Donnerstag 12. Juni 2014, 23:51
Große Aufmerksamkeit erzeugt in den letzten Monaten die Werbung und Lobbyarbeit für Nalmefen
http://www.kompendium-news.de/2013/06/n ... /#more-241.
Von den Nalmefenherstellern und -forschern wird ein „Paradigmenwechsel“, ja eine Revolution
in der Behandlung Alkoholkranker versprochen. Ihr formuliertes Ziel, weitere Behandlungs-
optionen für Menschen mit einer Alkoholproblematik zu entwickeln, ist löblich, denn nicht alle
Betroffenen sind in der Lage oder bereit, vollständig auf Alkohol zu verzichten, sich für ein
alkoholabstinentes Leben zu entscheiden. Eine Erweiterung der Behandlungsoptionen wäre
daher ein begrüßenswerter Schritt. Doch hält Nalmefen tatsächlich, was uns die Hersteller und
Forscher versprechen?
Schauen wir uns die Ergebnisse der vielzitierten, aber kaum diskutierten randomisierten,
doppelblind-placebokontrollierten Studie zu Nalmefen genauer an. Auf den ersten Blick
scheinen sie beeindruckend: Eine Reduzierung des Alkoholkonsums um 60% in der Gruppe
derjenigen, die das Medikament erhalten haben (Interventionsgruppe). Doch vergleicht man
diesen Erfolg mit den Ergebnissen der Kontrollgruppe, die das Placebo erhalten hat, so stellt
man fest, dass sich auch in dieser der Konsum stark reduziert hat, um ebenfalls beachtliche
50%.
Folgerung 1: Das Medikament wirkt nur wenig besser als das Placebo.
Folgerung 2: Es liegt nahe, dass etwas anderes als das Medikament, z.B. die parallel
durchgeführten motivierendem Interventionen, für das Ergebnis verantwortlich ist.
Betrachtet man nun die so genannte „drop-out“ Quote, so zeigt sich, dass in der
Interventionsgruppe wesentlich mehr Studienaussteiger/-innen zu verzeichnen sind.
Was mit den Studienaussteigern geschieht, wird in der Studie nicht weiter diskutiert.
Die Vermutung liegt nahe, dass sie wieder mehr Alkohol trinken.
Folgerung 3: Unter Berücksichtigung der „drop-out“ Quoten sähen die Studiener-
gebnisse prozentual noch deutlich fragwürdiger aus.
Weitere Hinweise für eine realistische Einschätzung des Medikaments geben die beobachteten
Nebenwirkungen. Diese sind bei der Interventionsgruppe wesentlich stärker ausgeprägt als in
der Placebogruppe, was auch den hohen „drop-out“ erklären kann.
Folgerung 4: Die Medikamenteneinnahme birgt erhöhte Risiken für die Betroffenen
aufgrund starker Nebenwirkungen.
Folgerung 5: Der Kreis derjenigen, für die das Medikament eine Alternative darstellen
kann, ist äußerst begrenzt. Aufgrund der unangenehmen Nebenwirkungen setzt ein großer
Teil der Studienteilnehmer ab. Bleibt zu fragen:
Wiegen die geringfügig besseren Ergebnisse (1), die unter Berücksichtigung der drop-out Rate
noch schmaler ausfallen (3) die Risiken der Einnahme (4) auf? Und haben sie überhaupt eine
Relevanz für die zu behandelnden Menschen (5)? Und: Wie die Behandlungsergebnisse nach
einem oder zwei Jahren aussehen, darüber wissen wir noch gar nichts.
Unter diesen Voraussetzungen einen Paradigmenwechsel zu beschwören, scheint maximal
hochgegriffen und voreilig. Aber es bleibt ein Trost:
Eine Behandlung mit Nalmefen scheint
auch nicht wesentlich schlechter, als mit einem Placebo! (Ganz am Rande: An der aktuellen
Nalmefen-Studie waren Mitarbeiter des Herstellers Lundbeck beteiligt. Das wirkt ein wenig
irritierend. Dass der Begriff „Paradigmenwechsel“ wohl allenfalls umgangssprachlich verwendet
wurde, fällt da kaum noch ins Gewicht
http://de.wikipedia.org/wiki/Paradigmenwechsel).
Auszug aus:
DHS-Newsletter 1-2014