Samstag 1. Mai 2010, 18:52
Sonntag 2. Mai 2010, 11:05
Originlal von Praxx (geklaute Passagen sind fett markiert)
@ invorio:
Ich kann da bedenkenlos zustimmen, dass Reward-Craving eher dopaminerg und Relief-Craving eher gabaerg sind.
Die Ursache sehe ich - zugegeben spekulativ - in der Psychodynamik, die dem süchtigen Verhalten zugrunde liegt. Meist sorgt ein Suchtmittel - oder ein süchtiges Verhalten - dafür, dass ich entweder etwas besser kann (-> reward-craving) oder besser aushalten kann (-> relief-craving). Häufig allerdings beides.
Diese subjektiv positiven Effekte des Suchtverhaltens sind jedoch meist nur ein Nebenschauplatz: Die Sucht tut mehr, sie verhütet schlimmeres! Das kann etwas real schlimmes sein - z.B. ein Suizid oder Totschlag - oder etwas subjektiv gleichwertig empfundenes, z.B. den zur adäquaten Lösung eines inneren Konflikts notwendigen Bruch eines inneren Tabus
Das behaviourale Herangehen an die Sucht befasst sich meist nicht mit diesem individuell verschiedenen Kernproblem, sondern hält sich m.E. zu sehr an den repetitiv dysfunktionalen Mustern der unmittelbaren Konsummotive fest und beläßt den Kernkonflikt in seiner Verdrängung.
Hier sehe ich den Ansatz für eine erfolgreiche psychodynamische Therapie.
Dafür sollte nun aber möglichst Abstinenz bestehen, damit die Therapie ihre Wirkung auch entfalten kann - und wenn das mit Baclofen erreichbar ist, ist das für viele, die sonst permanent scheitern, eine großartige Option!
Nicht vergessen bitte: Suchtbehandlung in D ist so etwas wie die Mühle bei Max und Moritz... schmeiss oben 1000 Abhängige hinein, kommen hinten ein paar Hundert heraus, die unterschiedlich lange clean oder trocken sind und als Beleg für die "Wirksamkei" des Verfahrens herhalten müssen... wer nicht dazu gehört, hat halt Pech gehabt, egal, wie oft du ihn da durchlaufen lässt.
Und alle benutzen die gleichen angeblich "wirksamen" Verfahren, weil nur die von den Kostenträgern bezahlt werden
Die Entwöhnungsindustrie (SHG, Suchtberatung, Entgiftung, Entwöhnung, Nachsorge) ist eine mächtige Lobby, da geht es um sehr viel Geld
LG
Praxx
Originlal von Invorio (geklaute Passagen sind fett markiert)
@praxx:
Hallo praxx,
in der Beurteilung der Entwöhnungsindustrie mit ihren sog. „Therapien“ sind wir uns wohl einig. Der dort weit verbreitete manualisierte Verhaltenstherapie-Ansatz sollte schon längst in der Endlagerstätte für gescheiterte Therapien gelandet sein. Aber die Lobby ist stark, die Margen sind hoch (das therapeutische Personal ist preiswert, da in der Regel nur Psychotherapeuten am besten noch in der Ausbildung so einen Therapieschrott vertreten) und die Patienten kommen immer wieder, zwangsläufig. Erfolgsquoten der Entwöhnung werden über eine dubiose Qualitätssicherung schön geredet und gerechnet.
Läuft also alles bestens und die Kostenträger sind zufrieden, da ja das Ziel der Entwöhnung in der Regel die Herstellung der Arbeitsfähigkeit zum Zeitpunkt der Entlassung ist, nicht die dauerhafte Abstinenz.
So eine Industrie zu verändern ist fast nicht möglich in endlicher Zeit. Aber dass die ganzen stationären Bettenburgveranstaltungen zu nichts führen, ist den eigentlich Betroffenen, den Alkoholikern, vielfach klar.
Da sehe ich eine Riesenchance für eine Baclofen-gestützte ambulante Therapie. Da wo die Verhaltenstherapie oder die analytische Psychotherapie eh nichts bewirken, beim Craving, kannst Du Baclofen einsetzen. Die dadurch frei gewordenen Therapiestunden kannst Du für sinnvolle Arbeit mit dem Patienten nutzen.
Alkohol erzeugt über das Glutamat als Neurotransmitter bei häufigem Konsum eine dauerhafte Verstärkung synaptischer Reize, die soweit ich weiß, nicht reversibel ist. Die einzige Möglichkeit dem entgegen zu wirken, ist eine Stärkung des hemmenden Neurotransmitters GABA, was Baclofen als GABA Agonist letztendlich tut. Das bedeutet aber- und alle unsere Erfahrungsberichte und eine Studie von Addolorato sprechen dafür- dass bei Absetzen von Baclofen das Craving wiederkommt. Die mystischen neuen neuronalen Pfade der Verhaltenstherapie existieren halt schlicht nicht. Baclofen ist eine lebenslange Medikation.
Was hilft in so einer Situation die Psychodynamik, das Verstehen von Ursachen, das Aufdecken von verdeckten Zusammenhängen und dergl.? Und wie hilft die Psychodynamik den Menschen, die moderat trinken und nicht abstinent leben wollen (hier im Forum ein gutes Drittel der Teilnehmer an unseren Umfragen)? (Guten Tag Dr. Körkel).
Du siehst die Chance durch Baclofen abstinente Patienten für Deine analytische Betrachtung/Behandlung der Krankheit zu erhalten. Das ist meiner Meinung zu kurz gedacht und lehnt sich immer noch an die tradierten Vorstellungen der Psychotherapie an.
LG invorio
und hier nochmal die Raubkopie vom Herr Jean-Paul Lascaux (geraubte textstelle ist fett markiert):
Jemand mit reichlich Erfahrung in traditionellen Therapien (3 Langzeit Therapien, mehrere Kurzzeit Therapien) schrieb mir seine Gedanken in einer E-Mail, die ich hier mit seiner Erlaubnis zitiere. In den USA heißen diese Therapien inzwischen Drehtür-Therapien revolving door therapies, gemeint ist dasselbe.
Suchtbehandlung in Deutschland ist so etwas wie die Mühle bei Max und Moritz… schmeiß oben 1000 Abhängige hinein,
kommen hinten ein paar Hundert heraus, die unterschiedlich lange clean oder trocken sind und als Beleg für die “Wirksamkeit” des Verfahrens herhalten müssen… wer nicht dazu gehört, hat halt Pech gehabt, egal, wie oft du ihn da durchlaufen lässt.
Und alle benutzen die gleichen angeblich “wirksamen” Verfahren, weil nur die von den Kostenträgern bezahlt werden
Die Entwöhnungsindustrie (SHG, Suchtberatung, Entgiftung, Entwöhnung, Nachsorge) ist eine mächtige Lobby, da geht es um sehr viel Geld Der dort weit verbreitete manualisierte Verhaltenstherapie-Ansatz sollte schon längst in der Endlagerstätte für gescheiterte Therapien gelandet sein. Aber die Lobby ist stark, die Margen sind hoch (das therapeutische Personal ist preiswert, da in der Regel nur Psychotherapeuten am besten noch in der Ausbildung so einen Therapieschrott vertreten) und die Patienten kommen immer wieder, zwangsläufig. Erfolgsquoten der Entwöhnung werden über eine dubiose Qualitätssicherung schön geredet und gerechnet. Läuft also alles bestens und die Kostenträger sind zufrieden, da ja das Ziel der Entwöhnung in der Regel die Herstellung der Arbeitsfähigkeit zum Zeitpunkt der Entlassung ist, nicht die dauerhafte Abstinenz. So eine Industrie zu verändern ist fast nicht möglich in endlicher Zeit. Aber dass die ganzen stationären Bettenburgveranstaltungen zu nichts führen, ist den eigentlich Betroffenen, den Alkoholikern, vielfach klar.