Freitag 20. März 2015, 17:14
Ich bleibe in meiner Spur – im guten Sinne, danke, Dieter.
Ich sehe einige Neuanmeldungen im Forum und freue mich darüber. Allen an dieser Stelle herzlich alles Gute und gute Entscheidungen, die euch weiterbringen! Mein eben erlebter erster Kater nach über 1.5 Jahren Rauschfreiheit erinnert mich daran, wie gross das Leiden war. Ich wünsche euch, dass ihr es euch künftig leichter machen könnt.
Auch wenn ich momentan weiter weg vom Forum und generell wenig im Internet bin: Ich lese mit, bin nur mit Kopf und Herz ziemlich woanders. Für ein Lebenszeichen muss es aber reichen:
Ich ging meiner Arbeit in den vergangenen drei Wochen seit Vater’s Tod wie gewohnt nach, was einerseits - saisonal arbeitsintensive Phase - nicht zu vermeiden war, andererseits als Gegengewicht erstaunlich gut tat und auch gut zu gehen schien. Am Ende meiner Teilzeitwoche kriegte ich dann aber zweimal zu spüren, wieviel Energie mich alles kostete. Bis zum Vorabend noch gut drauf und tatkräftig, stand ich tags darauf erschöpft auf und war völlig erledigt. Ich wünschte mir wirklich klarere Warnzeichen meines Organismus' - offensichtlich nahm ich es erst wahr, als sich meine Batterien bereits entladen hatten. „Souverän", hatte mein Onkel gefunden, hätte ich alles rund um den Abschied von Papa organisiert und abgewickelt – und so hatte es sich auch angefühlt, traumwandlerisch zielgerichtet und klar. Das fand nun ein Ende und zerfranste sich. Luft draussen, Ziel erreicht – was bleibt nun? Erschöpfung und eine gewisse Leere, Trauer.
Zweimal wurden in dieser Situation und Stimmung Craving-Episoden getriggert, wie ich sie länger als ein Jahr nicht mehr erlebt hatte. Der spontane Widerwille dagegen, vom nächsten Schluck beduselt zu werden, auf den ich mich seit dem letzten Sommer hatte verlassen können, schwieg bzw. stellte sich erst mit Verspätung ein. Ich gab dem alten Trinkverhalten ohne viel Widerstand nach. Je eine halbe Weinflasche ging drauf und je ein Nachmittag im Abstand von einer Woche. Aber es funktionierte nicht mehr, das lange bewährte Ertränken von Gefühlen. Es fühlte sich keinen Deut besser an als ohne Alkohol und blieb so ohne Nachwehen und Fortsetzung. Der Lisa-interne Pegelstands-Alarm (+/- geeicht auf das 1 dl Weinglas) hatte vorübergehend den Betrieb eingestellt. Es blieb ohne Folgen und machte umso deutlicher klar, was mir gut oder eben nicht tut: Mehr vertrage ich nicht, mehr mute ich mir nicht zu - es gibt darüber hinaus keinen Mehrwert mehr.
Sich betrinken als Möglichkeit einer Handlung, wenn im Grunde keine Handlungsoption überhaupt etwas zu verbessern vermag. Es gibt Situationen, da ist nichts zu tun oder zu ändern - und trotzdem schreit es "Tu was!". Aussitzen und Aushalten statt Agieren. Es geht auch vorbei und wieder aufwärts, wenn ich dem Geschehen seine Zeit lassen kann. Gut genug dafür geht es mir ja: das ist ein starker und gleichzeitig flexibler Boden, der auch mal durchhängen kann.
Mein Mann übrigens beobachtete zurückhaltend und abwartend, und er achtete darauf, nicht vorschnell ein Sorgen-Programm abzuspulen. Er war es, der vorschlug, kurzfristig die Dosis zu erhöhen (von 50 auf 62.5) - ich hatte gar nicht so weit gedacht. Anfang Woche äusserte er: "Was mich übrigens beinahe am meisten geärgert hätte: Wenn all die Ignoranten Recht erhalten hätten, die sich weigern, die Baclofen-Behandlung für dich als wirksam zu anerkennen. Das wär' mir seltsamerweise an den Stolz gegangen."
Ach ja, das noch, denn ich schmunzle immer noch:
Heute Vormittag wurde mir ganz anders, grauer Schleier vor Augen, dann flau im Magen und schliesslich schwer das Herz. Vor dem Hintergrund der vergangenen Tage geriet ich ins Grübeln: Was zum Geier ist mit mir los? Erst eine Stunde später dämmerte es mir: Sonnenfinsternis! Ich war eben auf meine eigene Konstruktion (da stimmt
mit mir was nicht) reingefallen...

Denkste. Kein Wunder, erfanden unsere Ur-Vorfahren Götter, um eine Bedeutung zu erschaffen für das Unerklärbare, das Angst macht. Abwarten lohnt sich oft - und sich selbst nicht immer gleich alles glauben, was so hoch kommt.
Die Vögel trauen sich auch wieder zu pfeifen und mit 100% Frühlingssonne wünsche ich euch ein schönes Wochenende!
Herzlich
Lisa