Baclofen Forum vs Alkoholismus

Hallo Marc

Dein Bericht hat mich veranlasst, mal in meinem "Archiv" zu blättern und die Anfangszeit mit Bac aufleben zu lassen. Dies ist nun 3 1/2 Jahre her (wie doch die Zeit vergeht... ) und ich fand einiges an Parallelen.

Ich "arbeitete" mich mit grossem Erfolg innert 17 Tagen auf eine Dosis von 50mg. Aufgrund massiver Nebenwirkungen, welche schlussendlich in Thoraxschmerzen gipfelten, brach ich die Therapie ab... Wichtig ist hier hervorzuheben, dass ein plötzlicher Abbruch nach längerer Einnahme nicht schlagartig stattfinden darf! Da wäre dann ein Ausschleichen über Wochen angezeigt! Auch ein zu schnelles Abdosieren nach längerer Zeit kann zu Problemen führen. Selber schon versucht und Experiment abgebrochen! Nach einer Einnahme von 3 Wochen sollten jedoch noch keine Probleme auftauchen.

Nun, dieser Stopp ging gut über die Bühne und die UNW verloren sich innert Tagen. Was mich erstaunte war die Tatsache, dass sich meine Einstellung dem Alk gegenüber bereits verändert hatte und von dieser kurzen Zeit ein "Echo" zurückblieb. Ein Umstand, der heute noch als Silberstreif am Horizont in mir herumgeistert und mir Hoffnung gibt, eines Tages ganz mit Bac aufhören zu können...

Nach einer Pause von 3 Wochen begann ich nochmals mit der Therapie. Die Gründe? Ich vermisste gewisse "Side-Effects" dieses Medikamentes, welche bei einigen als störend empfunden werden: Die Träume in 3-D auf Grossleinwand, steuerbar und von Surrealismus geprägt, den ansonsten tiefen, erholsamen Schlaf, das Gefühl in einem neuen Land zu sein, das fast therapeutisch Analysierende der Seele sowie das Freischaufeln begrabener Lebens-Träume...

Ich habe Dir am 20. September über die "Wahrheitspille" geschrieben. Nach meinen Erfahrungen steht man plötzlich den eigenen Wünschen, Träumen, Illusionen und Gedanken gegenüber. Man entdeckt sich selber und muss mit einem Prozess beginnen, der auch schmerzhaft sein kann. Es kann fast schonungslos über einen hereinbrechen. Lebe ich auch MEIN Leben und nicht nur jenes der Anderen, dies, was sie von mir erwarten? Dieses Empfinden mag von der Ausgangssituation abhängig sein, je nachdem wo man sich in der Balance zwischen "mir" und den "anderen" befindet. Selber bin ich eher der Typ, der sich am ehesten dabei vergisst. Aber es kann dazu führen, sich in einem anderen Licht zu sehen. Wie gehe ich mit mir um, was habe ich mir selber Gutes getan? Wo stehe ich in dieser Welt, Gesellschaft und Umfeld?

Ich schweife ab..., jedenfalls startete ich nach 3 Wochen mit einer viel sanfteren Aufdosierung und konnte dann erstaunlicherweise mit erträglichen NW bis zu 100mg/120mg hochfahren. Dort war definitiv Ende der Stange und ein Grenz-Dasein zwischen Tag und Traum... aber es hat sich gelohnt!

Seither hatte ich keinen einzigen Tag mehr ohne Bac verbracht. Wie es weitergehen mag ist eine noch offene Geschichte und soll hier nicht Thema sein...

Ich will Dir nicht ein "Rezept" geben, wie Du vorgehen sollst. Dies liegt mir fern. Ich schreibe einfach über meine Erfahrungen, da ich gewisse Parallelen zu Deinen Erleben finde.

Mögest Du die richtige Entscheidung treffen!

LG
moonriver

PS: aktuell mit 62.5mg unterwegs

Lieber Marc,

hast Du denn Deinen Blutdruck einmal gemessen?

Bei Menschen mit hohem Blutdruck trägt Baclofen offensichtlich zu einer "Normalisierung" bei, sodass die blutdrucksenkenden Medikamente oft reduziert werden können.

Eine Blutdrucksenkung bei "Normalem" oder "niedrigen" Blutdruck wäre sehr ungewöhnlich.

LG, jivaro

Liebe Jivaro, liebe Mitstreiter,

das ist ja interessant, dass es niedrigen Blutdruck nicht noch weiter absenkt. Ja, ich hab gestern gemessen, nachdem ich von der Arbeit zuhause war, aber da ging es mir zum einen schon was besser und ich hatte gerade 30 min Fahrt mit dem Rad hinter mir, wenn auch langsam. Der Blutdruck war so etwa 95/70. Ich kann also nur vermuten, dass er vorher im Büro noch niedriger war. Du bringst mich damit auf die Idee, das Gerät mal lieber im Büro zu deponieren und dort zu gucken, was da los ist. (übrigens, wenn ich schon mal tageweise nicht geraucht habe, dann rauscht mein Herzschlag absolut in den Keller, Pulsschlag unter 50 tagsüber… und ich bin nun kein Leistungssportler). Sämtliche Check-ups und Blutuntersuchungen zeigen aber keine besonderen Auffälligkeiten, außer erhöhte Leberwerte (minimal) und erhöhte Blutfette.

Lieber Moonriver - danke Dir vielmals für Deine ausführliche Schilderung. Ich möchte jetzt auch nicht komplett absetzen, sondern mal vorerst so bei 20 mg bleiben. Ich möchte auch ungern auf die schlaffördernde Wirkung abends verzichten, wenngleich sich das mittlerweile leider ein bisschen abgeschwächt hat. An sich finde ich die Vorstellung, besonders klar zu träumen auch nicht schlimm, es lag vielleicht doch auch an dem Inhalt meines letzten Traums. Die richtige Dosierung scheint ja wirklich absolut individuell zu sein.

Ein bisschen mulmig ist es mir schon die ganze Zeit bei dem Gedanken, dass ich da Tabletten nehme, die in die Chemie meines Gehirns eingreifen. Komisch nur, dass ich solche mulmigen Gefühle nie hatte, wenn es darum ging, mich mit Ethanol zu manipulieren und gezielt eine Veränderung meiner Gefühlslage herbeizurufen… dabei greift dieser Stoff ja nun wesentlich gravierender ein.

Mein Tag heute war deutlich besser als die ganzen letzten Tage. Ich war frischer im Kopf, das Ohrenrauschen ist weg. Meine Frau meinte gestern Abend noch zu mir, dass das, was sie in den ersten zwei Wochen als so angenehm empfunden hatte, meine "buddhistische Ausstrahlung", sich zunehmend in eine "Alles-egal-Haltung" verwandelt hätte. So hab ich es auch empfunden.

Ich will weiter daran arbeiten, mein Leben anders, neu auszutarieren. Natürlich ist es schon ein Ziel, sich selbst mehr zu lieben, nachsichtiger mit sich zu sein. Aber ich brauche daneben auch noch konkretere Ziele. Ein langfristiges Ziel, das ich dann in kleinere Etappen und vor allem tägliche Schritte aufteilen kann. Was könnte mich dazu bringen, morgens begeistert aus dem Bett zu springen? Was könnte mich dazu bringen, abends rechtzeitig schlafen zu gehen, damit ich am nächsten Tag fit bin… für was möchte ich denn fit sein?

Ich hätte nicht gedacht, dass ich diese Fragen alle nochmal beantworten muss… Vor mir liegt ein leeres, weisses Blatt. Abgesehen von dem einen Punkt, dass ich mir wünsche, für immer mit meiner Frau sein zu können, ist alles offen.

Heute erschreckt mich der Gedanke an das weisse Blatt endlich mal nicht. Im Gegenteil.

Ich wünsche Euch einen schönen Abend!
Liebe Grüße,
Marc

Liebes Forum,

ich hab schon vier Wochen nicht mehr geschrieben… in der Zwischenzeit ab und zu mitgelesen… Wie ich so einigen anderen zwischenzeitlich geschriebenen Beiträgen entnehme (moonriver/fallada), ist es eben nicht so einfach - es ist eigentlich eine Kunst - die richtige Dosis für sich selbst zu finden. Nicht nur für Baclofen. Ganz allgemein gesprochen ist es eine Kunst, dauerhaft oder überwiegend seine eigene Mitte zu haben, den eigenen Rhythmus …

Kurz nach meinem letzten Beitrag hab ich die letzten 15-20 mg Baclofen doch abgesetzt, weil ich das wattige, taube Gefühl tagsüber in meinem Kopf nicht mehr aushalten konnte. Ich hatte mir meine Abstinenz so frisch und glasklar vorgestellt, voller Tatendrang und nicht so matschig. Diese Frische fand ich dann tatsächlich 2 Tage nach der letzten Tablette. Leider hat es dann auch nur noch ein paar Tage gedauert und meine Schlaflosigkeit kam ebenfalls wieder. Was für ein Zirkus alles.

Mitte Oktober hatte ich den zweiten Termin bei meinem Arzt, dem ich vom Absetzen von Bac und Schlaflosigkeit erzählte. Er hat mir dann Melatonin in Form von Retardkapseln verschrieben und 5-htp, weil mein Serotoninspiegel zu niedrig ist. Ich bin ihm sehr dankbar, dass er das von sich aus vorgeschlagen hat, das war auch meine Idee für das weitere Vorgehen. Jetzt gucke ich erst einmal in Ruhe, wie sich das entwickelt.
Von Baclofen hab ich mich keineswegs verabschiedet, ich würde nur beim nächsten Versuch (nur für mich gesprochen) noch viel, viel langsamer vorgehen.

Ich grüße Euch alle herzlich,
Marc

Lieber Marc

Ich freue mich, wieder von dir zu lesen und bin berührt von deinen Worten:
Diese Vision ist stark und erzeugt ganz spontan sogleich auch bei mir Motivation. Sie sagt aus, was dich leitet. Ich wünsche dir von Herzen, dass sich dieser wunderbare Zustand wieder einstellt. Wie sich die neue Medikation auswirkt, würde mich dann sehr interessieren.

Herzlich
Lisa

Lieber Marc
Nennen wir uns doch einfach Lebens-Künstler. Alle arbeiten wir am Problem, oder besser gesagt, an der Lösung. Dies wird wohl ein lebenslanger Prozess sein, nicht nur für Abhängige oder Abhängig-gewesene!

Ich wünsche Dir, dass Du mit Deiner aktuellen Medikamentation Erfolg haben wirst und bin froh, dass Du den Weg mit Bac noch offen lässt.
Insgeheim würde mir vorschweben, Bac nur noch "on demand" einzunehmen. Einfach als Reserve für schwierige Momente... insbesondere, da es bei mir jedenfalls für einen tiefen und erhohlsamen Schlaf sorgt.

LG
moonriver

Liebe Lisa, lieber moonriver,

ich freue mich sehr über Eure Antworten!

Gerne berichte ich Euch weiter, wie es mir mit Melatonin und 5-htp ergehen wird. In den ersten Tagen konnte ich dadurch noch keine Verbesserungen feststellen und ich war darüber frustriert, obwohl ich wußte, dass es dauern würde. Die 3 mg Melatonin führten zwar dazu, dass ich innerhalb von 1 Stunde nach Einnahme bleischwer im Bett lag. Aber mein Kopf ratterte weiter und schlafen konnte ich nicht. Seit drei/vier Tagen ist das komplett anders. Ich nehme eine Tablette, lege mich 30 min später hin und schlafe schlagartig ein und durch. 7-8 Stunden absoluter Tiefschlaf ohne Aufzuwachen. Dementsprechend fit fühle ich mich tagsüber. Ich bin sehr glücklich darüber, wage aber noch nicht zu glauben, dass das bleiben könnte…

Ich nehme beides jetzt seit ca. 14 Tagen und so langsam scheinen sich auch meine Gedanken aufzuhellen. Meine Rahmenbedingungen haben sich nicht großartig verändert, aber das, was mich vorher so deprimiert hat, sehe ich jetzt etwas entspannter und gelassener. Ob das im Zusammenhang mit den Medikamenten steht (oder vielmehr Stoffen, die der Körper selber bildet - ich habe nicht das Gefühl, Medikamente zu nehmen) oder ein Zufall ist, werden die nächsten Wochen zeigen.

Ich hoffe, Ihr habt Zeit und Muße, am kommenden Wochenende den wunderbaren Herbst zu geniessen. Ich bin selber überhaupt kein Herbstmensch. Aber dieser Herbst ist so besonders, oder?: die milden Temperaturen, das Licht, das Farbenspiel der Blätter… einfach ein Traum.

Seid herzlich gegrüßt,
Marc

Lieber Marc
Jetzt spüre ich den Lebens-Künstler in Dir und aus Deinen Zeilen. Gut so!

LG
moonriver

Du meine Güte - ich kann dir so gut nachfühlen, welche Erleichterung das bringt! Guter Schlaf macht mich zu einem besseren Menschen.

Und dieser Herbst ist speziell schön. Einverstanden. Lasst uns was draus machen!

lg
Lisa