Montag 24. Juni 2013, 22:17
Hallo herzlich liebe Leute
Mein Bericht ist jetzt ein wenig länger, ich hoffe, niemanden langzuweilen.
Zuerst: Ich verstehe euch vollkommen. Mein früherer Therapeut hatte mich schon von antabus abgeraten. @jivaro, eine sehr liebe und kompetente Fachperson, hat mich auch von antabus abgeraten. Mein jetziger Psychiater verschreibt es mir, er ist sehr verschreibungsfreudig.
Für mich ist es aber eine vorübergehende, und ich betone ‚vorübergehende‘, Notwendigkeit, dafür zu sorgen, dass ich in ein paar Wochen nicht wieder einen Absturz habe und zumindest die jetzige Abwärtsspirale durchbrechen kann. Vorige Woche war es so schlimm. Normalerweise kann ich meine Abstürze besser planen, so dass Freunde, Umgebung und Arbeitsplatz meine monatliche Auszeit nicht (oder kaum) mitbekommen. Diesmal aber nicht, ich musste 3 Tage krank machen.
Es ist jetzt das erste Mal, dass ich aus eigenem Willen, von mir aus, die Büchse mit antabuspillen geöffnet habe. Denn vor ein paar Jahren hatte ich schon mal Antabus-Erfahrung und fühlte ich mich wie von-meiner-Frau-auferzwungen, das Medikament zu nehmen, unter dem Motto ‚Wiese soll ich das Zeug eigentlich nehmen, ich möchte doch ab und zu mein Abstürzchen haben, ich brauch das, ich verdiene das, und meine Frau ist nicht gerecht, usw, usw..‘ Rückfälle waren natürlich vorprogrammiert.
Jetzt aber weiss ich ganz sicher, dass ich keine solchen ‚Abstürzchen‘ mehr brauche, weil es sind mittlerweile schon entgiftungsreife Mega-Abstürze geworden. Dennoch kann ich mit meiner einzigen Willensstärke diese Spirale nicht durchbrechen. Und, ich weiss auch ganz sicher, dass ich mit antabus kein Alkohol trinken werde, weil ich es eben mal versucht habe. Ein, zwei Bier und todkrank. Seitdem nie mehr. Also bin ich der Meinung, dass ich in dieser Antabus-Zeit meine Sinuskurve zumindest symptomatisch durchbrechen werde, d.h. keine Kater, besseres Wohlbefinden, bessere Selbstreflektion. Und das kann ich zusammen mit baclofen besser bewältigen. Nach ein paar Monaten verlasse ich dann den antabus-Zug, und fahre weiter auf baclofen. Denn ich weiss auch, dass es im Moment das einzige Mittel ist, mal radikal nichts zu trinken. Ohne antabus gelingt es mir im wahrsten Sinne überhaupt nicht, absturzlos zu bleiben. Tatsache ist: In ein paar Wochen bin ich wieder topfit, und hat mein Geist diese furchtbare Woche emotionslos ausgerottet. Daher bin ich der Meinung, eine Periode lang wird mir antabus gut tun, und glaube ich – sorry @federico – im Moment stark an diese vorübergehende Kombinationstherapie.
Ich glaube, @ralf und @Volker verstehen um so besser, was ich durchmache, weil ich ein ähnlicher Typ bin. Bei @ralf gelingt es mit baclofen und Mirtazapin, bei Volker mit baclofen und Meditation. Wichtig ist der gemeinsame Nenner. Obwohl ich erst im Anfangsstadium von baclofen bin, könnte es vielleicht sein, dass es bei mir wie bei @Volker ist:
Frodo01 hat geschrieben:Als Mittel gegen craving oder als Suchtprophylaxe hat es leider nicht geholfen
Andererseits glaube ich auch stark dran, dass @moonriver mit seiner These eher recht hat:
moonriver hat geschrieben:Könnte es sein, dass Baclofen dennoch mitgeholfen hat, dass Du Dir selber auf einem anderen Weg näher gekommen bist...? Meine Erfahrungen in über 2 Jahren weisen auf einen solchen Effekt hin.
Meines Erachtens hat Baclofen das Potential, einem auf einem nicht bewusst wahrnehmbaren Weg, irgendwie "meditativ" zu führen. Es ist schwierig in Worte zu kleiden...
finde ich sehr plausibel.
Daher mein bis jetzt starkes Vertrauen in baclofen, es macht mich weniger nervös, gelassener, ich ärgere mich weniger, kann demzufolge mehr vertragen, ziehe besser Zusammenhänge, kann mich selber und mein Trinkverhalten besser analysieren. Ohne bac wäre ich nicht imstande hier so ausführlich darüber zu schreiben. Mit bac sehe ich erstmals ein, dass diese Sinuskurve überhaupt keinen Sinn macht. Dass ich wirklich überzeugt bin, von dieser Trinkerei wegzukommen. Aber solange ich in dieser Spirale, in dieser Kurve mitten drin stecke, gibt es keinen Ausweg ohne dieses Radikalmedikament. Jedoch weiss ich auch, dass NUR antabus-Einnahme ohne bac einen Rückfall einleitet, irgendwann wird eine Absetzung des Mittels geplant um mein binge vorzubereiten. Das ist Tatsache. Dem will ich jetzt vorbeugen, indem ich unbedingt weiterhin baclofen nehme, weil ich mein Leben und alles viel besser damit analysieren kann, warum ich überhaupt trinke, usw.. usw..
Ich möchte jetzt gerne eure unverfälschte, objektive Meinung erfahren, ob ihr einen besseren Weg wisst und ob ihr versteht, warum ich diesen Weg gehe. Einen anderen – nochmals: temporären – Weg sehe ich nicht. Meditation und so ist meines Erachtens sehr sinnvoll, aber wirkungslos mit dieser hohen Rückfallfrequenz. Zuerst eine zeitlang trocken bleiben, wenn auch mit einem radikalen Mittel.
Zusammengezählt gibt es hier meinem Alter entsprechend so 45x das Wort ‚ich‘. Fast peinlich. Aber schön und hoffnungsvoll ist es, hier Erfolgsgeschichten zu lesen.
@jivaro, hoffentlich liest du auch hier mit.
Mein immenser Dank an Euch, wie ihr Menschen in Not vorbehaltslos helft.
Liebe Grüsse
rog