Sonntag 21. April 2013, 12:43
Lieber Gerald,
Deine Geschichte hat mich sehr beeindruckt – sie ist aufgrund des Lebensabschnitts 1999 – 2009 tatsächlich mehr als Beeindruckend. Nach Ansicht von deutschen Suchtmedizinern bist Du ein hoffnungsloser Fall. Wer es nicht schafft, lebenslang abstinent zu werden und zu bleiben, dem ist nach mehrheitlicher Ansicht von Suchtmedizinern nicht zu helfen.
Dass sich zumindest bei unseren Nachbarn andere Sichtweisen durchzusetzen scheinen, sollen Dir die zwei Zusammenfassungen aus Österreich und der Schweiz zeigen. Sie wurden von mir auf das Wesentliche verkürzt. Wer die kompletten Veröffentlichungen lesen möchte, findet sie in Werner's letzten Einträgen im Bereich „Medizinisches/Fachartikel“. Großer Dank an Werner!
1. Alkoholabhängige: Erkennen und individuelles Behandeln nach derTypologie nach LeschProf. O. M. Lesch, Prof. H. Walter, beide Wien
Zusammenfassend ist in der Therapie festzuhalten, dass heute starre Angebote für
„alle“ Alkoholabhängigen abzulehnen sind.
Dies gilt besonders, wenn die Regeln einer Institution (ambulant oder stationär) wichtiger genommen werden als die Bedürfnisse der Alkoholabhängigen. Stationäre Angebote, die weit weg vom Wohnort und ohne ambulante Nachbetreuung angeboten werden, verbessern nur sehr selten den natürlichen Verlauf. Eine individuelle Entzugsbehandlung und eine ambulante, spezifische, pharmakologische und psychosoziale Therapie nach Untergruppen von Alkoholabhängigen (z. B. Typologie nach Lesch) über mindestens 15 Monate haben die besten Therapieerfolge.
Rückfälle sind kein „Versagen“ des Patienten, sondern der Mechanismus der Rückfälle sollte zu einer Modifikation der therapeutischen Strategien führen.
2. Abhängigkeit und Sucht ist nicht dasselbe Prof. Christian Lüscher, Genf
Umgangssprachlich werden die Begriffe Abhängigkeit und Sucht oft bedeutungsgleich verwendet. Aus neurobiologischer Sicht müssen sie jedoch unterschieden werden.
Abhängigkeit ist definiert durch das Auftreten eines Entzugssyndroms, sobald die Droge nicht mehr zugeführt wird. Abhängigkeit lässt sich durch ein Entzugsprogramm erfolgreich behandeln.
Sucht hingegen bezeichnet einen dauerhaften Zustand, trotz aller negativen Auswirkungen zwanghaft eine Substanz zu konsumieren. Das heißt aber auch: Nach einem erfolgreichen Entzug ist
ein von Sucht Betroffener zwar nicht mehr abhängig, jedoch immer noch süchtig! Nimmt er die Droge erneut zu sich, wird er schnell wieder die Kontrolle verlieren.
Mit Baclofen in für Dich richtiger Dosierung bist Du sehr wahrscheinlich „nur“ Abhängig, mit deutlicher Tendenz aus diesem Zustand auszubrechen.
Was habe ich nicht alles erreicht in den letzten Jahren Führerschein (!) Super Arbeit, auch bin ich wieder in einer Beziehung (und "Beziehungsfähig") Mehrere Weiterbildungen einfach alles Super!
Wärst Du dagegen ein süchtiger Trinker, könntest Du niemals ohne Probleme mal einfach ein Glas Bier oder Wein trinken.
Die Ansicht, Baclofen könnte wie Placebo wirken, ist wirklich hinreichend widerlegt. Nicht nur bei Ratten und Mäusen (Addolorato 2000) sondern auch bei Menschen. Du solltest dem ehemaligen Chefarzt der diese Ansicht unbeirrbar pflegt, besser aus dem Weg gehen. Betonköpfe haben in dieser Welt noch nie etwas zum Guten verändert.
Für Deinen weiteren Weg wünsche ich Dir viel Beharrungsvermögen und Widerstandskraft. Du hast Dein Leben zum Guten verändert und eine neue Lebensqualität erreicht. Du hast es in der Hand, das Erreichte nicht zu gefährden. Ich denke, „pass auf Dich auf“ muss ich Dir nicht extra sagen – auch das weißt Du selbst am Besten.
LG Federico
Kann ich Deinen Beitrag für Ausgabe 3 der Whitebox verwenden?