Montag 16. Juni 2014, 11:22
@lisa
Wenn ich so streng und unbarmherzig mit mir sein muss, wie viel an mir ist dann womöglich sonst noch falsch? Was lauert da noch tief unten in mir? Und damit rutsche ich ab in tiefste Zweifel an mir selbst und meiner psychischen Gesundheit, suche und finde Fehlentwicklungen und Charakterfehler, vergrössere meine Ängste und überantworte mich den Fachleuten.
Nicht nur ich, auch mein Partner sagt mir heute mit Überzeugung: Mit Antabus bist du stehen geblieben, ausgebremst.
Nun, ich muss gestehen, dass ich vor 10 Jahren mindestens so erleichtert war eine Option zu haben, wie heute mit Baclofen.
Mir war damals klar: Wenn ich die Dinger nehme, dann
kann ich einfach nichts mehr trinken.
Ergo: Kein
Spiel mit dem Feuer mehr möglich, kein sich fragen, ob vielleicht doch zu gewissen Anlässen....
kein Engelchen (links), Teufelchen (rechts)- Spiel mehr,
klare Sache, klare Ansage!Wahrscheinlich hätte ich mir Antabus auch in den Arsch implantieren lassen, um die Sache noch rigoroser und sicherer zu gestalten.
Warum? Als das Ergebnis von Verzweiflung, purer Verzweiflung, denn ich konnte mit allen anderen HIlfsangeboten nichts anfangen (und Baclofen war noch nicht bekannt).
Letztendlich war Antabus das Gegenstück zur Therapie - bei regelmäßiger Einnahme -
ein geschützter Raum (in mir).
Durchaus - vor 10 Jahren - mit Erfolg.
Für ein Jahr. Danach dann wieder kompletter Rückfall in alte Verhaltensweisen - für gute 7 Jahre. Also kann man von wirklicher weiterentwicklung nicht sprechen @Lisa . Wie auch? Abstinenz steht für mich nur sehr, sehr bedingt, bei nur ganz wenigen Menschen, für Weiterentwicklung.
Komplett verdammen würde ich Antabus also nicht. Und ich habe noch immer die Bilder vom letzten Sommer aus dem UKE im Kopf, wenn Freitags die Leute kamen, um sich ihre Wochenration Antabus geben zu lassen. Rein äusserlich sah man den meisten ihren Alkoholismus nicht an, aber die Blicke, wenn man mit ihnen sprach....diese ratlosen, irritierten, ja gar verschämten Blicke, wenn sie darüber sprachen "
ja, ne, also , ist mir wirklich lieber, wenn ich Antabus nehme...ist sicherer, dann kann ich einfach nicht trinken!! Dann komm ich lieber einmal die Woche hierher und nehm das und hab dann Ruhe...ne wirklich, ist besser, sonst kann ich für nichts garantieren...ne, ist wirklich besser so...."
Ich habe mir dann jeglichen Kommentar (und ich hätte ja aufgrund meiner Erfahrungen mit Antabus was dazu sagen können) verkniffen, nur ist mir in dem Moment wieder mal klar geworden, wie viel Verzweiflung mit dieser Krankheit einher geht, dass man wirklich zum allerletzen Strohhalm greift.
Zum Alita - Projekt: aggressives Vorgehen der Therapeuten. Was meint ihr, was ich mir an meinen Entzugstagen für Vermeidungsstrategien ausgedacht habe. Dagegen ist Alita ein Scherz, das ging dann schon eher in Richtung Stephen Kings Quitter's Inc. Morrison - Nichtrauchergeschichte aus Katzenauge. Ja, wirklich! Wenn anderes nicht greift, die Persönlichkeitsstruktur eines Menschen dies zumindest temporär zulässt, dann sehe ich in Antabus - schweren Herzens - doch auch immer noch eine Option.
Das
Spiel mit dem Feuer, das
soll ich - oder soll ich nicht - Denken, zumindest bei mir immer auch ein ganz wesentlicher Punkt meiner Sucht (mit erfolgreichen Überredungsversuchen
"nur heute!!") , könnte damit ausgeschaltet werden. Bei mir nun nicht mehr, aber bei anderen schon.
Nochmal: Kein -
absolut kein - Plädoyer für Antabus. Nur der Versuch einer etwas differenzierteren Betrachtungsweise.
Das allerdings - und das ist der eigentliche SKANDAL! - ein Medikament wie Antabus als Aufhänger für einen Bericht, der Medikamente gegen Sucht anpreist, genommen wird und die vorhandene, deutlich sicherere, wirkungsvollere Alternative, dann fast nur kurz zum Schluss hin genannt wird, das will mir nicht in den Kopf!
Und die Aussage
"wer heilt, hat recht" von diesem Dr. Behrend, zeigt mir, dass er doch dieser Alternative gar nicht mal so negativ gegenübersteht. Warum also?
LG Sebastian