Hallo anniebae!
Danke, dass Du auf meine Anfrage eingegangen bist, beantwortet hast Du sie aber nicht wirklich.
Nordlicht hat geschrieben:
Da Du die Abstinenz hier so vehement auch in Verbindung mit Baclofen einforderst, bitte sei so freundlich und gib mir doch mal eine Reaktion auf diesen hier schon öfter eingestellten Satz: "Nimm meine saubere Therapie oder krepier!"
anniebae hat geschrieben:
Das geht in keinster Weise darum, was ich denke oder nicht denke. Das geht darum, dass politische Entscheidungen getroffen werden müssen, und die trifft man nach den gegebenheiten, und nicht nach den Bauplänen von irgendeinem Wolkenkuckucksheim
Doch, mich hätte Deine persönliche Meinung schon interessiert. Wie ist es denn, Annie, mal ganz ehrlich, wenn jemand nicht auf die Standardtherapie anspricht und mehr und mehr untergeht? Fragst Du dich da nicht auch, ob es vielleicht auch
grundsätzlich andere Wege gegeben hätte? Gibt?
Ich finde, dass aus Deinen Postings einige Überheblichkeit gegenüber (per se allen) Alkoholikern/Suchtkranken spricht, das gefällt mir nicht, sag ich ganz offen. Es wundert mich nicht, dass Du auf der Suche nach wirksamer Hilfe nun bei Baclofen gelandet bist. Auch Du greifst vermutlich nach jedem Strohhalm, weil die "Erfolgsquoten" der klassischen Suchttherapie kaum noch mit dem eigenen Gewissen vertretbar sein können.
Tatsächlich fällt es nicht schwer, Deine eingeschränkte Sichtweise nachzuvollziehen. Sie ist stringent, wenn man nicht bemerkt, dass sie auf falschen Prämissen beruht, erscheint sie logisch. Und auf jeden Stammtisch wirste mit Sicherheit mehr Zustimmung erhaschen als die, die versuchen das Thema differenzierter zu betrachten. Nur so einfach ist das alles nicht…:
anniebae hat geschrieben:
Prima, dann sind wir uns ja einig. Aus Sicht von 99% der Ärzte, Psychologen und Therpeuten hat jeder Abhängige hinreichend oft unter Beweis gestellt, dass kontrollierter Konsum bei ihm nicht klappt.
Mit oder ohne Baclofen? Und wenn mit Baclofen, dann mit oder ohne entsprechende therapeutische bzw. ärztliche Begleitung?
Nochmal:
kontrollierter Konsum mit oder ohne Baclofen? Bitte – das ist ganz wichtig –
hier differenzieren, sonst kommen wir nicht wirklich weiter.
anniebae hat geschrieben:
Und ich negiere überhaupt nichts. Mir ist schon klar, dass 2 Millionen Abhängiger auch 2 Millionen Individuen sind.
Mit grundsätzlich unterschiedlichen Charakteren, Bildungsniveaus, gesundheitlichen Einschränkungen, Sozialisationen, etc. Du bist dabei in einem ziemlich klar definierten Bereich unterwegs, der wohl nicht den Großteil aller Alkoholabhängigen darstellt. Daher andere
Meinungen von BETROFFENEN bitte erstmal respektieren, analysieren und Dir
dann ein Urteil bilden. Geht aber nur, wenn Du an einem Dialog interessiert bist und dann auch auf Fragen oder Argumente eingehst. Tust Du ja, das finde ich gut!
anniebae hat geschrieben:
Selbst Lundbeck hat mit all dem ganzen Zirkus, der Vorankündigungen, der Schmierereien Deiner Berufskollegen und dem ganzen Apparat zuwege gebracht, dass der Mist für drei Monate von Fachärzten verschrieben werden darf, solange der Patient auf einen Therapieplatz im Trockendock wartet. Geile Leistung, oder?
Nun, evtl. lag es daran, dass Selincro schlicht nicht das halten konnte, was es mit großen Tamtam versprochen hat? Unter diesen Umständen ist es sogar besser, dass der GBA entschieden hat, wie er hat.
anniebae hat geschrieben:
Ich brauche keinen beschissenen Paradigmenwandel, ich brauch Baclofen für meine Sorgenkinder.
Und viele andere wollen und brauchen einen Paradigmenwandel und benötigen Baclofen ebenfalls, aber unter anderen Voraussetzungen.
anniebae hat geschrieben:
Dieser Thread besteht nach meinem Auftritt auch schon wieder aus Verteidigungsreden des Alkoholkonsums.
Nein, es geht nicht um Verteidigungsreden des Alkoholkonsums,
es geht um einen vernünftigen, langfristigen Umgang mit einem sehr komplexen Thema, dem man bisher mit der jahrzehntelang erprobten Abstinenzausrichtung nicht wirklich beigekommen ist.anniebae hat geschrieben:
Es gibt eine persönliche und eine politische Dimension bei Fragen wie die nach der Verfügbarkeit von Baclofen.
Persönlich ist "Was mache ICH mit Baclofen?"
Politisch ist "Was kann ich tun, damit möglichst viele Menschen möglichst schnell Baclofen ausprobieren dürfen?"
Die Trennung zwischen persönlich und politisch greift nicht wirklich. Mich z.B. hat die bisherige politische Entscheidung
pro Abstinenzzwang persönlich getroffen – und hat
nicht nachhaltig positiv was bewirkt. Jetzt klappt es auf einmal. Wahrscheinlich hätte es bei mir schon vor drei Jahren klappen können, wenn ich nicht selbst das Haar in der Suppe gesucht hätte und mir vor allem von klassischer Suchttherapie-Seite aus dazu geraten wurde, das Experiment Baclofen einzustellen und lieber
auf eine richtige Therapie zu setzen.Und ich bin da ja wohl nicht der Einzige.
Du hast weiter oben geschrieben,
dass man...anniebae hat geschrieben:
Im Gegensatz zu Krankheiten wie Krebs kann der Alkoholabhängige den Verlauf seiner Krankheit sehr wohl willentlich beeinflussen. Es ist asozial und wird auch so wahrgenommen, damit zu experimentieren.
Und daher fordere ich den Willen zur Abstinenz ein, von jedem stofflich Abhängigen. Im Sinn einer Verantwortungsübernahme aber auch im Sinn der Solidargemeinschaft. "
...Sucht willentlich beeinflussen kann.Es ist gerade so, dass man in weiten Phasen der Sucht, die Sucht eben nicht willentlich beeinflussen kann. Immer wieder mal, ja das geht. Man kann vieles versuchen, kann auch lange davon überzeugt sein, dass man es diesmal schafft, aber dann irgendwann greift der Wille nicht mehr und das, liebe Annie, liegt dann weniger an mangelnder Bereitschaft oder Willenskraft, sondern an der Biochemie unseres Gehirns, das bei langjähriger Sucht entsprechende Veränderungen --> hin zum Konsum aufweist.
Dagegen gibt es jetzt ein Medikament: Baclofen – das bei ca. 75% aller Patienten helfen kann (im Idealfall – und das sage ich Dir als jemand, der Baclofen unter ärztlicher Begleitung nimmt) mit einer dazugehörigen Therapie/Begleitung.
Zitat:
Baclofen - endlich zufrieden abstinent!
Fällt Euch bei dem Slogan ein Zacken aus der Krone?
Tut das weh?
Nein, anniebae, das tut nicht weh. Ich lebe zur Zeit Abstinent vom Alkohol. Ich brauche nichts, habe kein Verlangen, hin und wieder mal Gedanken, die sich handhaben lassen. Sehr erleichtert auch, das Schreckgespenst der lebenslangen Abstinenz hinter mir gelassen zu haben.
Aber dass ein Vorfall nicht gleich
„das Ende“ bedeutet, dass es nicht großherzig
„als zum Krankheitsbild dazuhörig“ deklariert wird, dass ich mich nicht groß rechtfertigen muss, sondern selbst entscheide, wie ich es sehe, dass ich
keine Angst vor einem Abbruch der Therapie haben muss und dann
völlig alleine da stehe oder der
Gnade meiner Therapeuten ausgeliefert bin...:
Das bedeutet mir sehr viel. Ich kann noch nicht mal alles in Worte fassen, was sich verändert hat, aber das muss ich auch nicht.
Mir geht es um Suchtfreiheit! Nicht um ein aufgezwängtes Abstinenzgelübde um jeden Preis. Die Alkoholtherapien, die hier in Deutschland stattfinden, sind zum großen Teil langfristig einfach wirkungslos. Beziehe das bitte mal in deine
Solidargemeinschaftsidee mit ein.
Die Frage ging zwar an Lisa und wurde auch schon sehr präzise von ihr beantwortet, aber ich bin mal so frei:
anniebae hat geschrieben:
Würdest du dich der Bedingung, alle sechs Monate einen einfachen labortest zu machen als Vorasussetzung für die Therapieverlängerung mit Baclofen verweigern?
Warum?
Nein! Weil ich mich mit aller Kraft gegen die
monopolistische Therapiediktatur wehre, die ein Relikt aus längst vergangenen Zeiten darstellt, die den Alkoholiker entmüdigt und demütigt und ihm – ohne auf seine persönliche Geschichte und seine Persönlichkeitsstruktur einzugehen – ein nicht funktionierendes Konzept überstülpt,
das mitunter sehr viel mehr Schaden anrichtet, als nachhaltig zu helfen.
Selbstherrliche und/oder unfähige Therapeuten und Ärzte tun ihr übriges dazu (leider selbst oft genug mitbekommen).
Es geht uns doch um nachhaltige Hilfe und nicht um Ruhigstellung, oder?
Danke für Deinen Einblick in Deine Arbeit, ich möchte weiß gott nicht mit Dir tauschen und verstehe Dein Anliegen durchaus. Aber Du vertrittst, wie weiter oben schon ausgeführt nur einen Bruchteil der Suchtkranken, und selbst da,
oder gerade da, sehe ich ein Festhalten am Abstinenzzwang als äusserst heikel an. Meine Meinung.
Dir aber dennoch einen großen Respekt für Dein Engagement bezüglich Baclofen, auch wenn wir in den wichtigen Fragen unterschiedlicher Meinung sind.
LG Nordlicht