Zitat:
Ich rätsele aber immer noch, warum ich nach dem so schönen, total alkoholfreien Urlaub, wieder getrunken habe. ... Wie kommt man trotz monatelanger zufriedener Abstinenz (mit Baclofen) urplötzlich (durch äußere Einflüsse und/oder Trauer und/oder Glücksgefühle) wieder dazu zu trinken ? Was führt dann letztlich zur Depression ? Ist es letztlich die Enttäuschung über sich selbst, das Gefühl, mal wieder "versagt" zu haben ?
Lieber Werner
Für die erste Frage gibt es hunderte von Ursachen bei jedem einzelnen von uns. Ich glaube nicht mehr an eine Generalerklärung - ebenso wenig wie an ein Generalrezept, wie es hätte vermieden werden können, wenn es doch geschehen ist.
Ausser es nicht zu tun, natürlich.
Hundert hilfreiche Ratschläge, Tipps und Erfahrungen, gehört, gelesen, ausprobiert, mit den hilfreichsten viel erreicht - und immer noch auf der Suche nach dem ultimativen letzten Instrument? Auch die beste Taucheruhr macht's nur bis 5000 Meter. Oder streikt mal kurz unterwegs. Der Lapsus ist passé und gehört in die Vergangenheit. Lass ihn da, denn er holt dich und deine Gegenwart ein, wenn du ihm die Macht gibst, dein Gefühl von Wirksamkeit zu erschüttern und dein Selbstbild grau zu übertünchen.
Wie hast du reagiert? "Wenn ich alles richtig gemacht hätte, wäre es nicht passiert; jetzt aber umso mehr - kein einziger Fehler mehr und Zähne zusammenbeissen"? Eine solche Spirale kann bei Menschen ohne überzeugtes Heldentum abwärts führen und eine depressive Grundstimmung verstärken. Sie führt zu Anspannung, Selbstüberforderung und noch mehr Furcht vor Versagen; nicht nur emotional, sondern auch körperlich kann sich das zeigen.
Andere geben sich unmittelbar auf und stellen sich tot - nicht weil sie zu schwach sind, sondern vielleicht weil sie nicht glauben, dass an ihnen noch irgendetwas Liebenswertes ist, wenn sie nicht mal das schaffen. Das Selbstbild wird rückwirkend an diesen einen Faden gehängt, der nun gerissen ist. Alles für die Katz. Verzweiflung prägt die Zukunft, die es kaum mehr gibt.
Puzzlestücke, die eine depressive Episode befördern können, wie auch Panik oder Zorn von Partnern. Und der Alkohol selbst, der das neurologische Gleichgewicht irritiert. Am Schluss dann vielleicht Depression und heulendes Elend.
Und nu? Werner, wir bemühen uns. Wir tun, was wir können. Wir machen Fehler.
Wir machen sehr viel mehr richtig. Und wir werden nie perfekt sein - Alkoholiker nicht und Nicht-Alkis ebensowenig. Das macht uns aus. Situationen können uns emotional überrumpeln und wir handeln impulsiv. Richtungsweisend ist der Blick darauf, wie es gut weitergeht. Trau deinem Erfahrungswissen - du kennst deine eigenen Wege.
Die Zuversicht, dass wir den eigenen Lebensweg beharrlich zum Guten wenden können, geht nicht einfach so verloren. Sie hängt nicht davon ab, was der Grund für einen Vorfall war. Sie braucht nur Pflege und Be-Achtung. Beharrlichkeit ist eine Tugend.
lg
Lisa