Donnerstag 11. Mai 2017, 09:55
Liebe Forumsmitglieder!
Gestern habe ich meinen 3. Teil von "Mein Weg mit Baclofen" zur Redaktion d. TrokkenPresse geschickt.
Hier ist er nun! Viel Spaß beim Lesen
LG Manuela
Mein Weg mit Baclofen – Teil 3Damals hatte ich zwei Arten von Gesprächen mit den Therapeuten im ambulanten Programm von St. Luke’s-Roosevelt und mit meinen Ärzten. Wenn ich trank, fragten sie: »Was glauben Sie, warum sind Sie diesmal rückfällig geworden?« Nie konnte ich eine Antwort geben, die sie oder mich befriedigte. Rückblickend sage ich, dass eine befriedigende Antwort einfach nicht existierte. Die Frage wäre nur sinnvoll, wenn Alkoholismus keine biologische Störung wäre, sondern ein rein spirituelles Problem. Es ist, als würde man einen Krebspatienten fragen: »Warum ist Ihr Krebs zurückgekommen? Haben Sie eine negative Einstellung?«, so Dr. Olivier AmeisenIn gewisser Weise kann ich den Worten von Dr. Olivier Ameisen zustimmen. Sobald ich in Gruppen oder beim Therapeuten einen Rückfall beichtete, musste immer ein Warum gefunden werden. Dabei gab es öfters einfach keine Auslöser. Dieses unbändige Verlangen nach Alkohol überfiel mich an manchen Tagen urplötzlich und führte mich – wie ferngesteuert – zum nächsten Supermarkt. Natürlich spielten manchmal auch gewisse Auslöser wie Stress, Traurigkeit, Ärger usw. eine Rolle, doch meistens war es dieses über Stunden anhaltende Zwangs-Craving, welches mich wieder rückfällig werden ließ.
Mittlerweile ist es Mitte April und meine Tagesdosis Baclofen liegt bei 130 mg. Zurzeit geht es mir psychisch ganz gut, was ich jedoch vom Monat März nicht gerade behaupten kann. Wiedermal gefangen in einer depressiven Stimmung besuchte ich keine Gruppen mehr, ließ Arzttermine platzen und ging sogar nicht mal zu meiner Suchttherapeutin, zu der ich normalerweise immer sehr gern gehe. Wie schon im 2. Teil meiner Geschichte berichtet, meldet sich, dank Baclofen, nicht mehr tagtäglich der Suchtdruck und auch meine Ängste sind weitestgehend verschwunden. Leider musste ich feststellen, dass sich meine Verlustängste nicht so einfach abschütteln lassen. Meine Gedanken drehten sich nur noch um ein Thema: „Was wird die Zukunft überhaupt noch bringen?“ „Meine Eltern sind nicht mehr die jüngsten, werde ich dann später allein und einsam sein?“ „Macht es dann überhaupt noch Sinn mit der Baclofen-Therapie weiterzumachen...?“ Diese Angst vor der Einsamkeit gepaart mit den düsteren Gedanken ließen mich dann doch zweimal die Woche zum Wein greifen. Ganz im Gegensatz zu früher, blieb es aber jeweils nur bei ca. 5 Gläsern Wein.
Meinen Gesprächstermin bei meiner Suchttherapeutin hatte ich ja verpasst, doch zum Glück bekam ich relativ zeitnah einen neuen Termin bei ihr. Ich schilderte ihr meine Verzweiflung, dass ich trotz Baclofen in letzter Zeit dennoch zweimal die Woche zum Alkohol gegriffen hatte. Zu meiner Überraschung sah sie jedoch, im Gegensatz zu mir, eine Veränderung in meinem Trinkverhalten. Sie erinnerte mich daran, dass ich ohne dieses Medikament an bis zu 4 bis 5 Tagen die Woche ca. 2 l Liter Wein konsumiert hatte. Auch freute es sie, dass ich nicht mehr, wie früher, mit „Horrorgeschichten“ aufwarte. Hatte ich doch im Vollrausch so einige Sachen „angestellt“, auf die ich nicht gerade stolz bin. Zum Glück ist dies seit längerem vorbei. Einen Fortschritt konnte sie auch darin sehen, dass es mir doch immer öfters gelingt den gekauften Wein zu Hause wegzuschütten, was ohne Baclofen undenkbar gewesen wäre! Bedenken sollte ich auch, dass sich fast 20 Jahre Alkoholabhängigkeit nicht so einfach wegzaubern lassen, denn die Sucht ist auch langsam entstanden. Ich solle mir doch Zeit geben. So hatte ich das alles gar nicht gesehen. Schuldgefühle, Scham und Verzweiflung haben mich blind für die Fortschritte gemacht, sodass ich meine abstinenten Zeiten nicht mehr sehen konnte!
Zu einem festen Bestandteil in meinem Leben ist für mich mittlerweile das Baclofen-Forum vs Alkoholismus geworden. Besonders die Newcomer, zu denen ich mich auch zähle, profitieren von den Erfahrungen langjähriger Mitglieder, die mit Hilfe von Baclofen ein abstinentes Leben führen.
In diesem Zusammenhang fällt mir ein motivierendes Zitat von Patrick, einem langjährigen Mitglied des Forums, wieder ein:
„Baclofen hilft auf Anhieb nur bei den Wenigsten. Die Meisten, darunter die Rauschtrinker, brauchen viel Arbeit, Geduld und Einsicht. Baclofen verschafft die Möglichkeit, gedanklich Abstand zu nehmen von Alkohol, indem man ruhiger, gelassener über das Problem nachdenken und reflektieren kann. Nach einer gewissen Zeit flauen die Rauschwünsche ab. Und die Suche nach dem 'Kick', der 'Euphorie' muss mit etwas Anderem gesucht werden. Die Kombination Baclofen zusammen mit der Einsicht in der eigenen Problematik, wirkt Wunder.“ Treffender hätte er es nicht formulieren können. Da ich mich auch zu den Rauschtrinkern zähle, heißt es etwas zu finden, was den sog. „Kick“ kompensiert und die Alltagsleere füllt. Früher bin ich gerne walken gegangen. Warum nicht wieder damit anfangen? Hat man dann etwas gefunden, was die Leere füllt, müssen diese neuen Lebensformen erst eingeübt werden. Das Gedächtnis muss neue Inhalte ja erst verknüpfen und es dauert eine Weile bis sich die neuen Lernerfahrungen verfestigt haben.Vielleicht sollte ich auch öfters, wenn die düsteren Gedanken mich wieder quälen, mehr in mich hineinhorchen: „Wie fühle ich mich gerade?“, „Was fehlt mir gerade?“ oder „Was kann ich mir Gutes tun?“
Mein Fazit
Ohne Baclofen würde ich wieder bis zu 5mal die Woche 2 l Wein trinken und das Zwangs-Craving würde mich wieder einholen...! Mir wird immer bewusster, dass es diesen „Kick“, diese „Euphorie“, die der Alkohol früher ausgelöst hat, nie wieder geben wird. Davon muss ich mich endgültig verabschieden! Jedoch bin ich sehr zuversichtlich, dass mein Gefühl den Verstand gleich eingeholt hat.
Wie ich mich in den nächsten Wochen fühlen werde, können Sie in der nächsten Ausgabe lesen!
Manuela K.