Antwort erstellen

Re: Dieters Durst

Mittwoch 21. November 2012, 11:41

Das ist schon ein Riesenpfund, es ist die Entdeckung meines Lebens.
@Dieter,

ich denke damit sprichst Du vielen aus der Seele z. B. mir. Ich hätte es so nicht zu sagen gewagt, ich bin ja als Wanderprediger verschrien und diesem Affen muss ich nicht noch Zucker geben ...

So aber kann ich Dir beipflichten und ganz bescheiden zustimmen, es ist auch die Entdeckung meines Lebens. Thanks O. A. und danke Dieter für Deinen Beitrag.

LG Federico

Re: Dieters Durst

Dienstag 6. August 2013, 02:19

Hallo Ihr Lieben,

es wird Zeit für ein Lebenszeichen. Auch um klarzustellen, dass ich den Feind zu leicht genommen habe, will heißen, trotz kontinuierlichen Trainings uns weiterer guter Laufergebnisse kamen die Einschläge immer häufiger, bis ich zuletzt, d.h. die vergangene ca. zwei Monate, ganz ohne Baclofen durch die Welt fiel und immer öfter hinfiel dabei. Ein Ruck muss durch Deutschland gehen, meinte der damalige Bundespräsident Herzog seinerzeit in seiner berühmten Ruck-Rede, und jetzt muss ein Ruck durch den Dieter gehen, und das tut es.

Auch dank rog, der mich vor einigen Wochen angemailt hat, habe ich den Weg zurückgefunden zu Baclofen, aktuell bin ich jetzt seit vier Tagen clean, das sind vier freundliche Glatzköpfe auf meinem Tischkalender, auf dem ich täglich die Alkoholmenge des Vorabends, umgerechnet in halbe Liter Bier, notiere, und die Nullen male ich zu lächelnden Gesichtern aus, so dass sie aussehen wie freundliche Glatz- oder Eierköpfe. Vier Tage sind natürlich ein Witz und doch eine ganze Menge, vier Morgende ohne Kater und Selbstvorwürfe, ohne Erinnerungsaussetzer, für die mittlerweile schon eine 5, sicher aber eine 6 auf dem Tischkalender ausreicht. Einser bis Vierer gibt es übrigens so gut wie nie, mehr als zwei Nullen in Folge aber auch kaum noch, dafür Serien von fünf bis sechs Sechsern in Folge, und am Ende einer solchen Serie bin ich eigentlich bereit zu sterben.

Ich weiß schon, wie pathetisch das klingt, aber Ihr wisst, wie es gemeint ist. Es ist so paradox, ich bin körperlich extrem fit, schnell, ausdauernd, und doch ein abhängiges Wrack. Aber die großen Laufziele dieser Saison Anfang Oktober rücken näher, und so habe ich zwei Hoffnungen, eine lange Eierkopfserie hinzulegen, nämlich besagte Saisonziele (zwei Halbmarathons mit sehr ehrgeizigen Zeiten) einerseits, und die Wiedereinnahme von Baclofen (Lioresal) andererseits.

Meine Dosis liegt - allerdings wider die Lehre von jetzt auf gleich hochdosiert - bei 75 mg, verteilt auf 12, 14 und 16 Uhr (jeweils 12,5 mg), 18 Uhr (25 mg) und 20 Uhr (12,5 mg mit der Option, hier oder später weitere 12,5 mg draufzusatteln). Weniger darf es keinesfalls sein, und ich glaube, das war einer meiner Hauptfehler, nämlich zu schnell abzudosieren, was den Trinkwunsch stärkt und die zu geringe Bacdosis höhnisch hinwegfegt.

Stichwort Trinkwunsch: Baclofen in ausreichender Menge macht ihn vergessen. Aber wie lange? 75 bis 87,5 mg Baclofen, meine Gesundheit, mein Sport, meine Gedächtnisaussetzer und die damit verbundene Angst vor Alzheimer&Co., meine geliebte Familie, all das reicht auf Dauer vielleicht nicht aus gegen die Lust des Wiedertrinkens. Was fehlt also? Eine auf längere Sicht weitere Höherdosierung von Baclofen ist eine Option, vielleicht die entscheidende, vielleicht fehlt aber auch dann immer noch so etwas wie meine innere Mitte, der Weg zu mir selbst, mein Sinn des Lebens. Ich arbeite dran und bin froh und dankbar, wieder hier zu sein.

Herzlich grüßt Dieter

Re: Dieters Durst

Dienstag 6. August 2013, 06:15

Hallo Dieter,
toll, dass du die Kurve wieder gekriegt hast.
Ich wünsche dir ganz viele schön ausgemalte und verzierte Glatzköpfe auf deinem Schreibtisch und viele sportliche Erfolge !
LG, Werner

Re: Dieters Durst

Dienstag 6. August 2013, 07:50

Familyman hat geschrieben:vielleicht fehlt aber auch dann immer noch so etwas wie meine innere Mitte, der Weg zu mir selbst, mein Sinn des Lebens.

Hallo Dieter,

welcome back und Danke fürs Teilen. Was soll ich noch viel sagen, deiner zitierten Aussage möchte ich nur noch hinzufügen, auf der Suche nach der inneren Mitte, dem Weg zu sich selbst und dem Sinn des Lebens ist es vielleicht besser, sehr, sehr langsam zu gehen – nicht zu laufen. Man läuft sonst so leicht Gefahr, wichtige Dinge zu übersehen.

LG Federico

Re: Dieters Durst

Dienstag 6. August 2013, 09:24

Hallo Dieter

Schön, wieder von Dir zu hören.

Ich glaube, Du hast schlussendlich eine gute Erfahrung gemacht. Deine Bac-freie Zeit hat Dich nun von der Wirksamkeit überzeugen können.
Man läuft immer Gefahr zu denken, es wäre doch möglich, es abzusetzen. Bis einem die Wirklichkeit wieder eingeholt hat. Ich hatte auch schon Dosisreduktionen versucht, bis sich eine innere Unruhe bemerkbar machte. Das war dann das Signal zum wieder rauffahren.
Somit, finde Deine Dosis. Aber wie schon erwähnt: Laaaaangsam. 8er-Bahn fahren macht schwindlig...

Alles Gute
LG moonriver

Re: Dieters Durst

Dienstag 6. August 2013, 09:31

@Dieter

Schön, daß Du erneut Anlauf nimmst!

Was mich ein wenig irritiert sind die Gründe, die Du fürs Nicht-Trinken-Wollen anführst.Marathon.
Ich, Bennter, liebe Sport.Bin eitel. Mein Blutbild lieferte noch nie einen Hinweis auf meine Sucht.
Deshalb dachte ich laaaange Zeit, mein Problem sei ja nicht so schlimm wie der anderen Alkis. Fit,etabliert,sozial eingebunden etc. Hat sehr lange gedauert, bis ich begriff, daß ich immer wieder mich selbst anlüge.Wer wird schon gerne belogen?
Ich muß mich nicht selbst klein machen,so daß ich unter dem Teppich herkriechen kann, doch zumindest ich sollte ehrlich zu mir sein.
Warum auch jeder einzelne von uns hier zum Alkohol gekommen ist, das spielt aus meiner heutigen Sicht keine Rolle mehr. Wichtig ist nur, daß jeder SEINE Gründe benennen kann, sie in einen Zusammenhang mit seinem Leben/Lebenslauf bekommt und daraus aber auch Konsequenzen zieht.

Für mich unbeschreiblich schwer, die Sache mit der Konsequenz, denn da fängt es erst einmal an ,weh zu tun. Da ist kein "schönes Gefühl", wenn das Allheilmittel weg gelassen wird.Diese neuen Wege,Einsichten tun unglaublich weh.Mir jedenfalls, denn sie lassen mich und meinen doch schon recht langen Lebensweg in einem anderen Licht scheinen, als er meiner Wahrnehmung entsprach.

Der Lebensweg ist aber Vergangenheit.Niemand kann ihn mehr verändern. Ändern kann ich nur mich.Und nur heute.Große Angst habe auch ich immer gehabt, daß ein Therapeut mich und meine Ansichten bevormunden will.Oder mein Partner.Freunde. Letztendlich haben diese Menschen aber alle ihr ureigenes Leben. Und in diesem klar zu kommen, das ist ihre Aufgabe,nicht Bennter "umzuerziehen". Das muß der schon ganz alleine hinbekommen, wenn er als freier Mensch leben möchte. Das ist die Frage: wie groß ist Dein Wunsch nach Deiner inneren Freiheit?

LG
BE

Re: Dieters Durst

Dienstag 6. August 2013, 19:55

@Dieter

Schön, hast Du den Faden buchstäblich wieder aufgenommen. Zweites Mal, gutes Mal, mit deinen bisherigen Erfahrungen hast Du jetzt die besten Voraussetzungen.

Ich bin mir sicher, Du hast mein kleines Erfolgserlebnis in der Sinuskurve gelesen; in den letzten 4-5 Wochen habe ich mich sehr intensiv mit der ganzen Materie auseinandergesetzt, speziell was Rauschtrinkern betrifft. Es gab unterdessen Weltspitzenhilfe von @jivaro, @Federico, @moonriver, @Papfl und anderen.
Der Austauch mit @bennter ist eine Bereicherung um die Gefühlswelt und Beweggründe von Rauschtrinkern zu verstehen.

Wie wir wissen, hilft Sport und Laufen nicht wirklich gegen die Alkoholsucht. Höchstens ist es ein Mittel, genauso wie Meditation, positives Denken, das sich-mit-der-Materie-beschäftigen, um erfolgreich gegen die Sucht zu kämpfen. Die Kombination mit einer langfristigen, persönlich massgeschnittenen Baclofen-Dosis verspricht erfolgreiche Aussichten.

Das Laufen ist jetzt für mich fast die einzige Sportart, die ich noch ausübe. Es hilft, eine innerliche Ruhe zu finden, im Laufen kommen Ideen zum Vorschein, Lösungen zu Problemen, usw..
Aber! Man kann es nicht vergleichen mit baclofen. Baclofen macht soooviel mehr als Ausdauersport, 'repariert' sozusagen das Gehirn, verschafft unglaubliche Einsichten in die eigene Psyche, macht einen sozusagen 'verantwortungsvoller'.

Wichtig ist, Deine ganze Konzentration und Willenskraft nicht nur auf Laufen zu setzen, sondern Dich auch - vor allem jetzt! - auf den Alkoholkonsum zu konzentrieren, especially in H.A.L.T.-Situationen (hungry, angry, lonely, tired).
Meditation, positive Gedanken haben mir in den vergangenen paar Wochen e-r-s-t-a-u-n-l-i-c-h gut geholfen. Und lesen! Ein paar Büchertipps von @Federico und @tom sind Pflichtlektüre :D

LG

rog

Re: Dieters Durst

Mittwoch 7. August 2013, 00:49

@alle,

herzlichen Dank fürs Lesen, herzlichen Dank für die Kommentare, sie fühlen sich für mich an wie wieder nach Hause zu kommen. Diese zu lesen und über mich nachzudenken macht mir klar, dass ich viel stärker ein Getriebener, Suchender bin als ich es mir selbst eingestehen wollte. Klar ist das Laufen nur ein Element auf dem Weg zu mir selbst, aber ein sehr wichtiges. In einen positiven Dialog mit meinem Körper zu treten statt in einen negativen mit meinem Geist, das ist für mich eine Art Meilenstein, dessen Fundament aber Baclofen ist, und das ist nicht leicht zuzugeben. Dessen Wirkung ist für mich gerade jetzt wieder erstaunlich, weil es die Verbindung zum allfälligen Rettungsanker, der mich unter die Oberfläche treibt und dort absaufen lässt, kappt.

Ja, ich bin erst ganz am Anfang der Erkenntnis, und ich bin ratlos gespannt, gespannt ratlos, wohin sie mich führen wird. @Federico und bennter, Eure Mahnungen kommen sehr wohl an, aber schnell laufen und langsam den eigenen Weg finden schließen sich nicht aus. @rog, Deine Sinuskurve verfolge ich faszinert, und Deinen Hinweis auf die Fähigkeit von Baclofen und auf die HALT-Situationen nehme ich dankbar zur Kenntnis. @Moonriver, genau so ist es. Die Erkenntnisse aus dem Scheitern sind für den zweiten Anlauf wertvoller als alle graue Theorie.

Lesen, das werde ich jetzt auch wieder verstärkt, konkret habe ich mir den "Mann ohne Eigenschaften" von Musil vorgenommen, und ein zweites Mal Ameisens "My Way out", wobei mir beim ersten Mal auffiel, dass Sport und Bewegung für ihn so gar keine Rolle gespielt zu haben scheinen. Bitte korrigiert mich, wenn ich da falsch liege.

Fünf Eierköpfe lächeln mich an.

Herzlich grüßt Dieter

Re: Dieters Durst

Mittwoch 7. August 2013, 06:21

@all,
es tut so gut, all die in die Tiefe gehenden Beiträge zu lesen.
Ich kann die Gedanken/Emotionen richtig gut nachvollziehen, finde erstaunlich oft Parallelen zur eigenen Gefühls- und Erlebniswelt.
Für mich gibt es derzeit nichts besseres als das

Forum für Leute mit Alkoholproblemen

Dankbare Grüße an alle, die daran mitarbeiten, dass Baclofen endlich den Durchbruch schafft, bei immer mehr Ärzten, Suchttherapeuten, Psychologen...
Werner

Re: Dieters Durst

Mittwoch 7. August 2013, 21:46

@Dieter

Nein, Dr. Ameisen hat meines Erachtens keinen Sport getrieben. In seinem Buch The End of My Addiction, hat er, soweit ich mich erinnern kann, kein Wort darüber gesprochen. My Way Out ist zwar auch ein hervorragendes Werk im Streit gegen Alkoholsucht, aber ich meinte, von einem anderen Schriftsteller, aber ich kann falsch sein, verzeihe mir wenn's so ist...
Du nimmst Dir wirklich vor, Musil zu lesen? Wow, da fehlt mir der Mut, das Werk ist gigantisch!
Kleine Frage noch bez. Laufen: Jedes mal als ich einen Absturz hatte, konnte ich einige Tage nicht laufen, wegen Kater. Du hast vor kurzer Zeit fast jeden Tag einen 6er aufgeschrieben, wie konntest Du am nächsten Tag dann überhaupt laufen, geschweige denn 10km in sagenhaften 38'? Du musst tatsächlich topfit sein.
Jetzt bin ich 6 Wochen trocken und fühle mich langsamerhand fit für einen Lauf im Oktober. Ich halte Dich noch über meinen Fortschritt auf dem Laufenden!

LG

rog
Antwort erstellen