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Re: Dieters Durst

Freitag 17. Februar 2017, 00:32

Liebe Juli, lieber Patrick,

wir haben es uns einfach verdient, dass es uns nach Jahren, sogar Jahrzehnten der Selbstverzweiflung und der Niederlagen gutgeht. Ja, es darf uns gutgehen. Richtig gut, ohne schlechtes Gewissen, ohne Rechtfertigungszwänge, ohne Relativierungen. Saugut sogar!

Gestern und heute war ich auf einer großen Messe unterwegs, zweimal neun Stunden von Termin zu Termin, Gespräche, zuhören, nächster Termin usw... Früher war ich am Nachmittag platt und abends betrunken. Und hatte stets Angst vor Zurückweisung, vor Niederlagen. Heute verspüre ich viel weniger Anstrengung und gewinne objektive Einschätzungen statt mich von einer diffusen Gefühlslage manipulieren zu lassen.

Jeden Tag bestätigt sich neu und anders, wie viel ich gewonnen habe, seit der Alkohol keine Macht mehr über mich hat. Zu wissen, wie es vorher war, macht die Gegenwart noch wertvoller.

Das, was uns vielleicht manchmal noch anficht, ist tatsächlich klein wie ein Gartenzwerg. Und wer begibt sich schon freiwillig auf Augenhöhe mit Gartenzwergen?

Herzliche Grüße
Dieter

Re: Dieters Durst

Freitag 17. Februar 2017, 01:04

Lieber Dieter

Haha, Deine Analogie mit dem Gartenzwerg, herrlich!

Als ich auf Geschäftsreise war, wusste ich schon weit im Voraus, dass ich die Reise alkoholisch gut planen musste, damit man mich nicht schon vollbesoffen aus dem Flugzeug tragen musste. Das vollständige Besäufnis kam bei mir im besten Fall erst an der Bar vom Hotelzimmer, manchmal schon viel früher...
Es freut mich riesig für dich, dass du diese schlechten Geschäftsreise-Gewohnheiten hinter dir gelassen hast, wow!!

Bei meiner nächsten Reise bleibe ich auch nüchtern, I tell you!

LG

Patrick

Re: Dieters Durst

Freitag 17. Februar 2017, 09:41

Heute verspüre ich viel weniger Anstrengung und gewinne objektive Einschätzungen statt mich von einer diffusen Gefühlslage manipulieren zu lassen.
Genau das ist doch ein Riesengewinn und so wird es möglich Stück für Stück in die echte Selbstbestimmung zu gelangen....

LG jivaro

Re: Dieters Durst

Sonntag 19. Februar 2017, 01:35

Lieber Patrick,

das kann ich mir lebhaft vorstellen. Solche Strategien habe ich auch oft gebraucht. Sobald eine neue Geschäftsreise sich andeutete, war Alkohol der erste und wichtigste Gedanke.

Liebe jivaro,

ja, das ist wirklich ein Riesengewinn. Echte Selbstbestimmung, ja. Es wird langsam. Auch so eine Art innere Mitte, die ich so lange schon suche, nimmt in kleinen Etappen Formen an.

Liebe Grüße
Dieter

Re: Dieters Durst

Sonntag 19. Februar 2017, 14:34

Lieber Dieter

Mit Alkohol nimmt man das Erlebte, seine Gefühle nicht wahr,
und am Ende kann man sich an keine Erlebnisse erinnern.
Mann gewinnt nichts. Die Ängste,
die Verluste gewinnen die Oberhand.
Früher brauchtest du Alkohol, um Stress, Verlustängste zu überwinden.
Dabei war es der Alkohol selber, der diese Frust angekurbelt hat.
Jetzt hast du den Fusel mit eigenen Waffen geschlagen;
Je länger der Alkohol aus dem Leben verbannt ist, umso kraftvoller
ist die Ruhe und innere Ausgeglichenheit herangewachsen. Die Befürchtungen,
zurückgewiesen zu werden, sind mit dem Alkohol verschwunden.
Doppelt gewonnen!

Daher ist jeder Tag ohne Alkohol ein Gewinn,
und jeder weitere Tag ein immer grösserer Erfolg.

LG

Patrick

Re: Dieters Durst

Sonntag 19. Februar 2017, 19:31

Hi Patrick,

so ist es; wunderbar formuliert! Man gewinnt nichts, vielmehr droht vieles verlorenzugehen. Der innere "Trink mal einen und gönn dir 'ne Auszeit"-Tröster verschafft uns gar keine Auszeit, in der wir uns erholen könnten, sondern stellt uns in der Rush-Hour mitten auf die vielbefahrene Kreuzung und lässt uns dort allein. Dort stehen wir dann und Stress, Verlustängste, Selbstzweifel und -vorwürfe strömen mit doppelter Wucht wieder auf uns ein.

Zeigen wir dem miesen Verräter die kalte Schulter. Alkohol hat in meinem, in unserem Leben nichts mehr verloren. Werden wir zu dem Menschen, der wir vielleicht längst hätten sein können, wenn wir uns die vielen Unwege und Felsbrocken erspart hätten.

LG
Dieter

Re: Dieters Durst

Montag 20. Februar 2017, 14:59

Hoi Dieter

so ist es! Vieles, sogar alles, geht verloren.
Der Teufel präsentiert sich als ein unschuldiger Tröster, entfaltet aber schnell seine Tentakel, will immer mehr und mehr, verlangt alles von einem ab, und transformiert sein Opfer in ein nervlich zerstörtes Wrack.
Bald hast du ein halbes Jahr lang dem Verräter die kalte Schulter gezeigt. Ein halbes Jahr lang Eggheads gesammelt. Mann, welche Leistung, welches Gewinn, die Rendite ist unvorstellbar!

LG

Patrick

Re: Dieters Durst

Montag 20. Februar 2017, 23:24

Hey Patrick,

ja, die alkoholfreien Tage vergehen im Fluge, und ich komme schon gar nicht mehr auf die Idee, sie zu zählen. Aber du hast recht, am 2.3. ist es schon ein halbes Jahr. Das Einjährige am 2.9., das will ich schon irgendwie feiern, vielleicht mit meiner Familie essen gehen...

Komisch eigentlich, dass mich weder meine Frau noch meine Kinder jemals fragen, warum ich kein Bier mehr trinke und generell nicht mehr nach Alkohol rieche. Mit meiner Frau hatte ich am 2. Tag (also am 3.9.16) ein sehr gutes Gespräch, in dem ich meine Abhängigkeit schonungslos offengelegt und sie gefragt habe, ob sie sich vorstellen könne, dass ich für eine stationäre Therapie mal einige Wochen weg sein werde. Und sie meinte sinngemäß: "Ja, das schaffen wir schon." Vielleicht hat mich gerade diese Antwort motiviert, es auch ohne Therapie zu schaffen...

Wahrscheinlich sind alle froh, dass das Thema vom Tisch ist, und niemand hat Interesse, es wieder aufzuwärmen. Vielleicht ganz gut so. Für den alten Feind die Höchststrafe, wenn er nicht mal mehr zum Feindbild taugt. Wenn er so uninteressant und egal geworden ist, dass ihn niemand mehr beachtet, niemand mehr über ihn redet...

LG
Dieter

Re: Dieters Durst

Dienstag 21. Februar 2017, 00:16

Hi Dieter,
da muẞ Bine auch mal wieder was zu schreiben. Also ich finde das sehr schade das deine Familie, ja anscheinend überhaupt keine Notiz davon nimmt, das du nicht (NICHTS)
mehr trinkst.
Familyman hat geschrieben: Mit meiner Frau hatte ich am 2. Tag (also am 3.9.16) ein sehr gutes Gespräch, in dem ich meine Abhängigkeit schonungslos offengelegt und sie gefragt habe, ob sie sich vorstellen könne, dass ich für eine stationäre Therapie mal einige Wochen weg sein werde. Und sie meinte sinngemäß: "Ja, das schaffen wir schon."

Aha, gut.........
Und nun ? Kommt gar nichts mehr ? Schade.
Also bei mir war es so (vor ein paar Jahren), am Anfang kam ich mir total kontrolliert vor, bei jedem Anfang vom Aufhören.
Fand ich schrecklich, irgendwann hab ich dann begriffen, das ich es für mich mache und für sonst keinen, trotzdem war ständig die Kontrolle da..... am Anfang.
Irgendwann nach 3 Monaten ging es in Normalität über, nicht mehr so die Kontrolle.
Ich hätte es aber schön gefunden, wenn es mal jemand irgendwie angesprochen hätte,
aber da kam nichts, gar nichts. Also hilfreich fand ich das jetzt auch nicht gerade, da man ja immer noch am kämpfen ist, mal mehr, mal weniger, manchmal gar nicht.
Es war frustrierend.
Familyman hat geschrieben:dass ihn niemand mehr beachtet, niemand mehr über ihn redet...

Ich finde das Feindbild könnte man auch teilen, manchmal.
Geteiltes Leid ist halbes Leid.
Nee gaaannnz anders ...........
GETEILTE FREUDE IS DOPPELTE FREUDE.
Gruss Bine

Re: Dieters Durst

Dienstag 21. Februar 2017, 20:13

familyman hat geschrieben:Das Einjährige am 2.9., das will ich schon irgendwie feiern, vielleicht mit meiner Familie essen gehen...


Eine sehr schöne Idee, das mit der Familie zu feiern, finde ich. Wenn das keine Feier wert ist, weiß ich auch nicht.

Und: auch wenn sich niemand äußert, ich bin sicher, dass deine Familie die Abwesenheit des Alkohols erleichtert genießt. Stille Freude hat auch ihren Reiz und ihre Kraft. Wir haben es ja nicht so gerne nach unserem Konsum gefragt zu werden, wenn wir bechern. Von daher denke ich muss sich die Umgebung auch erst dran gewöhnen, dass das Trinkverhalten ohne Explosiongsgefahr theamtisiert werden darf. Dann lieber erst mal still genießen. Könnte ich mir vorstellen, könnte das Motto und ein Grund sein.
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