Frankreich: Verwirrung um fehlgelaufenen Medikamententest (Schweizer Radio und Fernsehen)
In Frankreich sorgte ein Todesfall bei einem Medikamententest für Aufsehen. Auch in den deutschsprachigen Medien wurde berichtet. Zunächst war fälschlicherweise von einem Cannabinoid die Rede. Später wurde das korrigiert und es war von einem Modulator des Endocannabinoidsystems die Rede.
Dr. Franjo Grotenhermen: „Es handelt sich wahrscheinlich um den FAAH-Hemmer BIA 10-2474BIA 10-2474. In einigen Beiträgen, wie auch dem unten stehenden, soll die Substanz von dem portugiesischen Unternehmen Bial stammen. Diese erforschen diese Substanz zur Behandlung von Schmerzen. Die FAAH (Fettsäureamidhydrolase) ist für den Abbau des Endocannabinoids Anandamid (Arachidonoylethanolamid) verantwortlich, aber auch für den Abbau vieler anderer Fettsäureamide. Wird dieser Abbau gehemmt, so lässt sich die Konzentration von Anandamid erhöhen. Es werden aber auch die Konzentrationen anderer Fettsäureamide erhöht, was möglicherweise für die beobachteten schweren Nebenwirkungen verantwortlich war. Das ist also eine sehr unspezifisch wirkende Substanz. Der Wirkmechanismus ist anders als der von THC, das Cannabinoidrezeptoren aktiviert. Man muss synthetische Modulatoren des Endocannabinoidsystems hinsichtlich ihrer möglichen Gefahren ganz anders betrachten als die seit Jahrzehnten erforschten natürlichen Cannabinoide bzw. Cannabis, deren Nebenwirkungen wir heute gut kennen.“
Frankreich: Verwirrung um fehlgelaufenen Medikamententest
Bei Medikamententests im französischen Rennes kamen mindestens fünf Personen zu Schaden. Eine davon ist hirntot. Bei drei weiteren befürchten die Ärzte irreparable Schäden. Entgegen früherer Berichte enthielt das verabreichte Medikament weder Cannabis noch Cannabisderivate.
Nach einem «schweren Zwischenfall» bei einem Medikamentenversuch in Frankreich liegt einer der insgesamt 90 Teilnehmern hirntot auf der Intensivstation. Bei drei weiteren Verletzten fürchten die Ärzte unumkehrbare Schäden. Es gebe die Hoffnung, dass sich ihre Symptome verbessern, aber auch die Befürchtung, dass sie sich verschlechtern, sagte Professor Gilles Edan vom Universitätsklinikum Rennes am Freitag.
Entgegen früherer Berichte enthielten die verabreichten Medikamente jedoch weder Cannabis noch Cannabisderivate. Die bestätigte die französische Gesundheitsministerin Marisol Touraine. Das Medikament solle aber auf das menschliche Endocannabinoid-System wirken, ein Teil des Nervensystems, das Schmerzen im Körper reguliert.
Den Wirkstoff nannte die Ministerin nicht. Er ziele auf Stimmungsschwankungen und Angstgefühle sowie auf motorische Störungen bei neurodegenerativen Erkrankungen, so Touraine.
Unklare Ursachen Neben dem Mann, den die Ärzte als hirntot beschreiben, leiden vier weitere Männer unter neurologischen Beschwerden. Ein sechster Versuchsteilnehmer ist zur Beobachtung im Krankenhaus.
Insgesamt hätten im Rahmen des Tests 90 Menschen den Wirkstoff in unterschiedlichen Dosen erhalten. Bei den Opfern handele es sich um gesunde Männer im Alter von 28 bis 49 Jahren, die das Medikament mehrfach zu sich genommen hatten. «Wir wissen zu diesem Zeitpunkt nicht, wo die genauen Gründe des Unfalls liegen», betonte Touraine.
Bestimmungen bei Medikamententests befolgt Das testende Unternehmen Biotrial erklärte in einer Stellungnahme auf seiner Website, die Vorschriften befolgt zu haben. «Der Versuch wurde in voller Übereinstimmung mit den internationalen Bestimmungen durchgeführt, und die Verfahrensweisen von Biotrial wurden zu jedem Zeitpunkt des Versuchs befolgt».
Der Pharmahersteller Bial betonte zudem, dass bei den früheren Tests mit Freiwilligen keine «moderaten oder schweren Nebenwirkungen» registriert worden seien. Biotrial hatte das Medikament im Auftrag eines EURopäischen Pharmalabors getestet.
Die Pariser Staatsanwaltschaft hat Ermittlungen eingeleitet. Das Gesundheitsministerium will die Klinik genauer unter die Lupe nehmen.
Wirkstoff zuvor an Schimpansen getestet Der Wirkstoff befand sich in Phase 1 der klinischen Studie, die die Voraussetzung für eine Marktzulassung ist. In Phase 1 werden Medikamente erstmals an gesunden Freiwilligen auf Verträglichkeit getestet. Touraine sagte, das Medikament sei zuvor an mehreren Tierarten erprobt worden, darunter Schimpansen.
In der Regel werden die Wirkstoffe in der Testphase 1 sehr niedrig dosiert. Ausserdem finden die Tests immer unter ärztlicher Beobachtung statt.
_________________ „Es gibt keine Alternative zum Optimismus, Pessimismus ist Lebensfeigheit.“ Richard David Precht
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