Dienstag 6. September 2011, 17:31
Wir haben hier die einmalige Chance über eine Kooperation mit dem Zentralinstitut für Seelische Gesundheit in Mannheim (ZI) und den Mitteln des Internet, wissenschaftlich belastbare Ergebnisse, in einer unglaublich kurzen Zeit – verglichen mit dem „normalen“ Forschungsbetrieb – zu erhalten. Wenn uns das besser als den Samariter-Ratten gelänge, wäre ein Riesenschritt für die Anerkennung der Baclofen-Medikation bei Alkoholabhängigkeit gemacht.
Das war der Einleitungstext am 22. Juni 2010
Sehr optimistisch, vor allem deshalb: Dieser Fragebogen ist entstanden aus der Zusammenarbeit mit Prof. Kiefer vom Zentral Institut für seelische Gesundheit Mannheim und kann/soll in der vorliegenden Form für eine wissenschaftliche Auswertung durch das ZI Mannheim genutzt werden.
Herr Kiefer ist schließlich nicht irgendwer sondern wird gerne und respektierlich als „führender Suchtforscher“ genannt. Die Ergebnisse sollten in Form einer Doktorarbeit, einer Veröffentlichung in der Zeitschrift „Sucht“, einem „feedback“ im Forum und sicher zahlreichen Vorträgen verbreitet werden.
Nun, was ist daraus geworden?
Die Antwort ist schnell gegeben, es ist nichts daraus geworden, keine Dissertation, keine Veröffentlichung, soweit bekannt. Stillschweigend im Nixland beerdigt sozusagen. Es gab eine Vorab-Version der Auswertung, die unter Wahrung der Vertraulichkeit den Administratoren im Dezember 2010 zugegangen ist. Schon ein kurzer Auszug aus der Zusammenfassung zeigt, wie sorgfältig mit der Auswertung der Daten umgegangen wurde:
Nur ein Anteil von 12,5% gab die Abstinenz als Therapieziel an, 37,5% strebten eine Abstinenz mit möglichem Rückfall an und 31,1% einen gelegentlichen Konsum. Im Konsumverlauf von Alkohol bei von den Betroffenen eigenständig dosierter Baclofenmedikation, mit einer mittleren Baclofendosierung von 59,8mg konnte kein signifikanter Zusammenhang zwischen Alkoholkonsum und Baclofeneinnahme aufgezeigt werden. Dies könnte allerdings dadurch bedingt sein, dass einzelnen Patienten bei steigendem Alkoholkonsum ebenfalls die Baclofeneinnahme steigern, in der Hoffnung, das Trinkverhalten kontrollieren zu können.
Es zeigte sich kein signifikanter Einfluss auf das Alkoholcraving. Die Baclofeneinnahme zeigte hingegen einen signifikanten Effekt auf die Abnahme von Angst und Depression.
Ich wüsste gerne, wer z. B. eine Abstinenz mit möglichem Rückfall angestrebt hat, lt. Kiefer immerhin 37,5%. Hallo, geht’s noch? Weiterhin wäre es schön zu erfahren, aus welchen Daten die Annahme einer steigenden Baclofen-Medikation als Folge eines steigenden Alkoholkonsums zu entnehmen wäre. Aus den mir vorliegenden Umfragebögen kann ich jedenfalls keinerlei Zusammenhang zu diesem Konstrukt erkennen. Immerhin bleibt noch die richtig bewertete Signifikanz in der Abnahme von Angst und Depressionen übrig.
Seit dem stillschweigenden Ende dieser so optimistisch begonnenen 5. Umfrage ist einige Zeit vergangen. Zeit die von anderen Ärzten genutzt wurde.
Prof. Heinz von der Charité Berlin ist inzwischen zu ganz anderen Ergebnissen gekommen
http://www.paradigmenwandel.org/Publika ... 1.2010.pdf ,
in Frankreich läuft eine mit öffentlichen Mitteln finanzierte Phase IV-Studie mit 300 Patienten an
http://www.alkohol-und-baclofen-forum.d ... b04#p12462und niemand bestreitet ernsthaft, spätestens seit Addolorato 2007 die Anticraving-Wirkung von Baclofen.
http://www.alkohol-und-baclofen-forum.d ... p?p=20#p20Herr Kiefer muss das wohl gerade noch rechtzeitig bemerkt haben. Das Forum und die Administratoren hingegen wurden weder über den Fortgang (lt. Vereinbarung zugesichert) noch über das Ende der verunglückten Auswertung informiert.
Am Ende bleibt ein bitterer Nachgeschmack bei mir und möglicherweise auch bei manchem Leser, der an der besagten Umfrage teilgenommen hat. Ich entschuldige mich an dieser Stelle stellvertretend für die mangelnde Achtsamkeit.
Müßig zu erwähnen, dass in anderen Studien festgestellt wurde, Baclofen verringert das Craving signifikant bei 80% der Patienten und lässt es nach einiger Zeit komplett verschwinden. Wen wundert es da noch, wenn Kiefer hinter vorgehaltener Hand gerne das Bonmot goutiert, der Ameisen würde auch wieder saufen.
Aber Schwamm drüber und was soll’s, kommt doch gerade ein wirklich aufsehenerregendes Papier von Jonathan Chick und David Nutt auf den Markt:
Substitution therapy for alcoholism: time for a reappraisal?Journal of Psychopharmacology 0(0) 1–8 ! The Author(s) 2011
http://www.alkohol-und-baclofen-forum.d ... =42#p12356Wer daran Interesse hat, kann sich per PM an Warzo wenden.
Bei der Neubewertung der Therapie von Sucht scheint Deutschland offensichtlich keine Rolle zu spielen, wie man den umfangreichen References (75) unschwer entnehmen kann. Arbeiten aus der Schweiz, Korea, China und sogar Österreich werden dagegen zitiert.
Vielleicht liegt es an der Leidenschaft die progressive Forscher immer ausgezeichnet hat und für die in früheren Zeiten deutsche Wissenschaftler bekannt und berühmt waren. Wer „das Ende meiner Sucht“ gelesen hat, weiß was ich damit meine.
LG Federico