Donnerstag 12. Dezember 2013, 00:01
@moonriver:
Das freut mich! Und warum sollten ältere Herren keine Tränen lachen bei guten Comics? Das hält jung! Ich kenne welche, die sich kaum mehr einkriegen
Scrat hat die nervösen, hypervigilanten Züge, aber auch super Reflexe und Hartnäckigkeit wie ich. Deshalb mag ich ihn auch. An den Reflexen darf ich noch etwas arbeiten, sprich Affektregulation und Craving.
Ooch FC Basel...

so viel Pech! (Affekt Ende)
lg
Lisa
Donnerstag 12. Dezember 2013, 21:01
Am Samstag sind es drei Wochen, seit ich mit Baclofen begonnen habe. Ich bin jetzt bei 40 mg / Tag und komme nach den ersten zwei Tagen Dosissteigerung immer besser klar. Es gab hin und wieder mal ein Gefühl von weichen Beinen oder leichter Schwäche, machmal auch die Empfindung einer "Scheibe" nachmittags. Hatte oft auch mit dem Blutzucker zu tun. Aber ich schätze daran, dass ich dennoch geistig rege bleibe.
Zweimal half auch Bac nicht in dieser Zeit und das Bier bzw. die Minibar schrien lauter. Aber es war leicht, wieder zurückzufinden im Vertrauen auf die kleinen Baclos. Einmal übermannte mich der Wunsch, spätabends abzutauchen und ich griff auf uraltes, längst vergessenes Gras zurück. Schwurbelnderweise... Keine gute Idee, der biochemische Cocktail vernebelte mir den ganzen nächsten Tag.
Wie mein neuer Avatar habe ich ein sehr reaktives vegetatives Nervensystem; mein alter Arzt meinte mal "Das haben Sie sich regelrecht antrainiert durch Ihren Alkoholkonsum." Mag sein. Könnte aber auch, über 40 Jahre eisern unter Kontrolle gehalten (Motto "Reiss dich zusammen"), erst durch Entzüge manifest geworden sein. Hier stelle ich eine Verbesserung fest: als ob tief in mir eine sanfte, ordnende Hand die überreizten, hysterischen Nervenstränge beruhigt.
Craving kommt kaum mehr vor - wenn, dann zu Triggerzeitpunkten wie Feierabend, Büroschluss. Ich kann wie heute sogar zu Tanke fahren, zwei Pakete Zigaretten einkaufen ohne einen Blick zum Kühlschrank mit dem Bier werfen zu müssen. Er ist schlicht ausser Konkurrenz.
Viel schwieriger sind emotionale und belastende Situationen. Grosse Emotionen, die mir bewusst sind (wie ich sie in der Therapiesituation erlebe, ob positiv oder negativ), schreien danach geradezu nach Betäubung, wollen runterreguliert werden. Alles wieder zum Alten bringen, soviel fühlen ist…! – ja was? Gefährlich?
Belastende Situationen, in denen ich starke Gefühle oft gar nicht spüren oder identifizieren kann, sondern sie bestenfalls für erste unter Angst grob einordne (welche es wiederum zu verstecken gilt), erzeugen einen innerlichen Überdruck. Passiert das im Job, halte ich diesen Druck den ganzen Tag unter dem Deckel – und bin abends umso gefährdeter. Deshalb lob ich mir die 17.00 Uhr-Dosis vor der Heimfahrt und, zuhause angekommen, meinen alkoholfreien Apfelwein. Der kribbelt ebenso schön und füllt das Loch im Bauch.
Aber auch hier geschieht unmerklich eine Veränderung. Es kommt immer öfter vor, dass ich gedanklich erstmal einen Schritt zurück trete, wenn ich mich angegriffen, überfordert, manipuliert oder hilflos fühle. Dass ich einen Selbstschutz aufbaue, den ich aus meinem Innern holen kann - ich reagiere nicht gleich, sondern lasse etwas Zeit vergehen. Gelassenheit, ohne zu verdrängen. Es kommt vor, dass ich dann einen anderen Aspekt wahrnehme, der mir weiterhilft. Oder etwas einfach stehen lasse, weil es nicht meine Sache ist.
Klingt fast zu schön, nicht? - Spielt sich auch nicht 7/24 ab, stellt sich aber wie von selbst hie und da ein.
lg
Lisa
PS: @ Dieter: 19 Tage Baclofen 17 eggheads (musste jetzt doch mal nachzählen)
Donnerstag 12. Dezember 2013, 22:07
@Lisa
Schöner und ehrlicher Bericht. Danke.
lisa64 hat geschrieben:... ich reagiere nicht gleich, sondern lasse etwas Zeit vergehen. Gelassenheit, ohne zu verdrängen. Es kommt vor, dass ich dann einen anderen Aspekt wahrnehme, der mir weiterhilft. Oder etwas einfach stehen lasse, weil es nicht meine Sache ist.
Dies tönt für mich eindeutig nach dem "Baclofen-Effekt"... eine Form von Innerer Gelassenheit und Mitte-Findung. Das Pendel schlägt nicht mehr so extrem nach beiden Richtungen aus. Daraus ergibt sich auch Selbstvertrauen.
LG moonriver
Samstag 14. Dezember 2013, 22:40
Ich bin auf 40 mg/Tag und meine Lust auf Alkohol ist noch nicht dauernd verschwunden.
Habe ich heute Morgen geschrieben, aber ich glaube, ich muss mich korrigieren:
40 mg seit Dienstag, und wenn ich die letzten Tage Revue passieren lasse, seit Donnerstag keinerlei Interesse oder Verlangen mehr. Es kommt nichts hoch aus meinem Innern. Die Sofortlösung Alkohol ist wie erloschen.
Gestern und heute war ich aus zum Essen. Das Glas Wein meines Begleiters gegenüber war - nicht existent. Die beiden schönen Flaschen Rotwein, die am Nebentisch für eine grosse Gesellschaft nach allen Regeln der Kunst geöffnet wurden, waren einfach schöne Flaschen Wein. Basta. Der geliebte Vecchia Romagna hinter der Bar: zur Kenntnis genommen. Als ob ich keinerlei Bezug mehr hätte zur ersehnten Wirkung, die der Alkohol geben kann. Gekappter Faden.
OK, es gab keine dieser schwierigen emotionalen Geschichten wie in letzter Zeit. Aber dennoch: absolut verblüffend...
lg
Lisa
Samstag 14. Dezember 2013, 22:43
macht Baclofen blind ? sorry, gratuliere !!!
schönen Abend
@sabine
Samstag 14. Dezember 2013, 22:54
@lisa,
dieses verblüffende Erlebnis, dass einem der Alkohol in deiner jetzigen Phase egal ist, durfte ich auch machen! Sei aber weiter vorsichtig!!! Das Blatt kann sich jederzeit wenden. Es wird auch von vielen anderen Threads beschrieben, dass der Feind im Gebüsch lauert, um im Moment der Sorglosigkeit über dich herzufallen.
LG Aspino
Samstag 14. Dezember 2013, 23:19
@aspino
Danke für die Warnung. Ich bin nicht euphorisch, dazu habe ich das Spiel schon viel zu oft hin- und rückwärts gespielt. Ich bin einfach ganz ehrlich verblüfft und versuche zu beschreiben, was da abläuft. Ich kenne das so nicht - ich muss einfach gerade keinerlei Willen aufbringen, den Alkohol gewaltsam aus meinen Gedanken zu drängen.
Meine 'gefährlichen' Situationen muss ich trotz Baclofen auf andere Weise bewältigen, sprich Gefühlsregulation. Sorglosigkeit hiesse, mir Illusionen zu machen, ich sei auf diesem Weg schon weit genug.
@sabine: danke!
Schönes Wochenende
Lisa
Sonntag 15. Dezember 2013, 01:09
@Lisa,
großartig! Und genau: Bleib wachsam! Ich habe die Erfahrung gemacht, dass 40 mg auf Dauer zu wenig sind, obwohl ich es lange Zeit nicht wahrhaben wollte.
Herzlich - Dieter
Sonntag 15. Dezember 2013, 07:27
Liebe Lisa
Diesen Moment erlebte ich auch so und beschrieb es: "Der Alk hat mich vergessen!" Ich war damals auf einer Dauer-Dosis von 75mg mit kurzen "Ausflügen" auf 100-120mg. Wenn Du es verträgst, wäre eine nochmalige Steigerung zu überdenken.
Sicher ist jedoch, dass Bac die Wahrnehmung von Flaschen mit alkoholischem Inhalt seltsam verändern kann. Dieses Erlebnis, dieses Verblüfftsein wirst Du immer im Gedächtnis behalten.
Rational zu erklären ist hier etwas schwierig.
Die Wirkung ist individuell. Letztendlich wirst Du selber spüren, wie es sich anfühlt; das neue Land, welches Du soeben entdeckt hast.
Heute "fahre" ich auf 50mg, mit (sturer) täglicher Einnahme. Die Dosis noch weiter zu reduzieren wage ich momentan jedoch nicht. Vertragen kann ich es nun ohne störende NW.
Achtsam bleiben und dieses Erlebnis als "Referenz" mit auf Deinen weiteren Weg zu nehmen erscheint mir die richtige Devise für Dich zu sein.
Einen schönen Adventssonntag
LG moonriver
Dienstag 17. Dezember 2013, 21:00
Seit Sonntag bin ich auf 5 x 10 mg (6, 10, 14, 18 und 22 Uhr) und heute bereits nicht mehr benebelt davon. Ich denke jedes Mal, mehr Erhöhen geht nicht - aber offenbar doch und sogar immer besser.

und
Dicke Luft bei der Arbeit seit gestern - und ich kann mich schützen, bin dem nicht ausgeliefert. Nehme entgegen, was mir so um die Ohren gehauen wird, aber nichts persönlich. Warte ab. Lasse stehen, was nicht zu mir gehört. Mache mir Gedanken über den Rest und werde darauf reagieren, wenn ich's für mich geklärt habe. Wenn ich dann noch mag und es nötig finde.

und
Ein Teufelszeug, dieses Bac!
lg
Lisa (die sich gerade wie ein anderer Mensch fühlt)
ps: und nein, ich bin weder euphorisch noch mache ich plötzlich eine wesensveränderung durch - es ist bloss alles weniger dramatisch als üblich)
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