Montag 16. August 2010, 17:56
1. Was ist zu verstehen unter "normalem Trinken", "sozialem Trinken" und "moderatem oder mäßigem Trinken"? (Definitionen)
Von normalem Trinken kann gesprochen werden, wenn jemand ohne vorherigen Trinkplan aus der Situation heraus entscheidet,
ob er Alkohol (weiter) trinken will oder nicht.
In diesem Sinne wäre zum Beispiel in folgenden Fällen von normalem Trinken zu sprechen:
Jemand geht ohne bestimmten Trinkvorsatz auf eine Geburtstagsfeier. Dort stellt er fest, dass er im Moment Lust auf Orangensaft hat und trinkt deshalb nicht den ihm angebotenen Sekt. Oder: Jemand sitzt vor dem Fernseher und hat keinen Plan, wie viel Alkohol er an diesem Abend Trinken wird. Aus Gewohnheit öffnet er eine Flasche Bier und bemerkt nach einiger Zeit, dass er einen >dicken Kopf< bekommt. Deshalb verzichtet er an diesem Abend auf weiteren Alkoholkonsum.
Von sozialem Trinken kann gesprochen werden, wenn der Alkoholkonsum sich im Rahmen der von einer Gesellschaft für akzeptabel befundenen Trinkgepflogenheiten bewegt.
Das Glas Sekt bei einem Sektempfang, das 'gepflegte Glas Bier' beim Stadtfest, die 1 bis 2 Gläser Wein beim Besuch von Freunden, das Bier beim (nicht ausufernden) 'Frühschoppen': All das sind - wenn der Alkoholkonsum nicht überhand nimmt - Beispiele für soziales Trinken.
Obwohl gerade der Begriff des 'sozialen Trinkens' einigen Auslegungsspielraum eröffnet und von der herangezogenen sozialen Norm bzw. Vergleichsgruppe abhängig ist, sind doch Grenzbestimmungen möglich.
Ein Trinkverhalten, das z.B. die Arbeitsfähigkeit oder familiäre Pflichten beeinträchtigt, mit Gewaltausbrüchen einhergeht oder die Kriterien der physischen oder psychischen Abhängigkeit erfüllt, wird zumindest in unserem Kulturkreis üblicherweise nicht als soziales Trinken eingestuft.
Von moderatem oder mäßigem Trinken kann gesprochen werden, wenn der Alkoholkonsum weder auf körperlicher, psychischer, familiärer, sozialer, arbeitsbezogener, finanzieller noch juristischer Ebene Probleme oder Schäden nach sich zieht.
'Moderates Trinken' ist damit nicht dem 'kontrolliertem Trinken' gleichzusetzen.
Von dem für Alkoholmissbrauch und -abhängigkeit zuständigem Teil der US-amerikanischen Gesundheitsbehörde (National Institut on Alcohol Abuse and Alcoholism - NIAAA -) wird moderates Trinken wie folgt definiert:
"Moderates Trinken lässt sich als ein Alkoholkonsum definieren, der weder bei einem selbst noch in der Gesellschaft Probleme nach sich zieht" (1992).
Wo man die Grenzen moderaten Trinkens festlegt, hängt vom wissenschaftlichen Erkenntnisstand und den sozialen Konventionen ab. Die internationale Diskussion, bis wann noch von moderatem Trinken zu sprechen ist, orientiert sich nahezu ausschließlich an der somatischen Ebene (und vernachlässigt negative soziale, finanzielle u.a. Folgen).
Wie hoch die Grenzwerte im Hinblick auf einen körperlich nicht riskanten Konsum anzusetzen sind, ist umstritten. Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) schlägt gegenwärtig täglich 20g Reinalkohol bei Frauen und 40g bei Männern als Obergrenzen für (vermutlich) nicht schädigenden Alkoholkonsum vor. Das entspricht bei Frauen etwa einer 'Standard-Getränkeeinheit' von 0,5l Bier (5%) oder 0,2l Wein bzw. Sekt (12,5%) oder drei einfachen Schnäpsen (40%); für Männer ist die doppelte Menge (zwei 'Standard-Drinks') anzusetzen.
Das National Institut on Alcohol Abuse and Alcoholism - NIAAA - (US-amerikanische Gesundheitsbehörde) setzt die unschädliche Tagesmenge an Alkohol wesentlich niedriger an: ca. 12g bei Frauen und Menschen über 65 Jahren, ca. 24g bei Männern. Körperlich Vorgeschädigten, Schwangeren und 'trockenen' Alkoholabhängigen wird völlige Abstinenz empfohlen.
Die Britische Ärztevereinigung sprach 1995 Empfehlungen für wöchentliche Höchstmengen aus und bemisst diese auf 112g Alkohol bei Frauen udn 168g bei Männern. Außerdem werden 1-2 abstinente Tage pro Woche empfohlen, wodurch man bei einer nicht schädigenden maximalen Tagesmenge von etwa 20g bei Frauen und 30g bei Männern angelangt.
Resümee: Es gibt unterschiedliche Grenzwertfestlegungen für körperlich wahrscheinlich nicht schädlichen Alkoholkonsum. Alle Grenzwerte bewegen sich in einem Bereich, der von Millionen Deutschen fast täglich überschritten wird. Insofern ist die Frage, welcher Grenzwert nun der richtige sei, müßig: jeder von ihnen kann mit Gewinn für die Orientierung im Alltag herangezogen werden.
Meine persönliche Definition von moderatem Trinken geht über die derzeitigen Standards hinaus: 1 bis 2 Standard-Drinks, an nicht mehr als 2 Tagen in der Woche.
Quellen:
http://www.aerzteblatt.de/v4/archiv/art ... p?id=31285
http://www.alkohol-und-baclofen-forum.d ... .html#2770
http://www.uni-wuerzburg.de/fileadmin/3 ... nkless.pdf