Donnerstag 28. Mai 2015, 18:24
Hallo, Ihr Lieben,
da bin ich wieder. Nachdem meine Hausärztin mir vor 7 Wochen Baclofen verschrieben hat, bin ich jetzt auch seit 6 Wochen „dabei“ und wollte mal einen ersten Zwischenbericht geben, wie es bei mir so läuft. Ich nehme Baclofen dura von Mylan (10 mg) und bin bei Tag 39 – eigentlich erst – bei 70 mg/d und hänge somit eine Woche hinterher. Ich habe mir am Anfang Zeit gelassen, da ich noch verreist war und länger Auto fahren musste.
Die Nebenwirkungen sind auszuhalten und beschränken sich auf die auch von anderen beschriebenen. Dazu gehören ab und an Müdigkeitsattacken, Mundtrockenheit, aber auch ein deutlicher Rückgang meines natürlichen Durstes, also dem nach Wasser. Ich habe seit Jahrzenten immer ein Glas Leitungswasser in Reichweite, auch schon in meiner Jugend und in allen „trockenen“ Phasen. Jetzt habe ich kaum noch Durst und muss mich fast ans Trinken selbst erinnern. Darüber hinaus habe ich auch sehr plastische Träume, noch extremer als damals während meiner Psychoanalyse und den Verhaltens- und Gesprächstherapien unter SSRI. Das ist wirklich das unglaublichste Kopfkino, das ich je hatte, und ich find’s genial.
Was Baclofen zuerst getan hat, war im Prinzip seine On-Label-Wirkung zu erfüllen, d.h. meine Muskelverspannungen lockern sich, v.a. im Nacken-/Schulterbereich und um den Brustkorb. Also überall da, wo die Angst mich fest im Griff hat/hatte. Zudem habe ich - auch schon seit über 20 Jahren - eine Blockade in der Hüfte (ISG), gegen die sich komplett aufzurichten schmerzhaft ist. Dagegen hatte ich auch schon mehrfach Krankengymnastik, Elektrotherapie, Kiesertraining, Atemtraining, nichts hat wirklich geholfen. Um die Schmerzen zu vermeiden, habe ich mir eine Schonhaltung angewöhnt, und mich dagegen und gegen die Verkrampfungen im Oberkörper (den „Stahlgürtel“) abends regelmäßig natürlich mit Alkohol „entspannt“. Letztes Jahr habe ich dann im Zuge meiner KG nach dem Unfall dann zum ersten Mal Manuelle Therapie verschrieben bekommen, und dann wurde es ein wenig besser (da wurde dann auch eine „verrenkte“ Rippe wieder an ihren Platz gebracht, was vorher niemandem aufgefallen war). Aber unter Baclofen lockert sich nun sogar die Hüftblockade, ich komme gut gegen die Schmerzen an, meine Atmung wird gleichmäßiger, kommt öfter im unteren Rücken an und die unwillkürlichen Atemaussetzer werden seltener! Außerdem habe ich jetzt wunderbar gleichmäßig warme Hände und Füße.
Und jetzt kommt’s: meine Angst wird weniger

! Die Stimme meiner Erziehung, die mich immer maßregeln will, hält öfter mal die Klappe, weniger zwanghafte Gedanken wie „mein Gott, was könnte alles schiefgehen, wenn ich das oder das mache“ („parasitäre Gedanken“, wie es OA so treffend genannt hat), ich bin irgendwie konzentrierter und doch entspannter im Kopf und mehr bei mir selbst. Ich kann mich an einen einzigen Tag erinnern, das was vor ca. 15 Jahren, da bin ich mitten in der Woche morgens aufgewacht, und war komplett angstfrei. Ich habe keine Ahnung, was in dieser Nacht in mir passiert war, und leider verabschiedete sich dieses wunderbare Gefühl auch schnell wieder. Aber es gab mir eine Ahnung davon, wie es sein könnte, ohne Angst zu sein. Es war der Himmel! Und wenn das mit Bac dann bei höherer Dosierung so weitergeht, dann bin auch ich bereit, an Wunder zu glauben … Ein Leben ohne Angst! Dafür sollte Dr. Olivier Ameisen ein Denkmal errichtet werden, zu dem wir dann alle einmal im Jahr „pilgern“ könnten, uns kennen lernen und persönlich austauschen

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Ich muss allerdings zugeben, dass ich immer noch Alkohol trinke. Nicht mehr regelmäßig und nicht mehr so viel, aber eben immer noch. Aber: es „funktioniert“ nicht mehr, d.h. ich werde nicht mehr be-trunken, der Rausch bleibt aus. Nur mein Körper entspannt sich noch mehr. Mein Saufhirn hat sich anfangs gedacht „Oh Mist, dann muss ich halt noch was nachschütten!“. Blöd, ich weiß, aber es hat die letzten 30 Jahre Regie geführt und lässt sich nicht so schnell entmachten. Aber ich glaube, ich weiß, warum ich das tue. Ich laufe immer noch vor der Lösung drängender Probleme davon, sprich: einen Job zu finden, meine Vergangenheit, meine Wohnung und meinen Keller auszumisten, und die Isolation meiner „Höhle“ zu verlassen. Aber ich arbeite dran, Schrittchen für Schrittchen ….
Ich habe in den letzten Wochen viel im Forum gelesen und es ist ein so schier unendlicher Fundus an Informationen, Tipps und Inspiration, dass ich mich an dieser Stelle sehr herzlich dafür bedanken will

. Für all die Erfahrungsberichte, Weisheiten, Sachinformationen und –hinweise, Video-Postings und Buchtipps (ich beschäftige mich derzeit z.B. mit „I could do anything, if I only knew what it was“ von Barbara Sher, weiß leider nicht mehr, wer das empfohlen hatte).
Sorry, ist jetzt ein ziemlicher Roman geworden, aber das musste ich jetzt einfach alles mal loswerden.
Dankbar und zuversichtlich,
Becky