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Mehr als 6 Monate Erfahrung mit Baclofen
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Re: Selbstentgiftung

Donnerstag 7. März 2013, 19:26

Interessanter Fragebogen!

In meinen "besten" Zeiten habe ich es auf 33 Punkte gebracht :-\ - erstaunlich was der Mensch so aushalten kann, und das über Jahre

LG Aspino

Re: Selbstentgiftung

Donnerstag 7. März 2013, 20:09

@Delle
Ich kenne die panische Angst vor einer stationären Entgiftung, da man nicht weiß, was auf einem zukommt. Es ist nicht schlimm und ein Versuch wäre es evtl. wert.
Ich hoffe, dieser Moment komme nie auf mich zu. Dank Bac fahre ich seit 2 Jahren auf der abstinenten Schiene! Und aufgrund aktuell erlebten Situationen glaube ich nun wirklich sagen zu können, dass die Einstellung gegenüber Alk wie ich sie vor der Abhängigkeit einmal hatte, langsam aus dem Meer der Gefühle, Gedanken, Assoziationen und vor allem Ängste empor zu steigen vermag. Als wie die Insel oder das neue Land auf das ich gehofft, ja, mir herbeigesehnt habe...

@Betty
Ich kann es gar nicht oft genug sagen, Baclofen und das Forum hier mit allen seinen Informationen, dem Königsweg, den ganzen Hilfestellungen, die man bekommt auf den ersten Schritten. Das war meine Lebensrettung.
Danke Betty. Deine Worte kann ich 1:1 unterschreiben.

LG moonriver

Re: Selbstentgiftung

Freitag 8. März 2013, 01:54

bettyblue hat geschrieben:Nur Delle, eine Frage sei erlaubt: du nimmst jetzt schon so lange Baclofen und machst gute Erfahrungen damit, aber wie kommt es, dass du zuletzt so viel getrunken hast.
Wie schon immer betont wird, schlägt dir Baclofen nicht die Pulle aus der Hand.

Ich bin schon froh, daß ich dank Baclofen tagsüber nicht zur Flasche greife :-bd

Vor einigen Jahren war ich an einem Samstag Morgen mit dem Fahrrad unterwegs zum Supermarkt um "Nachschub" zu holen. Leider wurde ich in einen unverschuldeten Unfall verwickelt. Bei 2,66 Pro Mille Restalk! hat mich das trotzdem 900€ Geldstrafe + div. Gebühren gekostet (den Schaden von 2.500€ am PKW musste ich nicht bezahlen, die Autofahrerin war zu schnell und hat mich bei einer Überquerungshilfe erwischt).

Ich habe seitdem an mehreren Maßnahmen teilgenommen, wobei die Lebensumstände des Betroffenen auch eine große Rolle spielen: Ich bin seit 1 1/2 Jahren arbeitslos und habe kaum soziale Kontakte. Der wöchentliche Besuch bei meinen Eltern (83/84) ist auch nicht immer einfach. Die Besuche können manchmal schon unerträglich/entwürdigend sein. Mein einziger Halt ist meine Tochter und ihr Verlobter (obwohl das auch Problemfälle sind). Das Forum gibt natürlich auch einen gewissen Halt.

Da liegt der Wunsch sich in den Schlaf zu "katapultieren" schon manchmal (auch mal öfters) relativ nahe.

Zum Glück merke ich es noch, wenn es an der Zeit ist die Reißleine zu ziehen.

Da ich schon mehrere stationäre Entgiftungen hinter mir habe und den Ablauf kenne, habe ich mich halt für die Selbstentgiftung entschieden (übrigens schon die 2.).

Baclofen ist für mich trotzdem die erste Wahl, da ich mich wahrscheinlich ohne schon längst totgesoffen hätte oder zum Pflegefall geworden wäre :daumen:

Re: Selbstentgiftung

Freitag 8. März 2013, 02:27

bettyblue hat geschrieben:@delle: ... Eigentlich sollte doch eine "qualifizierte virtuelle Selbsthilfegruppe" (deine Erfindung ;-)) hier besser helfen können.
Hallo Betty,
das muß ich unbedingt korrigieren! Federico ist der Initiator des Forums. Ich habe mich lediglich für die technische Unterstützung angeboten und aus persönlichen Gründen in den letzten Jahren beitragsmäßig auch etwas zurückgehalten.

Wenn Du allerdings nur die Wortschöpfung meinst, ist es ok, das sprudelte halt spontan aus mir raus :D

Im übrigen leide ich unter dem Asperger-Syndrom (eine Unterform des Autismus) und bin Homosexuell, was ich in Form von Verachtung seitens meines Vaters deutlich zu spüren bekomme (Ich habe keinen Freund und bin nicht beziehungsunfähig).

Es sind sicherlich noch Fragen offen -ich beantworte sie gerne.

LG und n8

Re: Selbstentgiftung

Freitag 8. März 2013, 16:53

Hallo delle

hab vor 1/2h zufällig das gelesen:

http://www.idea.de/detail/thema-des-tag ... raten.html

Wer als Kind die Bestätigung und Liebe erfahre, entwickele oft ein gesundes Selbstbewusstsein und sei damit weniger anfällig. Ein fehlendes Selbstwertgefühl sei hingegen ein fruchtbarer Boden für die Suchtentwicklung.


Das kam mir in den Sinn, als ich das von deinem Vater las.



Dies hingegen ist wahrscheinlich nur denen vergönnt, die glauben:
Christen komme vor diesem Hintergrund eine entscheidende Aufgabe zu. Jahn: „Wer, wenn nicht ein Christ, kann einem Menschen die Gewissheit geben, dass er nicht zufällig auf die Erde gekommen ist, dass sein Leben kostbar ist und Sinn und Ziel hat?“


LG
milli :-h

Re: Selbstentgiftung

Samstag 9. März 2013, 00:46

guten Abend, gerade mal reingeschaut, kannte ich noch nicht, -

die offenen, ehrlichen Worte von @delle54 tun gut, klare Schilderung der Probleme,
Lebensumstände, wahrlich vielleicht nicht so ein schönes Leben, dennoch Hochachtung, nicht
aufzugeben, das Leben auszuhalten, es geht hier nicht um etwas Trinken, sondern um extreme
Sucht, die das Leben bestimmt, fesselt, lähmt. Aufzustehen, obgleich die Welt so öde und trist,
und weitermachen, es aushalten, und Wege finden, das ist der Sinn dieses Forums, und hier zu lesen, daß auch andere durchhalten und kämpfen, tut gut.

Sich vorzustellen, morgen ist alles vorbei, dunkel, aus und vorbei, weiß nicht, auch nicht schön.

Danke dafür, ich finde delle ist ein super feiner Mensch, der es schaffen wird, der sich hier voll einbringt und hilft - und
wir brauchen ihn.

noch einmal eine Geschichten am Rande:

vor etwa 30 Jahren hatte ich eine Freundin, wir verstanden uns, sie hatte eine Halbtagsstelle in einer Apotheke, war beliebt, sah nett aus und lebte in einem winzigen Dorf im Haus der Eltern. Sie trennte sich gerade von ihrem ersten Freund, duchdachte die Dinge, las unendlich viele Bücher und zweifelte, grübelte stundenlang. Schon sehr schnell bemerkte ich, daß etwas nicht stimmte, aber wir unternahmen viel und es war schön. Sie suchte den richtigen Partner / Mann, wollte heiraten, ein Kind und eigenständig sein, glücklich. Dann verlor sie ihren Job und saß den ganzen Tag in ihrer kleinen DG Wohnung, der Vater bestimmte das Leben, wurde Bürgermeister.
Wir telefonierten nur noch und sie erzählte mir über viele Dates und Versuche, Horoskope, Wahrsager und Tabletten gegen Traurigkeit. Viele Jahe später sah ich sie, erkannte sie nicht wieder, sie war aufgedreht, sprach ohne Ende, hörte fremde Stimmen, glaubte an Telepathie und fiel nach unten. Auto weg, Führerschein, nur noch Träume, Einsamkeit, zum Schluss schrie sie am Telefon, und landete in der Psychatrie in Hildesheim. Ich sprach dann mit ihrem Vater, Verdacht auf Schizoprhrenie, Auszeit, ich dachte lange darüber nach. Der Wunsch nach einem Kind, nach einem Partner, hatte sie krank gemacht, Suche nach Glück vergebens, alle meine Worte halfen nicht, macht mich traurig, war ein Stück Leben von mir. Sie rief mich vor 2 Jahren aus der Klinik an, ich sollte kommen, sie daraus holen, aber, nach Gesprächen mit der Station und Arzt war mir klar, das es eigentlich das Beste für sie war. Mir war klar, das ich da nicht enden möchte.
Manchmal trinke ich halt nur, um das alles nicht wahrhaben zu wollen, weil es nüchtern so schwer auszuhalten ist.

lg sabine

Re: Selbstentgiftung

Samstag 9. März 2013, 05:38

@milli: Danke für den Link.
idea.de hat geschrieben:Die Wurzeln für Sucht liegen oft in der Kindheit
Das habe ich an anderer Stelle bereits schon berichtet: In den ersten 2 Schuljahren wechselte ich bereits 4 mal die Schule. 2x in Hannover und nach der Auswanderung in die U.S.A., weitere 2x. Insgesamt lagen 9 Schulwechsel durch Umzüge an, bis ich 1972 nach Deutschland zurückkehrte und eine Lehre anfing.

Als "Asperger" und die ständigen Wechsel der Umgebung, kann man sich vorstellen, das hier ein Suchtverhalten vorprogrammiert ist. Freundeskreise langfristig aufzubauen war nicht möglich.

Meine Eltern lehnen jedes Gespräch diesbezüglich ab, da sie der Meinung sind alles richtig gemacht zu haben und mir alle Möglichkeiten geöffnet zu haben. Ich bin aus ihrer Sicht halt der "Versager" :Mad:

Re: Selbstentgiftung

Samstag 9. März 2013, 06:38

sabine-xxx hat geschrieben:... es geht hier nicht um etwas Trinken, sondern um extreme
Sucht, die das Leben bestimmt, fesselt, lähmt...
Danke Sabine, besser hätte man es nicht ausdrücken können :-bd

Re: Selbstentgiftung

Samstag 9. März 2013, 08:43

@Delle,
dein Beitrag fügt meinem "Selbstfindungs-/Suchtentstehungserklärungs-Mosaik" einige wertvolle Steinchen hinzu und macht das Bild inzwischen etwas sichtbarer. Danke dafür!

Auch ich habe (freiwillig und unfreiwillig) mehrere Umzüge hinter mir mit genau den Folgen, die du beschrieben hast.

Als ich zwölf war kam der erste Umzug (von Baden-Württemberg nach Bayern).
Ich war plötzlich "Fahrschüler", hatte am Wohnort selbst keine Bekannte, schon gar keine Freunde. Mit Gleichgesinnten entdeckte ich die "wunderbare" Kombination von Schafkopfspielen und Biertrinken (übrigens auch während vormittäglicher Hohlsstunden). Bei "Lina", einer kleinen Kneipe direkt neben der Schule, waren wir häufige Gäste.
Nebenbei : Durch die Umstellung des Schuljahresbeginn und die Kurzschuljahre in BW hatte ich ein Schuljahr verloren (was auch an meinem Ego kratzte).

Mit siebzehn folgte der nächste unfreiwillige Umzug. Mein ehrgeiziger Vater (Konstrukteur Maschinenbau) veränderte sich nochmals.
Wieder war ich "Fahrschüler", Freunde am Wohnort hatte ich am Wohnort keine.
Ich wurde mehr und mehr zum Eigenbrötler, zog mich in mein Zimmer zurück, nahm Musikstücke auf mein Tonbandgerät auf, sammelte Zeitungsausschnitte zu verschiedensten Themen.

Und noch ein Detail : Ich war (und bin es noch) Stotterer.
Bei jedem Schulwechsel versuchte ich, das zu vertuschen. Spätestens nach einigen Tagen wurde es dann doch offensichtlich. Ich hätte vor Scham in den Boden versinken können. :ymblushing:

Dann folgte der Beginn des Chemie-Studiums in Freiburg. Ich genoss die Freiheit, hatte bald mehrere nette Freunde. Wir spielten Schach, machten regelmäßig Waldläufe, Fahrradtouren, erkundeten mit meiner Ente den Schwarzwald, Kaiserstuhl, Elsass, Basel.
Aber : In meinen Studentenbuden stand regelmäßig/immer ein Kasten Bier (Humbser Billigbier)....

Ich heiratete früh (mit 24). Mit 30 trat ich meine erste Stelle an. der Umzug ins platte Rheinland (bei Aachen) fiel nicht nur meiner Frau schwer; unser Sohn war damals gerade geboren.
Im Zuge der "Karriereplanung" bemühte ich mich um meine Auslandsstelle. Mit Erfolg : Meine Firma (damals ein weltweit agierender niederländischer Konzern) schickte mich von 1991-94 als "Expatriate" nach Brasilien. Dort hatte ich "Statussymbole" wie Dienstwagen, Sekretärin, freies Wohnen, Clubmitgliedschaft etc. Aber meine Frau war todunglücklich. Und ich wurde es auch, nachdem sich der erhoffte Karrieresprung nach meiner Rückkehr nicht einstellte. In der Firma war während meiner Abwesenheit kräftig umstrukturiert worde. das Fasergeschäft kriselte, die Aktivitäten verlagerten sich ehr und mehr nach Fernost.
Wir zogen nach Unterfranken, ich bekam als "Zwischenlösung" eine Stelle in der Zentralen Forschungsabteilung, ohne Sekretärin, ohne Dienstwagen, die Miete musste ich wieder selber zahlen...
Und: Der Alkohol bekam einen noch festeren Platz in meinem Leben, trotz vielfältiger Aktivitäten wie Singen (zeitweise in drei Chören), Sport, Kommunalpolitik (Ortsvorsitzender der Freien Wähler).
Irgendwann fiel mein Alkoholismus auch meinem Arbeitgeber auf, spätestens dann, als ich auf der Heimfahrt von einer Dienstreise verunglückte (mit 2,6 Promille).
Abmahnung, regelmäßige Alkoholkontrollen durch Werksarzt, Kündigung...

Mit viel Glück bekam ich einige Monate später eine neue Stelle als Patent- und Innovations-Manager : erneuter Umzug (von Unterfranken nach Rheinland-Pfalz).
Fernstudium zum Patent-Ingenieur an der Fernuni Hagen...
Auch in RLP fiel mein ungesunder Alkoholkonsum natürlich auf : Der Zeitvertrag wurde nicht verlängert.

Wieder hatte ich wahnsinniges Glück und bekam eine neue Stelle in einer kleinen Chemie-Firma mit Sitz in der Nähe von München und Produktionsbetrieb im Elsass., allerdings nur für drei Wochen. In der Zweitwohnung im Elsass trank ich hemmungslos, zu einer Besprechung in München kam ich betrunken und mit Rotweinflecken auf dem Hemd an. Außerdem ohne Koffer : den hatte ich beim Aussteigen aus dem ICE nicht mehr gefunden. Die Kündigung war unvermeidlich.

Es folgte meine dritte Entwöhnungsbehandlung und -großes Glück- die Frühverrentung wegen voller Erwerbsunfähigkeit.

Und dann stieß ich (nach erneuten, teils heftigen) Rückfällen auf Baclofen und dieses Forum. Ich bin Euch allen sehr dankbar und hoffe, jetzt "die Kurve zu kriegen".

Ich bin derzeit bei 150mg pro Tag. Nebenwirkungen : signifikant verstärktes Stottern und zeitweise Verwirrtheit. Oft spüre ich so etwas wie ein "Gewitter im Hirn".
Meine Partnerin, die unheimlich -und mir oft unverständlich- trotz aller Rückschläge zu mir hält, hält diese Dosis für notwendig, nachdem ich mit geringeren Dosen einige Rückfälle hatte. Allerdings damals noch in der Kombination Baclofen/Citalopram (Antidepressivum). Citalopram habe ich vor 6 Wochen abgesetzt. Nun habe ich das Gefühl, dass Baclofen viel stärker (neben-) wirkt als mit Citalopram zusammen. Ich würde sehr gerne auf eine "vernünftige" Dosis (z.B. 75mg) zurückgehen. Meine Partnerin hat aber Angst, dass dann der ganze Zirkus von neuem beginnt.

Was empfehlt ihr mir ? Hat jemand die Erfahrung gemacht, dass Antidepressiva die Wirkung von Baclofen schwächen/aufheben ?

Uff, jetz ist mein Beitrag doch etwas länger geworden...
Aber ich musste mir das mal von der Seele schreiben. Vieles ist natürlich noch ungesagt (Trennung/Scheidung, missglückte Partnerschaft, 3 Entwöhnungsbehandlungen, 3 MPU's, Kontaktverweigerung durch Sohn, Psychotherapie).

GLG, Werner

Re: Selbstentgiftung

Samstag 9. März 2013, 08:55

Hallo Delle

Die Schilderung Deines Lebens hat mich tief beeindruckt. Herzlichen Dank für Deine Offenheit.
Deine Zeilen sind wertvoll für dieses Forum, zeigen sie doch mit ihrer Ehrlichkeit, dass selbst in dieser Situation Baclofen ein treuer Begleiter, permanenter Rettungsring und schlussendlich Lebensretter sein kann.

Hinter jedem Mitglied im Forum verbirgt sich eine Schicksalsgeschichte. Jeder hat seine Art damit umzugehen. Eines jedoch ist das Verbindende hier. Die Geschichte einer kleinen weissen Pille mit ungeahntem und teils verblüffendem Wirkungspotential.

Danke, Delle, das es Dich gibt...

Ein gutes Weekend
LG moonriver
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