Baclofen Forum vs Alkoholismus

Informationen zu Baclofen bei Angststörungen, substanzinduzierten Störungen und Depressionen. Informationen und offenes Diskussionsforum zu Selincro (Nalmefen) sowie alle progressiven Therapieoptionen im Kontext mit Alkoholismus
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 Betreff des Beitrags: Re: Dieters Durst
BeitragVerfasst: Montag 6. Januar 2014, 23:54 
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Registriert: Mittwoch 23. November 2011, 14:56
Beiträge: 1154
Uff, die kleine Krise ist wohl überstanden. Grübeln und in eine Sache reinsteigern, ob echtes Problem oder Blendwerk, das kann ich gut.

Die allerletzte Bac-Dosis von 6,25 mg hab ich vor zweieinhalb Stunden eingenommen, und dieses Gefühl, jetzt auf dem Trockenen zu sitzen, ist doch sehr merkwürdig. Wollte ich mich je wieder von etwas Stofflichem so abhängig machen, dass es sich eben merkwürdig anfühlt, wenn das Stoffliche nicht zur Hand ist? Schwieriges Thema. Klar ist natürlich, dass Baclofen seinen Dienst zuverlässig tut, wenn man es lässt. Es ist in jedem Fall das kleinstmögliche "Übel", wenn man meine, unsere Vergangenheit hat.

@Porthos, an Dich und unsere Eggheads hab ich immer wieder gedacht in all der Grübelei der letzten zwei, drei Tage, ein Glück...

Dieter grüßt herzlich, und 45 :-h grüßen mit

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Du brauchst keine Angst zu haben.


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 Betreff des Beitrags: Re: Dieters Durst
BeitragVerfasst: Dienstag 7. Januar 2014, 07:01 
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Registriert: Sonntag 13. Februar 2011, 17:49
Beiträge: 2608
Wohnort: Schweiz
@Dieter
Familyman hat geschrieben:
Die allerletzte Bac-Dosis von 6,25 mg hab ich vor zweieinhalb Stunden eingenommen, und dieses Gefühl, jetzt auf dem Trockenen zu sitzen, ist doch sehr merkwürdig.
Das würde sich bei mir genau gleich anfühlen... Schauder! Du wirst ja sicher heute als erstes in der Beschaffung aktiv!
Aufgrund Lieferschwierigkeiten war ich auch mal fast in dieser Situation. Seither habe ich immer etwas "in stock".
Ich möchte dies nie mehr erleben.
Familyman hat geschrieben:
Wollte ich mich je wieder von etwas Stofflichem so abhängig machen, dass es sich eben merkwürdig anfühlt, wenn das Stoffliche nicht zur Hand ist? Schwieriges Thema.
Darüber hatte ich mir auch mal Gedanken gemacht. Sie waren aber nach Vergleich und Bewusstwerdung meiner vorherigen "stofflichen" Welt schnell wieder vergessen und gehören nun auch zu meinem Konzept "immer wieder 6 Monate nach vorne schieb".
Abgesehen davon, dass es unzählige Patienten mit ganz anderen, weniger harmlosen Dauermedikamentationen gibt.

So, fertig mit ins Gewissen reden... wir verstehen uns schon :daumen:

Einen guten Tag wünscht Dir
moonriver

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„Geh nicht nur glatte Straßen, geh Wege, die noch niemand ging, damit du Spuren hinterlässt, und nicht nur Staub!“
(Antoine de Saint-Exupéry)


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 Betreff des Beitrags: Re: Dieters Durst
BeitragVerfasst: Dienstag 7. Januar 2014, 09:39 
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Moderator

Registriert: Sonntag 2. Juni 2013, 21:10
Beiträge: 1683
@d'Artagnan

Abstand nehmen und Geduld wirken Wunder. Gut, dass die Krise überstanden ist.

Baclofen wirkt äusserst individuell, soviel wissen wir. Es ist so, dass Baclofen Craving auslöst bei Leuten, die abdosieren oder es nicht mehr nehmen. Bei anderen jedoch nicht.

Es ist gut, herausfinden zu können, welche Vorteile Baclofen für Dich hat. Um diese Vorteile zu maximalisieren. braucht es eine Analyse, ein Abwägen zwischen Kosten (NW) und Nutzen. Nach fast 10Mt Erfahrung mit Baclofen habe ich's für mich herausgefunden. Versuch's mal möglichst objektiv für Dich, um mehr Vertrauen mit dem Medikament und somit mehr Selbstvertrauen zu haben.

"Für die Menschen, die Alkohol zur Selbstmedikation (Angst, Depression) benutzen scheint es leichter zu sein als für solche, die das "Rauscherlebnis" vermissen."

Dieses Zitat von @jivaro habe ich schon ein paar Mal aufgeschrieben. Diejenigen, die das "Rauscherlebnis" vermissen, werden keine direkten Craving-Probleme haben, wenn sie Baclofen nicht nehmen. Ich gehöre zu dieser Gruppe. Wenn Du auch zu dieser Gruppe gehörst (generalisiert: die BD-Gruppe) dann würde ich mir kurzfristig nicht viel Sorgen machen.

Bevor dies als ein Plädoyer gegen Baclofen aufgefasst wird, sage ich: allen Alkoholkranken können mit Baclofen geholfen werden, auch mir, obwohl ich deutlich zu den 15% gehöre, denen nicht 'direkt' geholfen wurde. In Kombination mit Selbstanalyse, Meditation, Forumshilfe weist sich Baclofen als sehr nützlich aus. Baclofen erlaubt uns, das Projekt 'Rauscherlebnis' nochmals zu überdenken und rational in Frage zu stellen. Es erlaubt uns, schneller den Switch von 'Impulsivität' zu 'Rationalität' umzulegen, wenn wir z.B. an einer Tankstelle vorbeifahren.
Baclofen erlaubt uns eine tiefere Einsicht in die Abgründe unserer Seele und hilft uns, ein besseres Verständnis mit uns selber zu entwickeln, und mit unseren Problemen umzugehen.
Mit Baclofen kann man sozusagen 'Abstand nehmen', als ob man sich selber aus der Ferne beobachtet und sich objektiver beurteilen kann. Man entwickelt eine bessere Empathie, auch wiederum sich selber gegenüber, man erkennt besser die Zusammenhänge, die Hintergründe, das ‚Warum‘ und man versteht eindeutiger die Folgen des Alkoholkonsums und kann sich somit klarer darauf einstellen.

Baclofen hat mich einsehen lassen, dass ein Alkohol-Partyleben falsch ist. Das Absetzen von Baclofen wäre grundsätzlich falsch, aber nicht weil es dann Craving auslösen würde, sondern weil es dann diese wichtigen Einsichten wegnehmen würde, und die Gefahr lauern würde, in alte, falsche Gewohnheiten zurückzugleiten.

LG

Patrick


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 Betreff des Beitrags: Re: Dieters Durst
BeitragVerfasst: Dienstag 7. Januar 2014, 23:54 
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Moderator

Registriert: Mittwoch 23. November 2011, 14:56
Beiträge: 1154
@Patrick,

für mich ist eindeutig die Regelmäßigkeit der Bac-Einnahme entscheidend. Denn klassischerweise war es über viele Jahre so: Tagsüber keinerlei Wunsch nach Alkohol, oft verkatert und eher mit Schaudern beim Gedanken an neuerliches Trinken - Anflüge von Angst und Depression am frühen Nachmittag, nach Verflüchtigung des Restalkohols. Gegen 17, 18 Uhr dann die Kehrtwende, wenn die innere Bestie erwacht und ohne große Vorwarnung zu brüllen beginnt. Eine kurze Euphoriephase, als eine Art Vorfreude, und dann ran an den ersten frischen Drink. Schon sind Angst und Depression passé. Das konnte über Wochen und Monate so gehen.

Eine Gleichmäßigkeit, gegen die die Gleichmäßigkeit der Bac-Einnahme nunmehr das passende Gegenstück darstellt. Somit wirkt für mich Baclofen auch ganz klassisch, ich gehöre nach Jivaros Klassifizierung sicherlich in die erste Gruppe und nicht zu den BDs.

Ich kann nachvollziehen, dass die Wirkung von Bac bei BDs wir Dir anders ist und auch die Gefahren anders liegen. Du hast es sehr anschaulich beschrieben. Die Einschätzung, dass Baclofen aber für beide Gruppen eine große Hilfe sein kann, als Augenöffner beim Blick in die Seele, als Steigbügel zu Empathie und kritischer Selbsteinschätzung, diese Einschätzung teile ich hundertprozentig mit Dir.

@Moonriver,

ja klar, der erste Weg führte heute Morgen direkt zu meiner Hausärztin, gleichwohl ohne Termin, und siehe da, sie hat mich sogar vorgezogen, als ob sie schon auf mich gewartet hätte. Jetzt gelten wieder strenge Regeln der Regelmäßigkeit: 10, 12, 14 und 16 Uhr jeweils 6,25 mg, 18 Uhr und ca. 21 Uhr jeweils 12,5 mg, macht zusammen 50 mg, das sollte die Erhaltungsdosis sein. Tagsüber 12,5 mg auf einmal haben sich immer mehr mit Sekundenschlaf und allgemeiner Müdigkeit gerächt. Aber jetzt scheint alles stimmig.

Und natürlich, mit Baclofen ins Lot zu kommen, selbst wenn man es stoffliche Abhängigkeit nennen wollte, ist doch eine sehr milde und sympathische Form von "Abhängigkeit".

Dieter grüßt herzlich, 46 :-h im Gepäck

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 Betreff des Beitrags: Re: Dieters Durst
BeitragVerfasst: Mittwoch 8. Januar 2014, 09:18 
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Moderator

Registriert: Sonntag 2. Juni 2013, 21:10
Beiträge: 1683
@d'Artagnan

Uff, zum Glück hast Du wieder Baclofen. Jaja, nicht nur die Eggheads sollten überwachen werden, sondern auch der Baclofen-Vorrat... :daumen:
Dein Trinkverhalten war anders, das stimmt. Wobei ich sagen muss, dass meine Trinkpausen früher eher auch kürzer waren. 1 bis 3mal pro Woche gab es einen Trinkexzess bei mir, jedoch fast ausnahmslos mit Blackouts. Im Laufe der Zeit wurden zwar die Pausen zwischen den Trinkphasen länger, jedoch die Trinkphasen selber auch: Statt 1 Abend konnten sie allmählich einige Tage lang dauern.
Vielerorts habe ich gelesen, es sei nicht ungewöhnlich, dass die Trinkpausen bei BD’s irgendwann wegfallen, sie wandeln sich in Dauertrinker, werden nicht nur psychisch sondern auch noch physisch abhängig und kommen somit vom Regen in die Traufe. Es war die höchste Zeit, mich im letzten Frühling hier anzumelden.

Nach der erfolgreich gemeisterten Wanderung bist Du bestens gewappnet gegen eventuelle weitere Fallstricke. Da die Gefahr bekanntlich um die Ecke lauern kann, sind die tägliche Einnahme von Baclofen und die täglichen Eierköpf-Einträge in den Kalender eine ideale Kombinationstherapie für einen langfristigen Erfolg.

Bald sind wir 7 Wochen trocken, ein Viertel des Solls ist geschafft. Let’s hang in there...

LG

Patrick, 46 Eggheads


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 Betreff des Beitrags: Re: Dieters Durst
BeitragVerfasst: Donnerstag 9. Januar 2014, 01:20 
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Moderator

Registriert: Mittwoch 23. November 2011, 14:56
Beiträge: 1154
@Delle,

nicht nur weil es gerade angesagt zu sein scheint, hier sein Avatar zu ändern: Ich würde gern mein Avatar ändern. Ich dachte an ein Egghead. Vielleicht sogar meinen eigenen Eierkopf. Kann ich Dir ein solches Egg posten? Das werden aber wieder zu viele KB, oder?

@Federico, auch @Jivaro,

wo es Menschen gibt, wachsen Erwartungen. Wo die Erwartung wächst, ist die Enttäuschung nicht weit. Für Dich, Federico, bzw. Euch, auch Jivaro, muss es doch eigenartig sein, dieses ständige Kommen und Gehen hier. Nur wenige bleiben. Federico, wie dick muss das eigene Fell eigentlich sein, wenn man das Ganze hier über Jahre moderiert, sortiert, manchmal kopfschüttelnd mitansieht und doch immer wieder vorantreibt? Und was können wir gemeinsam tun, das Forum nicht nur zu beleben, sondern die Baclofentherapie als Option und Chance auch im deutschsprachigen Raum über den Kreis von Foren und einigen Wissenschaftlern hinaus bekannter und hoffähig zu machen? Welche Medien könnten eine Einflugschneise sein?

"Baclofen - der erstaunliche Erfolg eines alten Medikaments zur Muskelentspannung in der Alkoholismustherapie. Nach Jahren und Jahrzehnten des Stillstands in der Forschung zur medikamentösen Bekämpfung der Volkskrankheit Alkoholismus gibt es Licht am Horizont: Dabei ist das vermeintlich ,neue Licht' ein alter Vertrauter, denn Baclofen hat sich seit Jahrzehnten als Muskelrelaxans bewährt. Was aber lässt viele alkoholkranke Menschen hoffen, ausgerechnet Baclofen könnte sie von der Sucht befreien? Und was muss geschehen, damit das Medikament nicht nur von einigen wenigen Ärzten ,off label', also nicht gemäß seiner Bestimmung verschrieben wird, sondern von möglichst vielen Medizinern auf Kassenbasis? Hier lohnt sich ein Blick auf unser Nachbarland Frankreich sowie in die USA - und auf einen Kardiologen namens Dr. Olivier Ameisen..." Hier dann kurz Ameisens Entdeckungsgeschichte.

Im zweiten Teil dann Berichte von Betroffenen und Ärzten über erstaunliche Erfolge.

In Teil drei schließlich die Irrungen, Hemmnisse und anderslautenden Interessen einflussreicher Lobbyisten und Unternehmen, die die Erfolgsgeschichte von Baclofen bislang weitgehend verhindert haben.

Teil vier und Schluss: Es gibt sie, die mutigen Ärzte, Therapeuten und Suchtberater auch hierzulande, die rechtsrheinischen Ameisens, die die dicken Bretter bohren, und nun scheint die Zeit gekommen zu sein...

Nur so als Ideenskizze für einen Artikel.

@Patrick,

ja, die tägliche stabile Dosis ist unser bester Garant gegen böse Überraschungen. So kann es weitergehen, bald sind die 50 voll!

Dieter und 47 :-h grüßen herzlich

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 Betreff des Beitrags: Re: Dieters Durst
BeitragVerfasst: Donnerstag 9. Januar 2014, 02:35 
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Beiträge: 8253
Wohnort: München
@Dieter,

das dicke Fell benötigt vor allem *GGG* :D

Danke für Deine Anregungen. Wieder so ein Zufall, grade eben habe ich den nachfolgenden
Beitrag bei der Huffington Post abgeliefert. Der Artikel ist seit 2 Wochen in der Bearbeitung.
Grundlage war die Übersetzung eines Vortrags von Renaud de Beaurepaire. Die nächsten
Artikel sind bereits in Arbeit, als Grundlage wird die Baclofen Saga von Bernard Granger verwendet.
Sobald der Artikel geprüft und angenommen wurde (24 Stunden), stelle ich den Permalink
hier im Forum zur Verfügung. Leider gibt es in Deutschland keinen Arzt, der zum Thema
Baclofen, in dieser Klarheit Stellung beziehen kann oder möchte.


Alkoholismus: Frankreichs Ärzte setzen sich gegen Pharmalobby durch.

Dr. Renaud de Beaurepaire: Finanzielle Interessen verhinderten die Verwendung von Baclofen.

Diese Geschichte könnte aus einem Roman des Bestseller-Autors Dan Brown (Illuminati, Sakrileg, Inferno), stammen. Schließlich kratzten Olivier Ameisen, Renaud de Beaurepaire und später viele andere Ärzte, ebenfalls an einem "Sakrileg". Wie bei Dan Brown, geht es bei Baclofen um Macht, Eitelkeiten und Milliarden, die es zu verteidigen gilt. Korruption und Bestechungsaffairen sind längst bittere Realität geworden - auch innerhalb des Gesundheitsbetriebs. Längst geht es nicht mehr um die besten Behandlungsmethoden, sondern um Maximierung von Profit. Das hysterische Festklammern an längst überholten, meist wirkungslosen Medikamenten gehört genauso dazu, wie das Beharren auf überkommenen Therapieformen. Schließlich ist ein Alkoholiker für einen Suchtmediziner - auch wenn das nicht nett klingen sollte - eine lebenslange Rente. Leider ist es keine Geschichte, auch kein Roman, es ist die real existierende Wirklichkeit. Der nachfolgende Text ist einer aktuellen Rede von Dr. Renaud de Beaurepaire entnommen.

Ich traf Olivier Ameisen im Jahr 2006 bei gemeinsamen Freunden. Ich hatte zu der Zeit als Arzt und Leiter einer Psychiatrie in Villejuif auch Alkoholiker in Behandlung. Ich gab einigen von ihnen ohne grossen Enthusiasmus Baclofen. Nach relativ schneller Erhöhung der Dosis berichteten die Patienten, Alkohol sagt mir nichts mehr. Wenn ich ihnen ein Glas hinstellte und einschenkte sagten sie: "das lässt mich völlig kalt".

Ich muss sagen, ich wusste damals nicht wie es weitergehen sollte. Olivier sagte zu mir, ich werde ein Buch schreiben. Es erschien im Oktober 2008 mit dem Titel "Das letzte Glas". Dieses Buch war ein absolut aussergewöhnlicher Erfolg und es folgten mehrere Auflagen in der Grössenordnung von Zehntausenden von Exemplaren. Anmerkung des Verfassers: Im Herbst 2009 erschien es in der deutschen Übersetzung mit dem Titel Das Ende meiner Sucht

Das Buch hatte Auswirkungen auf mich. Nachdem es erschienen war, erhielt ich jeden Tag Dutzende Anrufe von Menschen, die das Buch gelesen hatten und die dieses Medikament von mir wollten. Es war kompliziert das zu organisieren, ich eröffnete also eine Baclofen-Sprechstunde jeweils am Mittwoch. Zu Beginn sagte ich mir, wir werden sehen, ich versuche das mal einige Wochen. Wenn es nicht funktioniert, höre ich auf. Aber es funktionierte extrem gut, 65 bis 75% der Patienten wurden innerhalb einiger Wochen oder Monate gesund und erreichten die von Ameisen beschriebene Gleichgültigkeit gegenüber Alkohol. Sie sagten alle dasselbe: "eines Tages, bei einer bestimmten Dosis, schenkte ich mir ein Glas ein und - es interessierte mich nicht mehr".

Wir blieben im Austausch und er schickte mir Patienten, die ihn um Baclofen baten und wir arbeiteten weiter zusammen, begannen auch zusammen zu schreiben. 2010 wurde eine erste gemeinsame Publikation über 60 Fälle veröffentlicht, die durch Baclofen geheilt wurden. Das Ausbleiben von Reaktionen von Seiten derjenigen, die in der Lage gewesen wären, Studien nach allen Regeln der Kunst in Gang zu setzen, war unerklärbar. Wir fragten uns, warum dies nicht geschah, wir hatten so viele Kapazitäten kontaktiert und unsere Behandlungsergebnisse mit Baclofen vorgestellt - nichts. Olivier nennt es in seinem Buch - die ohrenbetäubende Stille - ein Oxymoron.

Wir nahmen wahr, dass Baclofen von Seiten der Pharma-Firmen nicht gern gesehen wurde. Sie entwickeln Medikamente gegen Alkoholismus und das kostet extrem viel Geld. Die Grössenordnung bewegt sich im Bereich von einigen hundert Millionen bis hin zu einer Milliarde Euro. Pharmafirmen entwickeln Medikamente mit der Idee im Kopf, dass es ohnehin keine Behandlung gegen Alkoholismus gibt. Neue Arzneien werden auf den Markt gebracht und der Verkauf forciert, Ärzte verschreiben sie, man wartet ab aber keines ist wirklich wirksam. Und dann taucht sehr unwillkommen, dieses 40 Jahre alte Medikament auf, das drei Euro die Schachtel kostet und extrem gut wirkt.

Es gibt keinen Zweifel daran, dass die zuständigen Stellen und Wissenschaftler an den Universitäten, denen wir Baclofen anvertraut hatten, versucht haben zu vertuschen. Die Vereinigung französischer Alkoholspezialisten verschickte Rundbriefe an Ärzte mit dem Verbot, Baclofen anzuwenden.

Sogar Repressalien wurden angewandt, Ärzte die mit Baclofen behandelten, waren Drohungen ausgesetzt. Mir kamen Fälle von Ärzten zu Ohren, die aus dem Verband ausgeschlossen wurden, weil sie Baclofen verschrieben. Medizinstudenten wurde untersagt, in ihren Arbeiten Baclofen zu zitieren usw. Kurz: die Entscheidungsträger hatten beschlossen, Baclofen totzuschweigen.

Nicht zu vergessen die medizinischen Institutionen, die sich mit Alkoholismus beschäftigen, die Kliniken, Therapie-Zentren usw. Damit sind unglaublich hohe Kosten verbunden, man muss wissen: ein Alkoholiker bedeutet für einen Suchtmediziner - auch wenn das nicht nett klingen sollte - eine lebenslange Rente. So lange er lebt, wird er medizinische Betreuung brauchen. Die teuren Suchtbehandlungszentren sind voll von "unheilbaren" Alkoholikern. Wenn man also ein Medikament findet, das den Alkoholismus heilen könnte, wäre das für all' diese Institutionen finanziell äusserst schmerzhaft.

Nun, wir fühlten uns entmutigt. Wir verwandten unsere ganze Energie auf die Heilung von Patienten, die zuständigen Stellen verweigerten die Übernahme ihrer Verantwortung gegenüber den Patienten und finanzielle Interessen verhinderten die Verwendung von Baclofen. Es schien aussichtslos, wir waren ziemlich deprimiert und auch etwas ausgebrannt.

Dass wir dennoch gesiegt haben - wie kam das? Wir siegten, indem wir Vereine gründeten. Da gab es in unseren Reihen Dr. Bernard Joussaume, einen Allgemeinmediziner aus Bandol, der Baclofen bereits verschrieb und der zudem über langjährige Erfahrung in der Verbandsarbeit verfügte. Wir gründeten "AUBES" mit der Absicht, eine schlagkräftige Vereinigung zu werden, nicht mehr zu weichen, sondern zu kämpfen. Wir lernten von anderen, z.B. von AIDS- oder Alkoholiker-Vereinigungen. Einer von uns, Pierre Leclerc, gründete das Kollektiv "7 ans, 100.000 morts". Das bedeutet, Ameisen hatte vor sieben Jahren eine Behandlungsmethode gegen Alkoholismus entdeckt. Hätte man es seit 2005 angewendet, hätte es in Frankreich 100.000 Tote weniger gegeben. Das Kollektiv wandte sich mit Briefen an alle politischen Entscheidungsträger und erhielt beschämend wenig Rückmeldungen von Premier- und anderen Ministern. Einige jedoch - Bernard Debré, Didier Sicard, Philippe Even - antworteten sehr positiv: "Kämpft weiter, ihr habt recht, macht alles, was ihr könnt!" Ansonsten erreichten uns nur hohle Phrasen wie "Nun, man wird sehen, warten wir ab." Es zeigte sich die Macht der Industrie über die Entscheidungsträger.

Wir haben dennoch gesiegt. Dadurch, dass wir für grosses Aufsehen sorgten. Wir baten die Ärzte, Baclofen zu testen, das war alles was wir verlangten. Man weiss, dass Abhängigkeit eine Krankheit ist, eine sehr gut nachgewiesene Krankheit. Der zunehmende Konsum verändert erwiesenermassen den Hirnstoffwechsel so, dass das Bedürfnis zu trinken zwanghaft wird. Es gibt keine Wahlfreiheit mehr. Wie Olivier Ameisen es ausführlich in seinem Buch "Das Ende meiner Sucht" beschreibt, sagt sich der vom Alkohol abhängige Mensch jeden Morgen: Schluss jetzt, ich höre auf, das war das letzte Mal, das letzte Glas! Aber es hört nie auf, weil wie bei jedem zwanghaften Verhalten der Drang stärker ist als die Vernunft. Es ist ein Zwang. Alkoholismus ist eine Krankheit, weil er eine Zwangsstörung wie z. B. der Waschzwang ist. Der Wille aufzuhören kann noch so stark sein - erwiesenermassen werden 90% rückfällig.

Um die Krankheit zu behandeln, entschieden sich immer mehr Ärzte, Baclofen zu verschreiben. Ich erhielt immer mehr Rückmeldungen in der Art: "Ich hatte nicht geglaubt, was du sagtest. Dann habe ich es verschrieben und es ist unglaublich, absolut aussergewöhnlich!" Wir sagten den Ärzten immer das gleiche: Probiert es aus, macht den Versuch! Und mehr und mehr Ärzte taten das. Heute braucht die Verschreibung von Baclofen keine Bewilligung mehr, von zögerlichen Instanzen im Gesundheitswesen, die keine Entscheidung treffen wollten. Sie wissen heute, dass es ein einzigartiges Medikament gegen Alkoholismus, wie auch gegen Depressionen und Ängste ist.

Heute wird Baclofen verschrieben, auch in der Psychiatrie hat man doppelt verblindete Studien durchgeführt, in denen einer Hälfte der Patienten Baclofen gegeben wurde - die andere Hälfte bekam ein Placebo. 2009 gab es 200 Ärzte, die Baclofen verschrieben, 2010 waren es 2.000, 2011 und 2012 stieg die Zahl exponentiell an. Heute sind es mehrere Zehntausend Ärzte in Frankreich und mehr als 100.000 Patienten die mit Baclofen - mit oder ohne Bewilligung - behandelt werden. Unzählige Berichte im Internet zeigen, dass es extrem gut wirkt.

Die Baclofen-Gegner hören nicht auf, uns Hindernisse in den Weg zu legen, sie versuchen Baclofen zu diabolisieren. Es stimmt, es gibt Nebenwirkungen aber sie sind bei richtiger Behandlung nicht schwerwiegend, wenn die Patienten aufmerksam begleitet werden und gute Bedingungen geschaffen werden.

Olivier Ameisen ist im vergangenen Juli gestorben. Er wäre sehr glücklich gewesen, heute an diesem Punkt zu stehen und zu hören, dass die Schlacht gewonnen ist. Und ich glaube, dass er an Erschöpfung gestorben ist. Er kämpfte in ausserordentlich mutiger Weise. Eines Tages versagte das Herz, bei ihm als Kardiologen. Das ist der traurige Teil der Geschichte.

Ich danke Ihnen, ich bedanke mich für Olivier.

Weitere Informationen http://www.baclofen-blog.de

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„Es gibt keine Alternative zum Optimismus,
Pessimismus ist Lebensfeigheit.“
Richard David Precht


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 Betreff des Beitrags: Re: Dieters Durst
BeitragVerfasst: Donnerstag 9. Januar 2014, 09:24 
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Registriert: Sonntag 2. Juni 2013, 21:10
Beiträge: 1683
@Dieter

Gratuliere zu Nr. 47,
Das Forum lebt von Erfolgsgeschichten wie diese.
Und ein dickes Fell ist eine Voraussetzung für alle, die im Forum langfristig überleben wollen.
Schnell gibt es Missverständnisse, und wird man falsch verstanden. Hauptsache, man kann damit umgehen. Das können leider viele nicht und man lässt sich unnötig abschrecken.
Schade, denn das Forum und die Arbeit von Fed, jivaro & co ist eine unentbehrliche Hilfe, ich kann es nicht genug betonen.

Was mich betrifft, seit ein paar Nächten kommt dasjenige, was ich schon immer gefürchtet habe.
Der Kopf ist jetzt mehr als vorhanden, nur die Seele scheint nicht nachrutschen zu wollen. Ich berichte später noch...

LG

Patrick, zum 47. à la nôtre


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 Betreff des Beitrags: Re: Dieters Durst
BeitragVerfasst: Donnerstag 9. Januar 2014, 11:08 
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Registriert: Freitag 30. Juli 2010, 13:11
Beiträge: 381
Wohnort: Moers
Lieber Dieter,

Du kannst jedes Bild als AVATAR nutzen. Voraussetzung: Bild auf einem externen Server speichern. Ich mache das auf Directupload. Anmelden - Bild hochladen - Du bekommst eine URL - kopieren - In Dein Profil gehen /Avatar ändern /Von extern verlinken: URL hereinkopieren - fertig..

Liebe Grüße Volker

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„Was wir brauchen, sind ein paar verrückte Leute; seht euch an, wohin uns die Normalen gebracht haben.“
George Bernard Shaw


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 Betreff des Beitrags: Re: Dieters Durst
BeitragVerfasst: Freitag 10. Januar 2014, 00:54 
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Moderator

Registriert: Mittwoch 23. November 2011, 14:56
Beiträge: 1154
@Federico,

sehr beeindruckend und sehr erfreulich, was sich in Frankreich tut. Warum aber schwappt die Welle nicht über? Die Huffington Post ist vielleicht eine Chance, vielleicht aber auch nicht. Die allermeisten Beiträge sind ohne Honorar, also kostenlos erstellt, und entsprechend wird von den meisten Lesern auch ihre Wertigkeit wahrgenommen. So zumindest meine Einschätzung in einigermaßen guter Kenntnis der Medienlandschaft hierzulande. Daher noch einmal die Frage nach seriösen, anerkannten Medien, die Deiner Meinung nach eine Einflugschneise sein könnten. Oder siehst Du hier so gar keine Hoffnung? Mein Skizzengerüst könnte ja vielleicht noch nützlich sein.

@Volker,

danke, ich versuche es!

Jetzt aber ins Bett - Dieter grüßt mit 48 :-h

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Du brauchst keine Angst zu haben.


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