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Baclofen:Warum eine negative Meinung in Alkoholabhängigkeit?

Sonntag 1. Juli 2018, 11:57

Le Moniteur des Pharmacies, 28.06.2018

Im vergangenen April beurteilte der ANSM-Sonderausschuss für wissenschaftliche
Spezialausschüsse (CSST) das Risiko / Nutzen von Baclofen bei der Behandlung von
alkoholabhängigen Patienten: unzureichende Wirksamkeit. Heute wurde gerade der
Bericht mit dem Argument veröffentlicht.

Baclofen würde eine Reduktion von 7% des ursprünglichen Alkoholkonsums nach
6 Monaten Behandlung erlauben laut ALPADIR und BACLOVILLE, und seine Wirkung
würde sich kaum von der eines Placebos unterscheiden, insbesondere für die
kontinuierliche Abstinenz nach 6 Monaten. Nur eine signifikante Verbesserung:
eine Verringerung der zwanghaften Komponente der Gewohnheit des Trinkens
(oder Verlangens).

Das Sicherheitsprofil ist nicht optimal: zu viele schwerwiegende Nebenwirkungen,
insbesondere neurologische oder psychiatrische, mit dem Risiko von Depressionen
und Selbstmord sind dosisabhängig.

Das Gremium erkennt jedoch die Existenz einer Gruppe von "Responder"-Patienten
an, die eine deutliche Besserung mit Baclofen erfahren, obwohl keine wissenschaftlich
gesicherten Beweise dies unterstützen können.

Es bleibt noch übrig, die gelehrten Gesellschaften und Patientenverbände, die am 3.
und 4. Juli betroffen sind, für eine allgemeine Sichtweise des Problems zu hören.
Und eine endgültige Meinung?

LG

Patrick

Re: Baclofen:Warum eine negative Meinung in Alkoholabhängigk

Sonntag 1. Juli 2018, 12:43

Danke Patrick fürs Finden und Übersetzen.

Patrick hat geschrieben:Die einzige signifikante Verbesserung: eine Reduzierung der zwanghaften
Komponente der Trinkgewohnheit (oder des Verlangens).

Es scheint wohl so zu sein, dass als einziges Ziel Abstinenz akzeptiert wird.

Was hier so unbemüht als einzige signifikante Verbesserung bezeichnet wird,
ist für viele Patienten ein Wunder: die Reduzierung von Craving.

Noch mehr Wunder:
Patrick hat geschrieben:Das Panel erkennt jedoch die Existenz einer Gruppe von "Responder"-Patienten an,
die unter Baclofen eine deutliche Verbesserung erfahren, obwohl es keine wissenschaftlichen
Belege dafür gibt.


LG Federico

Re: Baclofen:Warum eine negative Meinung in Alkoholabhängigk

Donnerstag 5. Juli 2018, 18:59

Seid gegrüßt

Nach vielen „Irrungen und Wirrungen“ kommt es jetzt zum eigentlichen „Show Down“:

Wir erinnern uns:

Die vorläufige Zulassung RTU (Recommandation Temporaire d’Utilisation), welche ursprünglich eine Dosierung von bis zu 300 mg / Tag vorsah, wurde vor ziemlich genau einem Jahr „kassiert“. Grundlage dafür war ein sehr seltsames Gutachten der ANSM, und fortan waren dann im Rahmen der RTU plötzlich nur noch 80 mg / Tag „erlaubt“.

Der Aufschrei war groß, die Französischen Apotheker „streikten“, d.h. sie wollten keine Medikamente (Baclofen) mehr in hoher Dosierung an die Patienten abgeben. Das war dann aber auch der ANSM zu viel des Guten, so dass die Apotheker von höchster Stelle angewiesen wurden, den Patienten so viel Baclofen auszuhändigen, wie es von den Ärzten verschrieben wird.

Gegen die Reduzierung auf 80 mg/Tag im Rahmen der RTU wurde von einer Einzelperson, unterstützt durch einem Patientenverbund, vor dem obersten Französischen Verwaltungsgericht dann Klage eingereicht, die Klage hatte allerdings keinen Erfolg

Der eigentliche „Show Down“ ist aber jetzt, dass es um die WIRKLICHE Marktzulassung geht, also um das, was auf die RTU folgt. Die ANSM hatte sich redlich um Transparenz bemüht, und stellte die ganze Anhörung, welche am 3. Juli stattfand, live ins Netz. Vor der „Expertenkommission“ der ANSM, über deren Zusammensetzung es nicht wirklich so ganz viele Einwände gab, kamen „alle Parteien“ zu Wort. Darunter auch Patientenverbände wie z.B eingefleischte Abstinenzler, die Baclofen für „Teufelszeug“ halten. Aber auch alle Patientenverbände, die Baclofen für eine sehr nützliche Alternative zur Behandlung der Alkoholabhängigkeit halten, durften Ihre Argumente ausgiebig vortragen.

Was macht nun die ANSM? Sie muss, gestützt auf das von ihr „paritätisch eingesetzte Expertengremium“ jetzt entscheiden, ob dem Medikament Baclofen zur Behandlung der Alkoholabhängigkeit nach der RTU nun auch eine definitive Marktzulassung (Authorisation de Mise en Marché / AMM) erteilt wird. Und falls ja, welche Dosierungen dann „erlaubt“ sein werden.

Wir erinnern uns auch, dass formeller Antragsteller der AMM die Firma Ethypharm ist, welche mit ihrer Studie ALPADIR zwar nicht so viel Erfolg hatte, dann aber die Ergebnisse der sehr viel erfolgreicheren, aber leider auch noch nicht wirklich publizierten Studie BACLOVILLE aufkaufte.

Das öffentliche Hearing vom 3. Juli ist vorbei. Obwohl man das Hearing in seiner epischen Länge live mitverfolgen konnte, und das auch jetzt noch im Nachhinein kann, ist es „in Frankreich“ ziemlich still. Es gibt kaum Presseberichte, auch die die Pro-Baclofen-Ärzte- und Patientenverbände sind mit Kommentaren bisher zurückhaltend. Alle schauen wie „das Kaninchen auf die Schlange“ und auf die ANSM. Diese wiederum hat verlautbart, dass es „unmittelbar nach der Anhörung“ zu einer „Dringlichkeitssitzung“ und einer „möglichen Entscheidung“ des „Expertengremiums“ komme.

Die ANSM wäre aber nicht die ANSM, wenn sie nicht auch im gleichen Atemzug erwähnt hätte, dass das „Ergebnis“ erst nach der „Rentrée“, also „nach den Sommerferien“ bekannt gegeben wird. Und wer die ANSM kennt, und die Französische „Rentrée“ auch, der kann sich in etwa ausrechnen, dass bis ca. Oktober 2018 Stille herrschen wird. Es geht um viel, nämlich nach all den „Irrungen und Wirrungen“ um die Ablösung der RTU durch eine AMM. Welche Auswirkungen eine allfällige AMM für Europa und Deutschland hat? Da habe ich ehrlich gesagt nicht die geringste Ahnung.

Wie immer eine mögliche „ganz“ oder nur „halb“ ausgestaltete AMM aussehen wird, sofern es sie denn überhaupt gibt, wird bei uns in Deutschland, und entsprechend auch in Frankreich, am unmittelbaren Status Quo, das heißt am „Off Label Use“, mit absoluter Sicherheit nicht gerüttelt, und Ärzte werden auch zukünftig ihre Patienten behandeln dürfen, wie sie es für richtig halten.

Das war jetzt eine „Kurzzusammenfassung“ der aktuellen Situation, auf weiterführende und erklärende Links musste ich in der Eile leider verzichten.

Kommt gut über den Sommer! Man liest sich!

DonQ

Re: Baclofen:Warum eine negative Meinung in Alkoholabhängigk

Sonntag 8. Juli 2018, 08:53

Ungünstige Meinung für die Vermarktung von Baclofen gegen Alkoholismus, 07. Juli 2018

Kurzfassung: Ein Expertengremium gab eine ablehnende Stellungnahme zur Vermarktung des Medikaments zur Behandlung von Alkoholismus ab. Aber Baclofen kann unter Bedingungen verschrieben werden.

Jeder Arzt kann das Medikament "bis zu einer Dosierung von 80 mg / Tag verschreiben". Wenn diese Dosis überschritten wird, "muss der verschreibende Arzt dem Patienten systematisch eine auf Sucht spezialisierte multidisziplinäre Untersuchung und Behandlung anbieten".

LG

Patrick

Re: Baclofen:Warum eine negative Meinung in Alkoholabhängigk

Sonntag 8. Juli 2018, 11:59

Danke Patrick, alles im grünen Bereich. Die Marktzulassung wird kommen.

LG Federico

Re: Baclofen:Warum eine negative Meinung in Alkoholabhängigk

Sonntag 8. Juli 2018, 21:12

Gerne, lieber Federico.
Langsam aber sicher wiegen die Meinungen der Patienten und behandelnden Ärzte unaufhaltsam an Bedeutung!

LG

Geduld übender Patrick
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