Freitag 15. Mai 2015, 12:15
Eleanor hat geschrieben:Jedenfalls stand der Alkohol bei mir auch für "nicht gelebtes Leben"
Liebe Eleanor,
dieser Satz hat es in sich, erklärt er doch warum eine kurzfristige Ablösung vom Alkohol
für Dich so schwierig ist. Vielleicht ist es dir möglich zu reduzieren, es liegt ja doch noch
eine Menge Leben vor Dir. Schwere Missbrauchserfahrungen haben die fatale Eigenschaft,
dass sie immer wieder aus dem Unterbewusstsein hervorkriechen und dich vergiften, bis
du selbst giftig wirst. Ich spreche aus Erfahrung und deshalb weiß ich wie schwer es ist,
aus dieser Spirale auszubrechen. Das Wissen um die Zusammenhänge ist zwar wichtig,
leider hilft es in den Momenten der gefühlten Ausweglosigkeit nicht, man fühlt sich hilflos
und ausgeliefert. In diesen Momenten hilft dann nur noch Alkohol.
Nicht wirklich. Aber wie kommt man da raus aus der Spirale der Verlassenheit und
Selbstentfremdung, die uns am Leben hindert, wie kann ich lernen, mich selbst zu
akzeptieren, anzunehmen wie ich bin? Auch wenn ich mal wieder giftig bin. Ich würde
es dir gerne sagen, wenn ich es wüsste – ich weiß nur dass es geht.
Vielleicht war es die langjährige Begleitung durch einen „Mietfreund“ (Psychologischer
Psychotherapeut), vielleicht war es die Arbeit mit meinem Inneren Kind, vielleicht war
es die nackte Verzweiflung am Ende einer LZT, als der „Beziehungstherapeut“ zu mir sagte:
„Sie sind viel kränker als Sie denken!“ Welcher Anker dann letztendlich gehalten hat, kann
ich nicht sagen, ich habe so viele gesetzt, bis ich festen Boden unter den Füßen hatte.
Baclofen hat sich in den vergangenen Jahren als starker Anker erwiesen, es hilft mir die
Vergangenheit aufzudröseln und stabilisiert mich bei Seegang.
„Ich gebe mich jetzt auf“, habe ich mich seit vielen Jahren nicht mehr sagen hören.
Das Gefühl kenne ich noch gut, obwohl es mich verlassen hat. Was ich Dir sagen will ist:
Gib Dich nicht auf, hör nicht auf zu kämpfen, Du weißt nie, wann Du anfängst Dein
Leben zu leben.
LG Federico