Freitag 27. Dezember 2013, 10:35
Lieber Patrick,
boah, Dein Foto: ich habe nie nie nie verstanden, wie Jägermeister es geschafft hat, Kult zu werden. Dieses eklige Gesöff! Da sieht man, was ein großer Werbeetat bewirken kann! Als junger Mensch kannte ich Jägermeister nur als Magenbitter für Opis. Vor 20 Jahren ca. wurde das Zeug dann plötzlich in Discos mit "Jägi on ice" angepriesen, hochpreisig natürlich, und die Extasy-Gemeinde fuhr drauf ab. Schreck laß´ nach
Wie auch immer: ich würde mich schon eher als Rauschtrinkerin bezeichnen. Das war in den letzten Jahren klar das Ziel. Nix mit Genuß von edlem roten Tropfen, selbst wenn er sauer war, wurde er gekippt, Hauptsache es dröhnte. Die allabendlichen zwei Flaschen ließ ich innerhalb von 2 Stunden ´reinlaufen. Meine Toleranz hat sich immer weiter nach oben gesteigert. Am WE wurden es auch mehr, jedenfalls immer bis zum Umfallen.
In meinem Umfeld wurde immer/überwiegend viel Alkohol konsumiert. So richtig los ging es bei mir als Einschlafhilfe vor ca. 15 Jahren. In den letzten mindestens 5 Jahren ging es nur noch ums sich bedröhnen. Somit ein Rückfall in Zeiten von vor 30 Jahren: ich bin Ex-Junkey.
Wie Du habe auch ich in den letzten Jahren immer mehr Angst vor Folgeschäden bekommen. Meine Leberwerte waren zwar nur gering erhöht, aber der Druck unter der rechten Rippe und die feuerroten Handflächen zeigten den Unmut dieses geduldigen Organes. Chronischer Durchfall und über Jahre hinweg ständig gereizte Mundschleimhaut: könnte in Krebs enden.
Depressionen hatte ich schon länger, ich bin aber sicher, dass sie durchs Saufen verstärkt wurden. Das permanent schlechte Gewissen mir selbst gegenüber konnte nicht gesund sein. Panikattacken kamen erst in letzter Zeit hinzu, als ich immer mehr das Gefühl bekam, ich versinke im Alkohol.
Mein Gesicht war aufgeschwollen und rot, die Fahne morgens kaum noch wegzukriegen, immer häufiger kam ich früh nicht hoch und musste mich krank melden. Ich bekam zunehmend Angst, dass es in der Arbeit auffliegt. Ob es jemand bemerkte, beschäftigte mich die ganze Zeit und verunsicherte mich. Ich schämte mich ganz schrecklich vor mir selbst. Vor allem, nachdem ich mir vor vielen Jahren vorgenommen hatte, nie mehr abhängig zu sein.
Was für eine Energieverschwendung das alles...! Und was für ein scheißeschlechter Umgang mit dem einzigen Körper und der einzigen Psyche, die wir haben.
Ich habe nach unzähligen geplatzten guten Vorsätzen aktiv nach medikamentöser Unterstützung gesucht und bin über das Forum gestolpert. Beim Lesen ist mir aufgefallen, wie viele hier 30jährige Saufkarrieren haben und den Absprung schafften. Wow. Das hat mich sehr beeindruckt. Nach so langer exzessiver Sauferei gibt es wohl auch nur zwei Möglichkeiten: aufhören oder in absehbarer Zeit sterben. Wir werden ja nicht jünger und unser Körper nicht strapazierfähiger, sondern umgekehrt.
Umso glücklicher bin ich jetzt, dass
das Craving einfach von mir genommen wird. Es funktioniert, alles andere ist zweitrangig. Dass jemand sich per PM über die Eggheads lustig macht, finde ich bescheuert. Schließlich sind wir hier alle aufgrund der gleichen Problematik. Was dem einen als Strategie taugt, mag dem andern albern erscheinen. Aber: kann man das nicht für sich behalten? Weshalb muss man jemandem seine kleinen Hilfsstrategien mies machen? Oder es zumindest versuchen? Ich finde sowas wie die Eggheads recht witzig, und Humor ist definitiv heilsam.
Ich finde, Du kannst wirklich stolz darauf sein, dass Du die Tage bei Deiner saufenden Familie so gut überstanden hast. Versuche es mitzunehmen für den nächsten großen Saufanfall...
herzliche Grüße, Jerry
P.S. In der Vorschau sehe ich soeben, dass der von mir benutzte Begriff S a u f d r u c k automatisch ersetzt wurde durch Craving. Diese Wort habe ich hier erst kennengelernt, es gehört nicht selbstverständlich zu meinem Wortschatz. Es irritiert mich sehr, dass es hier im Forum offensichtlich eine solche Funktion gibt.
Erstens, weil ich mich gerne mit meinen eigenen Worten ausdrücke,
zweitens, weil mir diese automatische Funktion nirgends angekündigt wurde und
drittens, weil dann zumindestens der Artikel auch noch passend geändert werden sollte.