forschungsteams hingegen schon ….