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Re: In der Spur: Lisa

Freitag 8. August 2014, 19:40

Hallo Lisa
ich bin relativ neu in diesem Forum, aber lese seit ca. 11/2 Jahren Berichte und Themen mit. Ich finde deine Ausdrucksweise und Einschätzung deiner Person und deines Verhaltens nicht wirklich positiv im Einklang mit deiner Umwelt. Dein Urlaub hört sich für mich so negativ an wie er nur sein kann. Du redest nur von der schlechten Seite, ich meine nicht dich, wo ist das Schöne (aus dem Urlaub). Bac macht alles Gut, oder was.
Oder lese ich nur zwischen den Zeilen. Will überhaupt jemand das so wissen, wie du schreibst. Etwas weit hergeholt und nich Menschennah erläutert. Wem es gefällt, auch gut. Ich freue mich wenn du damit aufgehst und es dir besser geht, ich arbeite noch daran.
Gruß felicity

Re: In der Spur: Lisa

Freitag 8. August 2014, 23:27

Das mag daran liegen, dass ich nicht dorthin gefahren bin, um auf ausgetrampelten Touristenpfaden zu wandeln, sondern einen lieben Freund in arger Bedrängnis besucht habe, dem wir nach unserer Ankunft erst den Wagen imstand stellten, damit wir überhaupt mobil waren und den Kühlschrank füllen konnten. Der heute Nachmittag notabene berichtete, dass er sein Haus nun definitiv verloren hat. Der trotz monatelanger Suche keinen Ersatz finden konnte, der zahlbar wäre und seit längerem nicht mehr ein noch aus weiss. Den wir am liebsten mitsamt seinem Hund unter den Arm genommen und zu uns nach Hause in Sicherheit gebracht hätten. Der dieses Angebot weiterhin hat. Mit dem wir trotzdem - zwischen seinen Angst-, Wut- und Panikanfällen - lachen konnten und Schönes, Gemeinsames erlebten. Das mir aber für diese Plattform zu persönlich scheint. Touristenattraktionen lagen in dieser Situation ausser Diskussion. Das wirst du verstehen.
Ich freue mich wenn du damit aufgehst und es dir besser geht, ich arbeite noch daran.

Ich wünsche dir viel Erfolg - und danke fürs Mitfreuen.

lg
Lisa

Re: In der Spur: Lisa

Samstag 23. August 2014, 17:41

Ich war heute früh auf dem Weg, ein ersteigertes Sofa abzuholen. Im Lieferwagen erreichte mich ein Anruf des Pflegeheims: Mein dementer Papa habe eine schwere gesundheitliche Krise. Es könnte zu Ende gehen. Die Fragen nach Patientenverfügung und 'Spitaleinweisung: Ja oder Nein?' kenne ich bereits. Die Frage 'Totenhemd oder persönliche Kleider?' war mir noch nie zuvor gestellt worden.

Nichts davon warf mich um. Es liegt nicht im Bereich meiner Macht. Papa ist gut aufgehoben. Ich werde da sein, wenn ich da bin. Was ich solange TUN kann, ist, mir Gedanken zu Abdankungsfeier usw. zu machen. Und offen zu bleiben.

Soviel erneut zu Belastbarkeit, zur Fähigkeit, Distanz gegenüber den eigenen Emotionen einzunehmen, zu verschwundenen automatisierten Panikreaktionen. Oder zu einem ausreichenden GABA-Spiegel im ZNS, der auch in emotionalen Belastungssituationen ein angemessenes Verhalten ermöglicht. Berührt sein und Vaterliebe bleiben davon unangetastet.

Er ist ein zäher Mann, mein Vater. Geduldig und frei von Hadern. Die Spitze der Krise scheint überwunden. Ob er tatsächlich über den Berg ist, wird sich zeigen. In Frieden mit der gegenwärtigen Situation - ganz nach seinem Vorbild.

lg
Lisa

Re: In der Spur: Lisa

Sonntag 24. August 2014, 13:42

Mein Vater ist über den Berg. Wir sind erleichtert und dankbar.

Schrieb ich schon mal, dass er Spiegeltrinker war? (Kettenraucher noch dazu?)
Und gleichzeitig der verlässliche Vater sein konnte, solange wir ihn brauchten?

Mensch... wie oft sehen wir einfach nicht das ganze Bild?

lg
Lisa

PS: Das dementielle Geschehen hat das Suchtverhalten übrigens ab einem gewissen Stadium zum Verschwinden gebracht. Das Glas Wein und die angebotene Zigarette wird abgelehnt. Was sich daraus zurück auf Sucht schliessen lässt, dem könnte man mal nachgehen.
:-?

Re: In der Spur: Lisa

Sonntag 24. August 2014, 14:32

lisa64 hat geschrieben: Schrieb ich schon mal, dass er Spiegeltrinker war? (Kettenraucher noch dazu?)
Und gleichzeitig der verlässliche Vater sein konnte, solange wir ihn brauchten?

nein, Lisa,

das ganze Bild wird immer noch anders in den Medien dargestellt.
Und, deshalb habe ich mich für den Beitrag zur Begrüssung von @Peter Lustig
in unserem „Partner Forum“ von @stinger, so maßlos geschämt.

Ich freue mich für Dich und schreibe deshalb, weshalb ich mich über so einen Vater
gefreut hätte. Meiner war nie für mich da, wollte mich im zarten Alter von 7 Jahren der
Obhut einer Erziehungsanstalt übergeben. Das gab es 1958 in Deutschland, Eltern konnten
das damals beantragen. Man hat mich damals befragt und ich habe vor lauter Angst die
Wahrheit nicht aussprechen können. Mein Vater hat mir gedroht mich umzubringen,
wenn ich sagen würde, dass ich lieber bei meiner Mutter leben würde.

Kurz darauf bin ich mehrfach querbeet durch halb München zu Fuß zu meinen Großeltern
geflüchtet. Erst nach dem dritten Versuch wurde ich dort nicht mehr von der Polizei abgeholt.
Danach habe ich ihn nur noch einmal wieder gesehen. Das war eine Woche vor seinem
erfolgreichen Suizid und 20 Jahre nach meiner Flucht. Er war 12 Jahre anonymer Alkoholiker.

Das erklärt Vieles. Ich bin Dir sehr dankbar für Deine Darstellung eines anderen Vaters.
Väter können so oder auch ganz anders sein. Auch ein liebender Vater kann Alkoholiker
sein oder werden, trotzdem kann man seine Kinder lieben und es ihnen zeigen.
Mit Deinen zwei Zeilen hast Du mir den Mut gegeben über meinen Vater hier zu schreiben.

GLG
Federico

Re: In der Spur: Lisa

Sonntag 24. August 2014, 16:27

Kindheitserlebnisse wie deine wünsche ich niemandem, lieber Federico. Sie prägen und können geradewegs - nicht unverständlich für mich - zu einer kategorischen Ablehnung führen.

Dir ist mit der eigenen Geschichte die Wende gelungen: Das Mitgefühl für Betroffene nicht nur zu erhalten, sondern deine Energie auf Aufklärung und Unterstützung zu richten. Beides kann ermöglichen, dass Vater- und Mutterlosigkeiten nicht entstehen müssen. Gewendet hast du auch, indem du keine moralischen Urteile über abhängige Eltern aussprichst. Etwas in der Art werden wir von dir nicht lesen. Es nutzt letztlich keinem einzigen betroffenen Kind, den abhängigen Elternteil kleinzukriegen - im Gegenteil. Es ist, wenn Kinder betroffen sind, schwerer auszuhalten, dass Prozesse ihre Zeit brauchen. Heute wird in der Suchthilfe ihren Bedürfnissen vermehrt Rechnung getragen.

glg
Lisa

Re: In der Spur: Lisa

Montag 25. August 2014, 06:08

Liebe Lisa,

als Spiegeltrinker war ich meinen Kindern (27 Jahre alt) immer ein guter Vater. Sie haben meine Zuverlässigkeit und meine Fürsorglichkeit geschätzt. Natürlich fanden sie mich auch manchmal „peinlich“.

Alkoholiker werden in vielen Bereichen unterschätzt!!

Liebe Grüße und ein schönen Wochenanfang

Volker

Re: In der Spur: Lisa

Montag 25. August 2014, 12:43

Frodo01 hat geschrieben:Alkoholiker werden in vielen Bereichen unterschätzt!!
:-bd
LG
moonriver

Re: In der Spur: Lisa

Montag 25. August 2014, 16:52

:-? Mhmm,

jetzt betreten wir 'heikle' Bereiche.

Aber jetzt fängt es auch interessant zu werden mit der Selbstbeobachtung und der Selbsterkenntnis. Ich möchte hier gewiss die gute Stimmung nicht verderben, aber nein, ich glaube nicht, dass man als Abhängiger/Alkoholiker, und ich rede hier von Leuten wie mir selber, die nicht ab und zu mal ein 'Gläschen' zu viel getrunken haben, sondern abhängig/süchtig zwanghaft trinken mussten (müssen), und das jeden Tag über Jahre hinweg, ich glaube nicht, dass so jemand ein 'guter Vater', 'eine gute Mutter' sein kann. Außer vielleicht oberflächlich betrachtet. Ja, ich weiss, das klingt heftig und falls jetzt von irgendwo ein Aufschrei ertönt, sorry Leute, so sehe ich das, und ich rede nicht über andere sondern über mich selbst.

Wer schwer abhängig ist, dessen Seele ist zum Kontakt, zum echten, tiefen, zutiefst berührenden, zutiefst befriedigenden, nährenden Kontakt, nicht fähig. Ein erwachsener Partner kann damit vielleicht noch umgehen, aber auch er oder sie wird auf weiten Strecken allein unterwegs sein und sich so fühlen :-\ oder so :((

Aber unsere Kinder, egal wie alt, aber am meisten die jüngeren, leiden unter dieser Situation. Sie sind so klug, und so sensibel und ihre Seele ist so auf Aufnahme und auf Kontakt ausgerichtet, sorry Leute, aber sie spüren das, dass sie ihren Vater oder ihre Mutter nicht wirklich erreichen, nicht wirklich spüren und sie fühlen sich unendlich alleine. Wenn du trinkst, gehst du innerlich weg, und wenn du nicht trinkst, bist du auch weg, weil du nur beschäftigt bist, das craving zu handeln. Und wenn du 'ganz toll' ein paar alkoholfreie Tage oder Wochen eingelegt hast, bist du auch weg, weil du mit dir und deinem Gesundungstrip beschäftigt bist (und mit der Angst, dass es auch dieses Mal wieder nicht von Dauer ist), obwohl, das am Ende für die Familie wahrscheinlich noch die besten Zeiten waren.

Ich sehe immer noch den Blick meines Sohnes, seine Augen, mit denen er versucht hat, meinen Blick zu treffen, mich zu finden, und mich nicht gefunden hat, er muss sich unendlich alleine gefühlt haben, zumal er seinen Vater auf eine traumatische Weise verloren hat (nicht tot, aber durch schlimme Trennung) Es tut mir so leid, um die Jahre, wo er noch klein war und alleine mit einer alkoholkranken Mutter gelebt hat, und ganz ehrlich, so ein alkoholgeschwängerter Kuss am Abend, nee Leute, nee........., da darf man sich nichts vormachen x_x (wo ist der kotzsmiley?). Klar nach außen war ich eine gute Mutter, hab auch immer Kuchen fürs Sportfest genacken, falls ihr wisst, wie ich das meine, und habe sicher nicht alles falsch gemacht.

Aber tief drinnen, war das Kind allein. So war's. Er ist trotzdem toll geworden, ein junger Mann von 15 Jahren, intelligent, sensibel, humorvoll, eigenständig, hat seine Freundschaften. Aber ich sehe ja jetzt den Unterschied, wie unser Kontakt jetzt ist, und wenn wir uns jetzt einen Blick zuwerfen, dann geht dieser Blick rein, bis hinten, und wir zwinkern uns zu, alles klar, mein Schatz! (sagen darf ich's nicht mehr, schon gar nicht wenn Leute in der Nähe sind ;-)

Nur mal so meine Gedanken,
mit lieben Grüßen
Betty
(sorra, @lisa, dein thread)

Re: In der Spur: Lisa

Montag 25. August 2014, 20:43

@Bettyblue: Ja, dem stimme ich voll zu und habe nichts hinzuzufügen. Auch ich habe eine 15-jährige Tochter, die wunderbar, intelligent, beziehungsfähig und mit gesunder Kritikfähigkeit ausgestattet ist. Und noch ne Menge mehr...Aber sie hat schlimme Zeiten mit mir durch, vor allem in der Zeit von ihrem 9. - 13. Lebensjahr, in der ich auch meistens "weg" war - ich glaube zwar, daß ich sie nicht allein gelassen habe, aber wie viel besser wäre es gewesen, wenn ich nicht getrunken hätte? Das läßt sich aber jetzt nicht mehr ändern und es war wie es war. Da glaube ich, daß es wichtig ist in die Zukunft zu blicken - und da kann ich ihr immer noch eine gute Mutter sein.
LG Fallada
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