Sehr geehrte Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen,
als die Zeitschrift Stern im Jahr 1978 die Geschichte der Christiane F. auf ihren Titel und ins
nationale Bewusstsein schob, lag die Zahl der sog. Drogentoten bei 430. Im Folgejahr war sie
um knapp 50 % auf 623 Menschen gestiegen. Ob und wie sehr das eine mit dem anderen
zusammenhängt, lässt sich nicht belegen, doch die deutliche Faszination, die von der
medialen Darstellung der jungen Heroinkonsumentin ausging, ist unbestritten. Christiane F.,
samt Buch zur Geschichte und Film zum Buch, zählt zu den quasi mythischen Ausgaben des
historischen Hamburger Magazins.
Und nun haben sie es wieder getan: Die vergangene Ausgabe betreibt nichts als Werbung für
„das gefährlichste Rauschgift der Welt“. „So viel Glück findest du nirgendwo im echten Leben.
So viel Glück bekommst du nur beim Dealer“, „Ein Gramm für 20 Euro, manchmal schon für 12.
Ein Gramm reicht für locker zehn Portionen.“ „Immer billiger, immer reiner, immer mehr“.
„Methamphetamin steigert die sexuelle Leistungsfähigkeit. Es löst Hemmungen und wirkt
schmerzlindernd.“ „‘Die nehmen das Zeug und poppen zwei Tage lang durch. Das klappt nicht
auf Koks, da wirst du nur arrogant. Auf Crystal geht’s sofort zur Sache.‘“ „Wer Crystal nimmt,
will nicht sein Bewusstsein erweitern, der Welt im Rausch entfliehen. Wer Crystal nimmt, will
den Körper zu Höchstleistungen peitschen.“ Es scheint, dass ein deutlicherer Verstoß gegen
das Werbeverbot des § 14 Abs. 5 BtMG kaum zu konstruieren ist.
Dass in der Titelgeschichte alle üblichen Drogenklischees bedient werden, von der Droge als
verschlingendem Monster über die (natürlich) ausländischen Händler, hilflose Bürgermeister,
geisterhafte Abhängige, Drogenfahnder als einsame Vampirjäger, all das ist einfach nur der
bekannt schlechte Stil. Die knackigen Werbesprüche sind ein ganz anderes Problem. Und auch,
dass der Autor den lesenswerten Crystal Meth-Bericht des Zentrums für Interdisziplinäre
Suchtforschung erwähnt, der ganz deutlich und nachvollziehbar von der gleichermaßen
überzogenen wie werbewirksamen „Faces of Meth“-Kampagne der US-Bundesbehörden abrät.
Und genau diese Fotos selbstverständlich als Dokumente des körperlichen Verfalls durch
Crystal nutzt.
Also, lieber Stern, journalistisch war das jetzt nicht ganz so lausig wie Eure Hitler-Nummer,
aber die Richtung stimmt. Und wenn Ihr wissen wollt, was die gefährlichste Droge ist, dann
riskiert doch mal hier einen Blick:
Drug harms in the UK: a multicriteria decision analysisAber Fakten irritieren möglicherweise.
Wer sich die Auflistung der gefährlichsten Drogen, in der auf Seite 1.561 abgebildeten Grafik
ansieht, weiß welche Droge gemeint ist: Alkohol.
Mich irritieren diese Fakten nicht. Was mich wirklich irritiert, ist dieser eine Satz:
dieser „Stern-Stunde“ stark ansteigen wird. Ich hatte diesen Artikel im Stern bisher nicht gelesen,
da mich der in selbiger Ausgabe erschienene Artikel über Baclofen deutlich mehr interessiert
hat. Immerhin ist die einzige Brauerei-Werbung im Heft „Paulaner alkoholfreies Weizen“ – eine
Seite nach dem Baclofenbericht.