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Re: PUBLIC WARNING

Donnerstag 2. Mai 2013, 09:19

jivaro hat geschrieben:Ich kann alle Ärzte verstehen, die die off-label-Verschreibung von Baclofen ablehnen.

Ich nicht. Eine 8-fach erhöhte Suizidrate ist evidentes Merkmal der Alkoholstörung und völlig unabhängig von Methodik und Therapie einer Entwöhnung. Im Gegenteil: ein Arzt der seinem hoffnungsvollen Patienten Baclofen verweigert, kann u. U. der letzte Auslöser für eine Verzweiflungstat sein.

„Wie wird sich dieser Mensch in Zukunft verhalten?“ ist lt. David Eagleman (Inkognito) zentrale Frage neurobiologischer Forschung. Derzeit ist es nicht möglich, eine annähernd zuverlässige Prognose zu erstellen. Fluch oder Segen? Wir können (noch) nicht in das Gehirn unseres Gegenüber hineinsehen. „Que saisje?“ (Michel de Montaigne 1532 – 1592), „was weiß ich“ ist deshalb eine gute Frage.

Ich erinnere mich an ein Mitglied unseres Forums, das 2010 in einem persönlichen Gespräch über drei Suizide während einer 12-wöchigen Entwöhnungstherapie in der Tönissteinklinik berichtete. Ein Mitpatient mit dem sie kurz zuvor noch gesprochen hatte, raste plötzlich an ihr vorbei durch ihr Zimmer und sprang vor ihren Augen aus dem Fenster. Kein Arzt, kein Psychologe wollte mit der Patientin anschließend über dieses traumatische Erlebnis sprechen. Viktor Frankl würde sich angesichts dieses unachtsamen Verhaltens von Ärzten im Grab umdrehen.

Hippokrates hat geschrieben: Ich werde ärztliche Verordnungen treffen zum Nutzen der Kranken nach meiner Fähigkeit und meinem Urteil, hüten aber werde ich mich davor, sie zum Schaden und in unrechter Weise anzuwenden.

Das nicht Anwenden eines Medikaments, dass sich über viele Jahre und tausendfach als ausserordentlich hilfreich erwiesen hat, verstößt m. E. gegen den Eid des Hippokrates. Der langjährige Präsident und heutige Ehrenpräsident des nationalen Ethikcomités Frankreichs (Pr Didier Sicard), würde sich wohl kaum für eine Petition pro Baclofen als Schirmherr zur Verfügung stellen, wenn er nicht dieser Ansicht wäre.

LG Federico
Stark bleiben!

Re: PUBLIC WARNING

Donnerstag 2. Mai 2013, 16:19

Liebe jivaro,

Nach den ersten Absätzen Deines Beitrags hatte ich das Gefühl, Dich einfach mal in den Arm zu nehmen und dann zu sagen…Ey.. alles gut.. Es ist ein Einzelfall der Dir persönlich ganz nahe geht..
Mit etwas Abstand relativiert sich auch dieser Fall. Klar!! Ein Tritt in die Magengrube und nicht gut für unsere Sache (und für Deine Seele)… ABER!! Es gibt Menschen, die sich trotz besseren Wissens auch mit anderen Medis (fast) umgebracht haben!! Wir haben auf diese Dinge keinen Einfluss. Solange wir keine genauen empirischen Daten haben, bleiben wir auf unseren Erfahrungen hängen. Und –diese werden jeden Tag mehr. Also – Kopf hoch - Wir schaffen es!!

Ganz viele empathische Grüße
Volker

Re: PUBLIC WARNING

Freitag 3. Mai 2013, 21:14

Liebe jivaro,

ich kann nachfühlen, dass der 1. Mai für Dich wahrlich kein Feiertag war. Solche Fälle sind sicherlich hart, insbesondere wenn man involviert ist und das beste wollte. Es ist mir klar, dass solche Rückschläge Zweifel gebären müssen. Wer ist verantwortlich für den Missbrauch verordneter Medikamente – doch nur der Patient. Mehr als aufklären, beraten, begleiten und warnen kann man als Arzt doch nicht! Klar, dass die Situation bei off-label etwas prekärer ist und kritische Verordnungspraxis angezeigt ist.
Zur Erinnerung: Wie wichtig die Verordnung von Bac ist zeigt allein nur mein Fall. 2011 ein Entzug nach dem anderen. Eigentlich keine reale Chance mehr. Ab Mai 2012 Beginn mit Bac und kontinuierliche Gesundung. Wie hätte es ohne diesem Medikament geendet mit mir, bei Oliver Ameisen und und und …? Das sollten wir immer im Auge behalten, insbesondere bei gelegentlichen Entgleisungen!

Ansonsten schließe ich mich aus vollem Herzen den Worten von Volker an.

Alles Liebe tom
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