Antwort erstellen

Dieters Durst

Montag 2. Januar 2012, 21:20

Hallo Forum,

ich bin Dieter und habe mich im Bereich "Neuvorstellung Mitglieder" vorgestellt. Titel: "Hallo, ich bin neu hier und möchte mich vorstellen". Geistreich, gell?

Noch mal ganz kurz: Ich bin am 19.11., verkatert wieder mal auf der Suche nach einem hilfreichen Alkoholiker-Netzwerk, auf den Begriff Baclofen gestoßen, habe Ameisens Buch noch am selben Abend gekauft, die nächsten Tage gelesen und sofort Hoffnung geschöpft, nach 25 Jahren alkoholischer Achterbahnfahrt. Seit 6.12. nehme ich Baclofen, anfangs 3x6,25 = 18,75 mg, jetzt nach kleineren Aufs und Abs 12,5/12,5/6,25 = 31,25 mg, wobei ich die höheren Dosen gegen 12 und gegen 18 Uhr nehme und die kleine später am Abend. Seit 2.12. bin ich jetzt alkfrei, abgesehen von einem Bier (0,4l) am 26.12., das mir nicht schmeckte und kein Bedürfnis nach "mehr" auslöste. Meine Frau hat das Buch auch gelesen, ist heilfroh und unterstützt mich. Wir haben zwei Kinder, eins in der Grundschule, eins im Gymnasium. Beruflich bin ich auch durch Zufälle und glückliche Umstände noch ganz gut und ungeschoren am Ball.

Meine Packung aus dem Internet (30x25 mg) geht gerade zur Neige, glücklicherweise habe ich eine verständnisvolle Hausärztin, die das Buch auch gelesen und mir 100x25 mg als Privatrezept verschrieben hat. Dafür habe ich die "Oberhausener Vereinbarung" unterschrieben, die man in diesem Forum runterladen kann.

"Dieters Durst" soll immer wieder mal dokumentieren, wie alles weitergeht. Eure Lebenszeichen sind ausdrücklich erwünscht!

Ein paar Sachen sind schon anders, seit B ins Leben trat. Zum Beispiel kann ich mich kaum an Träume erinnern. Das war nach Suffnächten natürlich auch immer so, aber nach nüchternen Nächten anders. Jetzt sind alle Nächte nüchtern und mein Leben hat neu begonnen. Alkohol, der alte sadistische Sklavenhalter, hat abgedankt und ich habe ihn mitsamt seiner Ketten von meiner Farm gejagt, mit einer Baclofen-Machete im Anschlag.

Gott sei dank, ein Wunder, die Rettung meines Lebens. Von daher jammere ich auf hohem Niveau: Die Träume sind weg, wie gesagt. Und die Grundruhe, die B bewirkt und moonriver so schön beschrieben hat, droht manchmal in ein debiles Dauergrinsen zu erstarren. Auch das Kurzzeitgedächtnis, dank Alk eh stark löcherig, scheint eher noch schlechter zu werden.

Ah ja, an einen Traum, paar Nächte her, kann ich mich doch erinnern. Meine Armbanduhr, edles Werbegeschenk eines Verlages, entpuppte sich als billiger Tand, ausgerechnet als sie mein Sohn stolz einem Mitschüler zeigen wollte. Sie blieb nämlich stehen, und um sie wieder flott zu kriegen, musste man eine Art Bändel mechanisch durchs Zifferblatt ziehen und dabei immer wieder irgendwas drehen. Es war völlig lächerlich und die Situation für meinen Sohn und mich peinlich.

So, damit lass ich Euch wahrscheinlich etwas ratlos zurück.

Altersmilde grüßt Euch der familyman

Dieter

Re: Dieters Durst

Montag 2. Januar 2012, 22:23

Lieber Dieter,

leider bin ich kein Anhänger der Psychoanalyse und kann Deinen Traum mit der Uhr nicht deuten....."es wird Zeit" oder so, wär ein Versuch.

Dass Du fremden Menschen nun täglich ein Lächeln schenkst, finde ich nicht so schlimm, das mit dem Kurzzeitgedächnis wird sich hoffentlich bald "einpendeln".

LG jivaro

Re: Dieters Durst

Dienstag 3. Januar 2012, 16:38

Hallo jivaro,

danke!

Alles wird licht und leicht,
wenn dich ein Lächeln erreicht.
Wenn es dein Schweigen bricht.
Alles wird leicht und licht.


Hallo alle,

das mit den Träumen: Gibt es ähnliche Erfahrungen? Je länger ich nach Traumresten aus den letzten Wochen (also unter Bac-Einfluss) stöbere, desto mehr erinnere ich mich doch wieder an einzelne Fetzen, und immer an Fetzen mit Alk. Ich beim Bunkern, Sichern, heimlich Trinken... Oder verkatert sein und der Tag ist gelaufen, Bewegungen wie ferngesteuert und man will nur raus aus dem Film... - na ja, wem erzähl ich's...

Nie mehr dorthin zurück, keinen Kater mehr bis zum Lebensende, keinen einzigen, das ist mein Ziel. Klingt angehoben, anmaßend und naiv nach viereinhalb Wochen. Aber mit Baclofen nicht unmöglich...?

Vielleicht doch noch ein Wort zum altersmilden Lächeln: Ja, heute kann ich gelassen bleiben. Früher brannte ich innerlich, war unruhig, fahrig, angespannt, grüblerisch, wollte immer recht haben. Der erste Schritt zu mehr Gelassenheit war vor Jahren Arsenicum Album, ein Globulus vom Weißen Arsen, das mein inneres Brennen, mein "Arsen-Gefühl", deutlich dämmte. Wie Homöopathie funktionieren soll, wenn molekular nichts mehr nachweisbar ist, weiß ich natürlich auch nicht. Aber hat nicht recht, wer heilt? Alles auf Placebo zu schieben, scheint mir nach meinen eigenen Erfahrungen jedenfalls zu simpel.

Schritt zwei war stofflicher, nämlich Johanniskrautkapseln. Nehme ich seit Sommer, eine am Tag. Tut mir gut und unterstützt das Arsen, jedenfalls habe ich diesen Eindruck.

Was blieb, waren Saufdruck-Suff-Selbstvorwürfe-Saufdruck-Suff-Selbstvorwürfe-Saufdruck-Suff...

Mit Baclofen so völlig befreit davon zu sein, fühlt sich nach wie vor wie ein Wunder an. Lasst und was draus machen in 2012, lasst uns einfach ein gutes Jahr daraus machen.

Wünscht allen hier im Forum:

familyman Dieter

Re: Dieters Durst

Mittwoch 4. Januar 2012, 16:54

Hallo Forum,

bin heute von "Lioresal" (Novartis) auf "Baclofen" (Aliudpharma) umgestiegen, einfach weil Lioresal (hatte ich in Spanien bestellt) aufgebraucht war. Bemerke keine anderen Nebenwirkungen - also gar keine. An der Dosierung werde ich demnächst vielleicht doch noch mal schrauben und auf die 6,25 mg am späteren Abend verzichten. Dann wäre ich wieder bei 2x12,5 mg, damit war ich vor Weihnachten eigentlich gut zurechtgekommen. Bevor ich das versuche, muss ich aber erst wieder ganz gesund werden. Seit einer Woche hält mich eine Bronchitis in Schach, heute, am dritten Tag mit Antibiotikum und viel Ruhe und Thymian-Spitzwegerich-Tee im Rahmenprogramm, scheint es in kleinen Schritten wieder aufwärts zu gehen. Zum Glück ist in der Firma noch nicht wieder so viel los und ich konnte mich für diese Woche ohne schlechtes Gewissen (und meine Hausärztin hatte es dringend empfohlen) krankschreiben lassen.

2012 wird gut!

Wünscht allen hier im Forum:

familyman Dieter

Re: Dieters Durst

Mittwoch 4. Januar 2012, 19:28

Familyman hat geschrieben:Nie mehr dorthin zurück, keinen Kater mehr bis zum Lebensende, keinen einzigen, das ist mein Ziel. Klingt angehoben, anmaßend und naiv nach viereinhalb Wochen. Aber mit Baclofen nicht unmöglich...?

Was blieb, waren Saufdruck-Suff-Selbstvorwürfe-Saufdruck-Suff-Selbstvorwürfe-Saufdruck-Suff...

Mit Baclofen so völlig befreit davon zu sein, fühlt sich nach wie vor wie ein Wunder an. Lasst und was draus machen in 2012, lasst uns einfach ein gutes Jahr daraus machen.



Hallo Dieter,

ja, Baclofen wirkt, ich habe es als Anti-Suchtdruck-Mittel selbst erfolgreich getestet. Damit begonnen habe ich fast genau vor einem Jahr.
Was ich heute anders machen würde: ich würde nicht nur auf Baclofen setzen, sondern auf eine Kombination von diesem Medikament und einer Therapie.
Ich sage extra unspezifisch "Therapie", denn eine solche, die sich mit Baclofen ergänzt, ist wohl noch nicht existent. Sollte eine Suchttherapie sein, aber mit dem Wissen um eine potente Anticravingsubstanz.

Ich selbst gehe ein Mal pro Woche zur Gruppen-Psychotherapie (systemisch/verhaltenstherpeutisch), um den "roten Faden" nicht zu verlieren - es ist dennoch bisweilen schwer.
Der Anfangseffekt von Baclofen ist in der Tat erstaunlich bis unglaublich, doch rechne damit, dass er sich abschwächen kann. Muss nicht sein, habe ich aber bei mir und anderen beobachtet. Mich hat der erste Effekt (der so ca. 4 Wochen anhielt) richtiggehend umgehauen. Und - logisch, bei dem Erfolg - leichtsinnig gemacht.

Auf Dauer ganz abstinent leben zu wollen, das erfordert *meines Erachtens* einen Weg, der mehr enthält als ausschliesslich Baclofen.
Und wenn dein Ziel "moderates Trinken" ist, erfordert dies auch erst einmal eine Weile Abstinenz.

Alles Gute Dir!
Diana

Re: Dieters Durst

Mittwoch 4. Januar 2012, 19:39

Hallo
familyman Dieter

Ich wünsche Dir gute Besserung und baldige vollständige Genesung!

Hinweis: Es wurde im Forum berichtet, dass fiebrige Infektionen die Wirkung von Bac herabsetzen können. Selber habe ich damit keine Erfahrungen. Bei Dir scheint es sich aber nicht nachteilig auszuwirken.

Finde sachte "Deine" Dosis.

LG
moonriver

Re: Dieters Durst

Donnerstag 5. Januar 2012, 16:33

Hallo Diana,

danke für Deine warnenden Worte. Allein auf Baclofen zu vertrauen, kann früher oder später schiefgehen - das leuchtet ein. Aber eine Therapie? Mit Gesprächstherapien habe ich zwar wenige, aber ausschließlich negative Erfahrungen, mit Therapiegruppen sieht es ähnlich aus. In eine SHG habe ich es vor vielen Jahren mal für ca. 1/4 Jahr regelmäßig geschafft, fand die Monologe aber mehr und mehr unergiebig und ermüdend. Am effektivisten gegen Alk war bei mir immer der Sport. Ich bin Läufer, dieses Jahr will ich meine Halbmarathonzeit weiter verbessern. Klingt vielleicht nach ungesundem Ehrgeiz, aber sportliche Ziele funktionierten bei mir als Ansporn immer recht gut. Laufen als Freiheitserlebnis, bestimmte Zeiten als Krönung. Vielleicht ist das meine Art von Therapie.
Jedenfalls habe ich die Hoffnung, dass Baclofen der eine, entscheidende Baustein ist, der all die Jahre gefehlt hat.

Hallo moonriver,

danke für Deine Wünsche und den Hinweis! jivaro hatte mir eine ähnliche Empfehlung gegeben, seitdem liegt meine Dosis bei 31,25 mg statt 25 mg.

Hallo Forum,

das Problem, das Diana anspricht, liegt vielleicht auch in der unklaren Zielsetzung begründet: Totale Abstinenz ja oder nein? Was will ich eigentlich? Habt Ihr es für Euch klar definiert? Meine Wunschvorstellung sieht ungefähr so aus: Totale Abstinenz ja, aber nicht zwanghaft, nicht AA-verbissen, was dank Baclofen ja offenbar auch gar nicht nötig ist. Wenn doch mal Alk, dann in klar definierten Grenzen und jedenfalls so, dass kein Kater folgt.

Klingt gut, oder...?

Herzlich grüßt Dieter, der demnächst hier erzählen will, was er mit "Dieters Durst" eigentlich meint

Re: Dieters Durst

Donnerstag 5. Januar 2012, 19:06

@Dieter,

nachdem „Therapie“ die Maßnahmen zur Behandlung von Krankheiten bezeichnet, ist Deine Lauftherapie als „eine Therapiemaßnahme“ in diesem Setting möglicherweise goldrichtig. In meinem Setting wäre der Halbmarathon schon altersbedingt die falsche Wahl. :D

Klingt gut, oder...?
darauf gibt es nur eine Antwort: ja, klingt gut ... aber das weißt Du ja.

LG Federico

Re: Dieters Durst

Donnerstag 5. Januar 2012, 23:42

Hallo Federico,

Lauftherapie, genau. Dieses Wort hatte ich gesucht, danke! Also Laufen statt Saufen. Das hat bisher immer mal so, mal so geklappt. Mal hatte der Läufer die Oberhand, oft der Säufer. So blieb auch alle körperliche Fitness Stückwerk. Einem fitten Spätfrühling und Sommer mit wenig Alk und guten Laufergebnissen im frühen Herbst folgte der lange, düstere Ausklang. Einen Humpen für jeden gelaufenen Meter. Bis zum nächsten Frühling... Ich bin's so leid, dieses Auf und Ab. Wohl auch eine Art Jo-Jo, praktiziert seit Jahren. Wobei der Säufer im Zweifelsfall immer Einlass hatte, immer willkommen war. Trainieren wir halt nächste Woche wieder usw.

"Klingt, gut, oder?" klingt doof. Auch hierfür danke. Klingt überheblich und immer einem Schritt näher am Abgrund. GGG, so wichtig! Und Selbstreflexion, reinhören in den Dieter muss der Dieter...!

Federico, es muss nicht gleich der Halbmarathon sein, aber vom therapeutischen Nutzen sportlicher Aktivitäten muss ich Dir bestimmt nichts erzählen. 5 km gemäßigtes Laufen am Stück können auch schon ein schönes Ziel sein. Wie wär's?

Hallo Forum,

danke, einfach danke. Jeder Wortbeitrag setzt neue Denkprozesse in Gang. Hat jemand Sauf- und Lauferfahrungen?

Herzlich grüßt, noch immer bei 31,25 mg, noch immer ohne Craving, noch immer mit Bronchitis -

Dieter

Re: Dieters Durst

Freitag 6. Januar 2012, 08:33

Guten Morgen Dieter!

Da les ich mich selbst wieder....
Oh, DAS kenne ich leider auch. Ich treibe zwar nur normal Sport und fahre MTB und Motorrad, aber Alk hat mich da zu oft ausgehebelt!!!
Tagsüber auf der Arbeit noch die besten Vorsätze im Kopf, ab Feierabend dann die Ausreden, weil ...weil...
Mann, hab ich mich selbst verarscht - wußte ich aber auch, trotzdem!
Extra hab ich einen teuren Vertrag im Studio abgeschlossen, als treibende Kraft das Geld, hilft nicht, wenn der Idiot in meinem Kopf wieder loslegt.
Die schönsten Rad- und Motorradtouren bei tollstem Wetter absagen müssen, weil....
Ich hab mich so sehr gehaßt dafür, konnte aber trotzdem nicht anders.
Was hab ich DAFÜR alles an Schönem verpaßt!!!

Nun bin ich ja noch in der Beginnerphase des Königsweges und merke nichts.
Aber ab Sonntag will ich wieder mit Sport beginnen, weil ich weiß, wie sehr gut mir das tut!
NOCH muß ich kämpfen mit leichtem Druck, hoffe aber endlich bald auf die Erlösung von diesem Kraftakt...

Für Dich und Deinen wunderbaren Weg weiter nur das Beste!
Wär ich nur auch schon da...

lg Angelika
Antwort erstellen