Bei Dieters Durst habe ich neulich gelesen
Juli hat geschrieben:
Ihr seid durch

. Ab 101 ist man durch. Alte Regel.
Glückwunsch!
und die positiven Reaktionen darauf. Kein Zweifel: Juli meint es sehr gut und zum Teil hat sie Recht.
Trotzdem hat die Aussage (und die Reaktionen darauf) mich sehr nachdenklich gestimmt.
Diese 'Alte Regel' mag sicher bei vielen Leuten zutreffen.
Jedoch nicht bei allen.
Mir als notoirem Binge-Drinker schon gar nicht.
Vor ein paar Jahren war ich (dank dem Forum, muss ich dazu sagen) mal 153 Tage abstinent.
Mein Rekord in den letzten 30 Jahren.
Alteingesessene wie Federico, moonriver und Dieter mögen sich vielleicht daran erinnern.
Aber keineswegs war ich durch.
Ich bezweifle, ob 'Rauschtrinker' je durch sein können.
Hängt natürlich davon ab, wie man 'durchsein' definiert. Und Zeit ist relativ.
Ich erinnere mich, wie mir @bennter in diesem Thread vor vier Jahren mal geschrieben hat:
bennter hat geschrieben:
Ich habe mal 6 Jahre keinen Alkohol getrunken (ohne Medis/PT/Gruppen). Aus Eitelkeit.Ich bin doch kein Alki..., he Leute, ich doch nicht...Nach 6 Jahren war es dann schlimmer als vorher.
Eben, wie definiert man 'durch sein'?
Dass das Schlimmste vorbei ist? Kann durchaus sein.
Dass man geheilt ist? Fragezeichen.
Federico hat geschrieben:
Es ist einfach wichtig die neuronalen Trampelpfade durch die Abwesenheit von Alkohol zuwachsen zu lassen, nach 6 Monaten ist Deine Festplatte (Hirn) praktisch wie neu formatiert.
oder
Federico hat geschrieben:
Ein wichtiger Punkt ist die mangelnde Geduld und in der Folge der viel zu geringe zeitliche Abstand vom letzten Glas bis zum ersten Versuch mit dem immer wieder gerne missverstandenen moderaten Trinken. Mindestens 6 Monate Abstinenz sollten es sein, besser wäre ein Jahr.
In diesem Zusammenhang etwas über meine Situation:
4 Monate Abstinenz. Wo stehe ich?Eine hybride Situation. Und heikel.
Einerseits:
Alles, was ich in den vergangenen Wochen geschrieben habe, stimmt:
-Ich bin zur Einsicht gekommen.
-Alkohol (Werbung, Supermarkt etc..) lässt mich kalt.
-Seit längerem habe ich meine treue Begleiterin, die Notfalldosis Baclofen, immer bei mir.
Notfälle gab es in den letzten Monate zum Glück aber nicht.
-Es fällt mir leicht, nichts mehr zu trinken.
-Die immer zurückkehrenden Träume, mit mir als alkoholisiertem Partygänger in der Hauptrolle,
kommen weniger oft vor. Und wénn sie vorkommen, habe ich immer weniger Kontrollverlust, stell dir vor!
Macht Hoffnung.
Dennoch gibt es ein Andererseits:
Ich spure eine latente, leicht anwachsende Gleichgültigkeit meiner Abstinenz gegenüber.
Meine Motivation, nicht mehr zu trinken, flaut ganz langsam ab.
Als ob ich Mühe machen muss, mich zu erinnern, warúm ich nicht mehr trinke.
Es macht mir Sorgen.
Die fest aufgebaute Basis, die ich mit dem Forum, Arbeit, Alan Carr, usw.. aufgebaut habe,
fängt leise an zu wackeln.
Heute, morgen, übermorgen und nächste Woche werde ich ziemlich sicher nicht dem Alkohol zum Opfer fallen,
aber ich fühle mich überhaupt nich sattelfest, was die fernere Zukunft betrifft.
Als ob der Bluthund Alkohol, wie ein unschuldiges Kind getarnt, mit grundanständiger,
harmlos süsser Stimme die sorgfältig aufgebaute Verteidigungslinie gegen Alkohol langsam abzubrechen versucht,
indem er mich wie ein Intrigant zu überreden, anzustiften versucht, dass ich nach all diesen abstinenten,
erfolgreichen, hart erarbeiteten Abstinenztagen, doch endlich mal eine richtige Belohnung verdient habe!
'Du hast Recht darauf, du darfst und sollst dir das doch gönnen, ein Abend in der Bar, nur éin Abend.
Wie schlimm kann das jetzt sein, nur ein einziges, kleines Abendchen?? Komm, gönn dir das doch.....'
Die ruinösen, horrenden Folgen des Alkoholkonsums werden ins Gedächtnis-Nirvana verschoben,
Vorfreude herrscht.
Ich kann es noch am Besten illustrieren, mit dem, was ich hier in einem der besten Threads des Forums gelesen habe,
nämlich 'das Wollen ist trotz Baclofen gefordert':
moonriver hat geschrieben:
Ich begann nach 6 Monaten mir Fristen zu stellen. Immer 6 Monate Abstinenz und dann schauen wir weiter. Ja, und nun sind es 2 1/2 Jahre und ich schaue immer noch weiter. Mit Ausnahme des gewollten Experimentes lasse ich den Alkohol dort wo er ist und bleiben sollte, in der Flasche. Aber mit jeder 6-Monatsstufe empfinde ich mehr, dass wohl das drängende Craving nicht mehr vorhanden ist (irgendeinmal verliert man dazu die direkte Beziehung), jedoch das Wollen trotz Bac gefordert wird. So einfach Friede, Freude, Eierkuchen ist das Ganze auch nicht. Auf der einen Seite besteht die Hoffnung, dass sich in Sachen Alkohol ein "Reset" im Denken und der Biochemie vollzieht, auf der anderen Seite gibt es doch immer wieder Situationen, in denen mir vor Augen geführt wird, dass "da noch etwas ist".
Und genau das ist es, was mir zu schaffen macht und was ich auch nicht definieren kann:
moonriver hat geschrieben:
Ich will es nicht Craving nennen. Dies war etwas nicht Beherrschbares. Es ist eher ein unbestimmter Wunsch, der aber mit der Ratio überwunden werden kann.
Meine Angst: Irgendein 'Abendchen' stossen gefährliche Substanzen (H.A.L.T. usw..)
aufeinander und gewinnt die süsse Stimme gegen die Ratio. Game, Set, Match.
Ich bleibe dran, am Ball und an meinen Notfalldosen.
Gibt's eine andere Wahl?
I rest my case
LG
Patrick