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Musste Margot Käßmann unbedingt zurücktreten?

Freitag 26. Februar 2010, 12:09

Welt-Online, 25. Februar 2010, 12:24 Uhr

Der Rücktritt Margot Käßmanns vom Ratsvorsitz der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) hat am Donnerstag die Kommentatoren zahlreicher Tageszeitungen beschäftigt. Ob der Schritt zwingend notwendig war, wird unterschiedlich bewertet. In einem Punkt sind die Medien sich aber weitgehend einig: Käßmann hinterlässt in der deutschen Öffentlichkeit eine große Lücke.

Meine Meinung hierzu: Frau Käßmann hätte nicht zurücktreten müssen. Frau Käßmann hat ganz offensichtlich ein Alkoholproblem und ist darüber nicht ausreichend informiert gewesen. Die mit der Krankheit Alkoholismus einhergehende „Toleranzentwicklung“ (1,6‰) lassen diesen Schluss zu, offensichtlich hat sie sich selbst fahrtauglich gefühlt. Sie hat also einen Fehler begangen und ist krank geworden, vermutlich ohne es zu merken. Wäre die Krankheit eine Krankheit wie jede andere, hätte sie problemlos bei Rot über eine Ampel fahren und anschließend ihr Bußgeld bezahlen können. Die nach wie vor vorherrschende Stigmatisierung der Alkoholkrankheit verhindert eine klare Diskussion darüber. Einerseits ist Alkoholabusus seit 1950 von der WHO als Krankheit anerkannt, andererseits schwingt die „Öffentliche Meinung“ immer noch die moralische Keule. Diese in diesen Presseveröffentlichungen schamhaft verschwiegenen Hintergründe tragen nicht zu einem längst überfälligen Umdenken bei, im Gegenteil.

Frau Käßmann ist Opfer ihres eigenen, sehr hoch gesteckten Wertesystems geworden. Aus dieser Sicht war ihr Rücktritt die logische Konsequenz. Wäre Alkoholismus im öffentlichen Bewusstsein das was es wirklich ist, eine Krankheit, wäre ihr Entschluss sicher anders ausgefallen. Nicht auszudenken wie sich die Diskussion über ihren Rücktritt entwickelt hätte, wäre die Tatsache, daß ein Medikament die Krankheit heilen kann, im öffentlichen Bewusstsein bereits fest verankert. Olivier Ameisen hätte ihr sicher vom Rücktritt abgeraten, ich auch ...

Nur meine Meinung ...
Federico



Die „Financial Times Deutschland“ schreibt: „Die Kirchen in Deutschland mögen an Bedeutung verloren haben, doch sie sind immer noch zentrale moralische Instanzen. Um so bemerkenswerter ist, dass Protestanten wie Katholiken derzeit wegen Verfehlungen von Amtsträgern im Licht der Öffentlichkeit stehen. Der Umgang der Kirchen mit der Fehlbarkeit ihrer Würdenträger entscheidet mit darüber, wie glaubwürdig diese Institutionen bleiben. Der Rücktritt der EKD-Ratsvorsitzenden Käßmann ist richtig. Sie zieht die notwendige Konsequenz, die dazu beiträgt, ihr Amt und die evangelische Kirche nicht noch weiter zu beschädigen.“

Die „Frankfurter Allgemeine Zeitung“ fragt dagegen: „Wer, wenn nicht Margot Käßmann, die Artistin der Fehlbarkeit, hätte einen solchen Fehltritt in die eigene Biographie integrieren können? Trotz ihres erratischen Führungsstils, zahlreicher unabgestimmter Äußerungen und einem eklatanten Mangel an Teamfähigkeit, der in den vergangenen zwei Tagen so deutlich wie niemals zuvor ans Licht getreten war, sah das Leitungsgremium der Kirche den Ratsvorsitz bei Margot Käßmann weiterhin in guten Händen. Margot Käßmann hat anders entschieden. Mit ihrem Rücktritt verliert die Kirche ihren faszinierendsten religiösen Akteur.“

„Was ist nur los mit der Institution Kirche?“ wundern sich die „Dresdner Neueste Nachrichten“. „Während die katholischen Bischöfe zeitgleich die sexuellen Missbrauchsfälle mit quälendem Missmut aufzuarbeiten suchen, erschüttert eine über sich selbst erschrockene EKD-Ratsvorsitzende die deutschen Protestanten. Und während die einen, statt endlich Schuldfragen zu klären, lieber überflüssige Scharmützel mit der Justizministerin austragen, stürzt die andere mit einem vorschnellen Rücktritt ihre Kirche in eine heftige Führungskrise.“

Die „tageszeitung“ konstatiert, lediglich konservative Medien hätten Käßmanns Rücktritt gefordert. „Käßmann positionierte die evangelische Kirche in der Öffentlichkeit innerhalb ihrer ersten acht Wochen deutlicher als Wolfgang Huber in seinen sechs Amtsjahren. Doch offenkundig überwog bei Käßmann der Drang zur Selbstbestrafung die Frage, ob der Druck von außen auszuhalten gewesen wäre. Schade.“

Der „Münchner Merkur“ nennt den Rücktritt Käßmanns „menschlich zu bedauern“. Gleichwohl sei er „politisch und moralisch richtig. Der Fall macht schlaglichtartig deutlich, dass es Ämter gibt, deren Inhaber nicht fehlen dürfen, wollen sie sich nicht ihrer Wirkungsmacht berauben. Käßmann hätte künftig die Kraft für ihre wichtigste Aufgabe gefehlt, nämlich ihrer Kirche im öffentlichen Diskurs eine gewichtige Stimme zu verleihen. Insofern ist der Rücktritt gewissermaßen auch ein letzter Ausdruck ihrer Qualifikation.“

Die „Süddeutsche Zeitung“ kommentiert: „Ihr Rücktritt ist kein Akt der Schwäche, sondern der Stärke. Der Rat der Evangelischen Kirche hat sie im Amt halten wollen, er hat ihr das Vertrauen ausgesprochen - und ihr so die Möglichkeit gegeben, ganz allein über ihre Zukunft zu entscheiden. Und Käßmann hat sich gut entschieden: Der Häme setzt sie Reue entgegen, der Demütigung Demut: 'Du kannst nie tiefer fallen als in Gottes Hand.' Ämter sind nicht alles im Leben; sie zur rechten Zeit aufzugeben, ist eine Kunst, die viele Politiker und Prominente nicht beherrschen.“

Der „Mannheimer Morgen“ urteilt: „Für Käßmann ist der Rücktritt eine persönliche Niederlage, für die evangelischen Christen in Deutschland ein herber Rückschlag. Denn in ihrer kurzen Amtszeit hat Käßmann das Profil der Kirche geschärft, hat gestritten und auch polarisiert. Das brachte ihr nicht nur wie in der Afghanistan-Debatte Beifall ein. Aber die Bischöfin war auf dem besten Weg, eine 'Ikone des Protestantismus' zu werden. Sie gab den Erben Luthers ein charismatisches Gesicht. Wer ihr folgt, dürfte es schwer haben.“

Quelle: http://www.welt.de/news/article6555244/ ... reten.html
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