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etwas mehr von meiner Geschichte

Donnerstag 18. Februar 2010, 19:14

Als ich meine Diagnose vor 19 Jahren, nach zahllosen Gesprächen, Testungen (IQ, ADS/ADHS, Fragen über Fragen) und med. Untersuchungen, schließlich von Frau N. bekam, wollte ich es nicht "sein". Anders schon, aber nicht so! Kein Psycho - nein, bloß nicht! Dann lieber pubertierend sein, damit konnte sich mein Umfeld auch eher anfreunden. Diese Psychologin hatte meine Eltern damals schon vor einem eventuellen Alkoholproblem, das auf mich zukommen könnte, aufmerksam gemacht.

...natürlich frage ich mich oft, wie alles hätte verlaufen können, ob mein Leben glücklicher gewesen wäre...

ja ja hätte, wäre, könnte... bringt jetzt nichts.
Wahrscheinlich HÄTTE ich jetzt Kohle, WÄRE in Pappas Fußstapfen gedappt usw.,
KÖNNTE aber das nicht schreiben... wäre auch nicht mehr bei Frau N. in Behandlung und hätte so viele liebe Menschen (hier z.B.) nie kennengelernt und...
durch mein ADHS und die Krankheiten (psych/phys), die sich dazugesellten, mein abgebrochenes Studium der Innenarchitektur, kam ich erst wieder dazu, mich mit mir konstruktiv zu beschäftigen.

Ich habe mit 29 Jahren begonnen Ritalin zu nehmen und zeitgleich meine pharmazeutische Ausbildung am Stück durchgezogen und erfolgreich abgeschlossen.
So kam ich in den "Genuss" beide Seiten kennenzulernen, die beratende in der Apo mit großem Interesse an der Pharmakologie, aber auch die Seite der Betroffenen, mit großem Verständnis für Sorgen und Probleme, die mir persönlich auch schon begegnet waren. Zusätzlich hatte ich Einblick wiederum in die Problematik: der KK, durch die KK, der Ärzte, durch die Ärzte, Rabattverträge, "off-lable" Verordnungen, Zuzahlungen, Budgetbegrenzung...

...nicht behandelt, wurde aus meinem ADS ein sauberes ADHS, mit Komorbis vom Feinsten... weil ich, wie es sich gehört, auch bei der Vergabe der Komorbiditäten, mal wieder nicht die Klappe halten konnte und eifrig „HIER““JA“und „NEHM ICH“ geschrien hatte...

Leider blieben diese Erkrankungen, auch nach der späten Einsicht und Ritalineinnahme, oder kamen, gleich nach deren Behandlung, selbst, oder leicht verändert, mit Anlauf zurück. Nur MPH und nicht die Therapie der Grunderkrankung ADHS, konnten für mich nicht ausreichen.
So kam es, dass ich alles, was ich tat, übertrieben hab. Wobei ich nicht sonderlich klug handelte, sonst hätte ich meine Energie ja sinnvoll genutzt.
Sucht, als eine der zahlreichen Diagnosen, wäre zwar behandelbar, aber nicht heilbar, so begab ich mich in Langzeittherapie. Viel Wissen habe ich mitgenommen, über Suchtdruck, Suchtverlagerung, Rückfallsprophylaxe usw. Auch habe ich eine ganz liebe, und mir auch eine meiner wichtigsten, Freundschaft dort gewonnen, aber dieses ständige Suchen nach irgendeiner Befriedigung, blieb. Ja, schlimmer noch, der Hochmut aufgrund meiner vermeindlichen Heilung, diese Arroganz, mit der ich sogar mich selbst zu belügen, versuchte, kostete mich einiges, verschlimmerte Komorbitäten, wie Selbst-hass & -verletzung, Depressionen, Angst & Panikattacken, Essstörungen, Schlaflosigkeit, ... sogar fast die oben genannte Freundschaft.
Vielleicht hatte der letzte Rückfall auch etwas Gutes-
Ich hätte Baclofen nicht kennengelernt und wäre, wie schon gesagt, nicht mehr so zu mir selbst gelangt.

Fairy

Freitag 19. Februar 2010, 04:46

Dein Bericht hat mich irgendwo berührt. Diese ganzen Fragen, was wäre wenn, können einen verrückt machen. Ich kann erahnen, wie du dich fühlst. Aber das Leben besteht nicht nur aus Katastrophen. Auch wenn wir es nicht sehen wollen. Wir "Alkis" haben den Hang, den einfachen Weg zu gehen. Was wir nie sehen, ist dass das "normale" Menschen nicht machen, deswegen sind wir vermutlich solche Außenseiter.

Geld sollte niemals ein Problem sein. Wer nur Geld will, soll auch nichts Weiteres als Geld bekommen. Und ADHS ist nur solange ein Problem, wie du nicht dagegen kämpfst. Wünsch dir, meinem etwaigen Leidensgenossen, viel Energie und Ausdauer und dass du deine Aufgaben im Leben meistern kannst. Vergiss niemals, dass wir zu mehr in der Lage sind als wir uns eingestehen möchten. Ein Raucher hat nach mehreren Jahren Kettenrauchen nicht, wie immer gesagt wird, unbedingt Lungenkrebs, sondern ein größeres Lungenvolumen. Hört er plötzlich auf, kann er viel länger rennen und tiefer tauchen. Der Körper zeigt sich stark und passt sich an. Ein Alkoholiker hat Probleme, die sonst keiner hat. Hört er auf, dann meistert er etwas, woran die "Normalmenschen" zu 99 Prozent scheitern würden. Ich glaube, nach der Abstinenz verschwimmen alle Probleme, die wir im Leben haben. Es kommt dann der Zeitpunkt, wo uns dann alle vorherigen Probleme banal erscheinen - auch wenn sie uns damals nicht so erschienen.

Just my 50 Cents (oder wie man so sagt :-) ).

Freitag 19. März 2010, 20:45

Gehen wir Alkis tatsächlich den einfachen Weg? Ist ADS nicht die einzige Krankheit, die nach ihrer Ursache benannt ist? Was bleibt einem Menschen anderes übrig, als auszuticken, wenn er nie das Gefühl erleben darf, "gesehen", aufmerksam angenommen und vielleicht gerade deshalb geliebt zu werden, weil er anders als die anderen ist? Vor allem Kinder, die außer Krach machen noch keine andere Ausdrucksform für das Stillen ihrer Grundbedürfnisse kennen? Ja sicher ist es anstrengend, ein Kind zu haben, dass einem ab dem Augenaufklappen bis zum Gegenteil Aufmerksamkeit abverlangt, aber so ist es einfach. Jetzt ich mal mit so einer schönen Pauschalmeinung, ich denke, jeder, der nicht bereit ist, seinem Kind genau das zu geben, sollte das mit dem Kinder-in-die-Welt-setzen einfach lassen...
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