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Re: 2. Versuch oder Drei Jahre später....

Freitag 28. Februar 2014, 12:01

Ralf, Lisa, vielen Dank!

@Lisa

Habe mir gestern mal Deinen Vorstellungsthread durchgelesen, viel Vertrautes gelesen, aber ein Satz von Dir ist mir (und wohl nicht nur mir) ganz besonders ins Auge gefallen:

>Danach aber, wenn die Trinkwünsche wieder aufkommen (und das tun sie immer wieder, wenn es mir besser geht) - muss etwas Höheres oder Umfassenderes her, eine Vision für ein gutes Leben, wenn du willst. <

Das bringt es eigentlich komplett auf den Punkt. Mehr gibt´s dazu eigentlich nicht zu sagen. Eigentlich kann ich mich jetzt auch wieder aus dem Forum verabschieden. ;-)

Ja, das ist vielleicht immer die falsche Front gewesen, an der ich gekämpft habe: Die Suchtfront war mein Haupteinsatzgebiet in den letzten Jahren, die ICH-Front habe ich dabei wohl immer noch zu sehr vernachlässigt. Und irgendwie muss beides noch mehr Hand in Hand gehen.

(Wenn man in diesem Kontext überhaupt von Fronten sprechen sollte, mir kommt es vor als gäbe es da noch einen besseren Begriff, aber der Kriegsschauplatz wurde ja wohl mit dem Begriff der "Kapitulation" eröffnet.
Kapitulation. Toll. Nur was soll man tun, wenn der Gegner die Kapitulation nicht akzeptiert und munter weiter macht?)

lisa64 hat geschrieben:Ach ja, wie ... hilfreich, zu wissen, dass du da jedes Mal wieder durch musst. (Zufrieden oder vielleicht sogar selbstgefällig?)


Ich empfand damals pure Enttäuschung. Kann aber auch sein, dass ich Deine Frage falsch verstanden habe...

LG
Nordlicht

Re: 2. Versuch oder Drei Jahre später....

Freitag 28. Februar 2014, 12:39

@Nordlicht,

Mahatma Ghandi hat geschrieben:The best way to find yourself 

is losing yourself 
in the service of others.

LG Federico

Re: 2. Versuch oder Drei Jahre später....

Freitag 28. Februar 2014, 20:29

@Nordlicht

Ich meinte: Die selbstgefällige Zufriedenheit im Gesicht der anderen ist alles andere als hilfreich für denjenigen, der sich gerade wieder aufzurappeln versucht. Mich würde das davon abhalten, in einer abstinenzorientierten SHG überhaupt darüber zu sprechen.

Mein wunder Punkt, gebe ich gern zu. In so einem Moment könnte ich gleich das nächste Bier ansetzen und würde mich nicht mehr von der Stelle bewegen. Ich hab's doch geahnt - und damit gleichzeitig die pauschalen Hausrezepte und -ansichten: zuwenig Bemühungen, zuwenig Wille, die Nicht-Akzeptanz der Abstinenzforderung. Ich weise das mittlerweile direkt und bestimmt von mir. Es ist nicht hilfreich, mich als willenschwach abzustempeln. Ich weiss, ich bin es nicht.

Ich schaffe es seit 11 Jahren immer wieder, mehrere Monate dauernde Abstinenzzeiten einzuhalten. Es kommt immer wieder zu Rückfällen, aber sie werden immer kürzer und sind weniger heftig. Insgesamt könnte man also von einer guten Entwicklung sprechen. Aber diese ganzen Erfolge sind wie weggewischt, wenn ich wieder soweit bin, dass ich mein Glück mangels Alternativen vorübergehend im Alkohol suche. Man gestattet mir kein Abweichen von der Ideallinie.

Wie gesagt, wunder Punkt: da steigt die Lisa in nullkommanix ;)

lg
Lisa ;)

Re: 2. Versuch oder Drei Jahre später....

Samstag 1. März 2014, 14:35

@Lisa

lisa64 hat geschrieben:Die selbstgefällige Zufriedenheit im Gesicht der anderen ist alles andere als hilfreich für denjenigen, der sich gerade wieder aufzurappeln versucht. Mich würde das davon abhalten, in einer abstinenzorientierten SHG überhaupt darüber zu sprechen.


Mich hat es damals davon abgehalten weiter SHG zu besuchen. Zumal man irgendwann ja auch merkt, ob es einem was bringt oder nicht.

Dennoch war es gerade am Anfang auch eine Hilfe, ich wurde oft genug wieder aufgebaut, aber wenn man sich dann irgendwann zum "Running-Gag" entwickelt, macht es keinen Spaß mehr und richtet mehr Schaden an, als es hilft.

Wesentlich ist, dass ich nicht mit voller Überzeugung diesen Weg gehen konnte. Restzweifel waren immer da, da hilft dann auch nicht der (wohl motivierend gemeinte) Spruch "Du musst nur wirklich wollen!".

"Du musst nur wirklich wollen......!" Arghhhh!!!

Ich freue mich auf meinen 2. Arzttermin am Montag! Der Einstieg lief zufriedenstellend. Ich habe wieder mit Baclofen begonnen, ich habe einen Arzt, der in der Thematik bewandert ist, ich schreibe wieder im Forum, tausche mich aus, dokumentiere, was mir wichtig erscheint und wenn ich dann noch eine SHG finde, die meinen Weg akzeptiert und das mit der Psychotherapie klappen sollte, bin ich eigentlich erst mal zufrieden.

Was Besseres fällt mir im Moment nicht ein.

Doch: regelmäßig Progressive Muskelentspannung - tut mir gut und klappt bei mir irgendwie zuverlässiger als autogenes Training.

Wünsche ein schönes Wochenende.

LG
Nordlicht

Re: 2. Versuch oder Drei Jahre später....

Samstag 1. März 2014, 14:40

Federico hat geschrieben:@Nordlicht,

Mahatma Ghandi hat geschrieben:
The best way to find yourself 

is losing yourself 
in the service of others.

LG Federico


Danke Dir, Federico.

Alles zu seiner Zeit...

LG
Nordlicht

Re: 2. Versuch oder Drei Jahre später....

Samstag 1. März 2014, 14:57

Und zum Wochenende hier noch ein Zitat, das mir sehr am Herzen liegt.

Albert Schweitzer:

»Ich bin ein freier Mensch. Ich will unter keinen Umständen ein Allerweltsmensch sein. Ich habe ein Recht darauf, aus dem Rahmen zu fallen. Wenn ich es kann. Ich wünsche mir Chancen, nicht Sicherheiten. Ich will kein ausgehaltener Bürger sein, gedemütigt und abgestumpft, weil der Staat für mich sorgt. Ich will dem Risiko begegnen, mich nach etwas sehnen und es verwirklichen, Schiffbruch erleiden und Erfolg haben. Ich lehne es ab, mir den eigenen Antrieb mit einem Trinkgeld abkaufen zu lassen. Lieber will ich den Schwierigkeiten des Lebens entgegentreten, als ein gesichertes Dasein zu führen; lieber die gespannte Erregung des eigenen Erfolges, statt die dumpfe Ruhe Utopiens. Ich will weder meine Freiheit gegen Wohltaten hergeben, noch meine Menschenwürde gegen milde Gaben. Ich habe gelernt, selbst für mich zu handeln, der Welt gerade ins Gesicht zu sehen und zu bekennen: dies ist mein Werk.«

Ich hoffe sehr, dass mir meine Sucht da keinen Strich durch die Rechnung macht....

Re: 2. Versuch oder Drei Jahre später....

Samstag 1. März 2014, 16:20

@Nordlicht,

wenn's ein bisschen mehr sein darf als progressive Muskelentspannung:

"Der Sinn von Qigong ist es,
mit der eigenen inneren Kraft
in Kontakt zu kommen.

Aus dieser Kraft heraus
läßt sich das Leben gestalten
und viele Dinge geschehen wie von selbst.
Sie ist Leere und gleichzeitig Fülle,
ein inneres Universum und zugleich
eine kleine leuchtende Perle."

Klingt alles reichlich verschwurbelt, ist aber äusserst effektiv und alltagstauglich.
Ich habe vor vielen Jahren einige Techniken des „Healing Tao“ von einer Koreanerin erlernt,
die für mich wichtigsten Übungen praktiziere ich heute noch.
Gibt's auch für Nordlichter z. B. in Hamburg.

LG Federico

Re: 2. Versuch oder Drei Jahre später....

Samstag 1. März 2014, 20:08

hallo Nordlicht !

... für mich kommt das alles sehr gut rüber ! :daumen:

- erstmal das von Albert Schweitzer, zitierte, -

"eben bitte auch noch seinen eigenen Weg gehen zu dürfen ... "

und weiter oben schreibst Du:
Was Besseres fällt mir im Moment nicht ein.

... - braucht´s auch nicht ..., - sei vielmehr zufrieden und genieße das jetzt ! -Tue dir Gutes !

schönes WE ! , Ralf.

Re: 2. Versuch oder Drei Jahre später....

Montag 3. März 2014, 19:07

Hallo Allerseits,

heute hatte ich dann nach unserem Einstiegsgespräch vor zwei Wochen meinen 1. begleitenden Arzttermin. War ein gutes Gespräch, ein Paar Fragen konnten geklärt werden, Ich habe ein weiteres Rezept erhalten, alles gut soweit.

Die letzten Tage waren etwas seltsam...

Das Gefühl soweit jetzt alles richtig zu machen, das war da und dennoch...ich muss gestehen, dass mich das Lesen, nicht so sehr das Schreiben, meiner Kurzvorstellung doch etwas mitgenommen hat. Vor allem die letzten Drei Jahre mit allen Hoffnungen, allen Versuchen, allen Enttäuschungen, allen Wiederaufbauversuchen noch mal so deutlich und komprimiert und öffentlich vor Augen zu haben, war nicht so ganz leicht, sondern ging ziemlich tief rein.

Und dennoch war es richtig so.

Craving habe ich keines, ob nun wegen Bac nicht oder weil mir die letzten Vorfälle noch nachhängen oder weil es einfach noch nicht an der Zeit, weiß ich nicht.

Und jetzt beschließe ich für den heutigen Tag das Nachdenken und Sinnieren und lehne mich zurück (genieße das jetzt! @Ralf) und versuche mal als Gegenpol zu den letzten Tagen zu würdigen, was ich bis jetzt in die Wege geleitet habe. Sowas vergesse ich nämlich hin und wieder auch mal .

Danke nochmal für alle Ratschläge, jede Aufmunterung und alle nettten Worte.

Bin am Ball und bleibe am Ball!

LG
Nordlicht

Re: 2. Versuch oder Drei Jahre später....

Dienstag 4. März 2014, 19:55

Du klingst gut, Andreas! Mir gefällt seeehr gut, wie gut du dich selbst behandelst.

Zwei Punkte fallen mir spontan ein:

Rückblicke auf schwere Zeiten können runterziehen, da gehe ich einig mit dir, der bedauernde Rückblick geht aber mit einer Standortbestimmung einher: Hier bin und stehe ich jetzt, hinter mir liegen schwierige Zeiten und was vor mir liegt, bleibt zwangsläufig noch vage umrissen. So wie es war, kann es nicht weitergehen. Also jetzt, hier, mache ich mal einen Punkt und bleibe stehen, halte aus. Dieser Moment war mir manchmal zu wenig wichtig, oft habe ich ihn zu schnell übergangen, weil er schlecht auszuhalten ist. Nicht nur für mich, auch meine Umwelt drängte manchmal auf zu schnelle Veränderung. Ich habe das kürzlich hier gut beschrieben gefunden: http://www.alkohol-und-baclofen-forum.de/viewtopic.php?p=28276#p28276.

Im übrigen ist ja auch auszuhalten, dass gemischte Gefühle im Spiel sind. Dachte ich jedenfalls immer, bis ich in einem Artikel über Neuropsychologie darauf stiess, dass positive und negative Affekte unterschiedlichen Hirnregionen entspringen und man sie nicht miteinander "verrechnen" sollte. Der Versuch dazu lautet: Eine Affektbilanz machen, das heisst, eine rein gefühls- und nicht verstandesmässige Beurteilung, die sowohl positive als auch negative Gefühle berücksichtigt. Und zwar getrennt. Eben weil aus neurophysiologischen Gründen sinnvoll, denn positive Affekte sendet die Hirnregion Nucleus accumbens, negative die Amygdala. Beide verdienen es, für sich berücksichtigt zu werden. (Auf einer Skala von 1 bis 10, wie gross ist Ihre Freude / Ihre Trauer... würde der Therapeut fragen :-) )

Seit ich das weiss und mit zwei Diagrammsäulen, fein säuberlich getrennt ;) durchs Leben gehe, ist mir vieles klarer, was ich zuvor innerlich als Zwiespalt empfand (als Zaudern, als Entschlussunfähigkeit, als Wankelmut). Man sollte sich die positiven Gefühle nicht von den negativen versauen (das wäre Entwertung), und die negativen nicht von den positiven schönreden lassen (das wäre rosa Brille).

Und meine heutige Skala sieht morgen schon wieder ganz anders aus. Und das ist normal.

lg
Lisa
Zwei Diagrammsäulen, fein säuberlich getrennt
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