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Mitten in der Nacht

Montag 10. September 2012, 03:22

habe ich es geschafft, mich hier anzumelden. Von Baclofen wusste ich bis gestern gar nichts. War in meiner Verzweiflung im Netz unterwegs und stolperte darüber.
Ich schaffe es einfach nicht, bewege mich immer weiter Richtung Abgrund. Ich habe viel Hilfe bekommen. Therapien, ambulant und stationär, besuchte Selbsthilfegruppen. So kam ich ein paar Jahre auch gut über die Runden, aber dann fing ich wieder an. Erst waren es kleinere Rückfälle, inzwischen sind sie apokalyptisch. Der Einstieg ist immer ähnlich: Zwanghafte Angst, dass etwas passiert. Ich fange an Dinge nicht zu erledigen weil sie mir zuviel scheinen, lächerliche Kleinigkeiten, bis sich chaotische Berge türmen die mir dann Angst machen und dann trinke ich wieder massivst. Ich schlafe schon seit Jahren lausig, bin tagsüber müde und habe zwanghafte Phasen, in denen ich Angst vor Menschen habe, auch wenn ich grade mal nüchtern bin, also keiner was riechen könnte. Paar Wochen Pause, aber die Wochen ohne werden kürzer, die Mengen größer, die Ausfallerscheinungen auch, panische Angst vor dem Tod, in der Nachbarschaft starb ein Alkoholiker diese Wochen an den Folgen seines Alkoholabusus, statt die Finger davon zu lassen trinke ich noch mehr. Und nach einem ersten Ah steigt die Panik mit jedem Promille. Angst vor dem Leben, Angst vor dem Tod, Angst vor dem Outing, Angst vor dem Kieselstein vor der Haustüre, Angst vor der Verachtung der anderen Menschen. Dieser Tage hat mir jemand einen Zettel in den Postkasten geworfen von NARCONON, "Alkohol und Drogen sind hervorragende Lösungen: Sie lösen Familien, Ehen, Freundschaften, Arbeitsverhältnisse, Bankkonten und Gehirnzellen auf. Nur Probleme die Lösen sie nicht." Vor dem Outing müsste ich also keine Angst mehr haben, es war und ist wohl zu offensichtlich. Ist die letzte Zeit aber auch weder zu überriechen noch zu übersehen.
Ich habe immer furchtbare Angst zu versagen, Menschen genau dann im Stich zu lasen, wenn sie mich brauchen und genau das tue ich im Suff, ich steuer wie ferngesteuert auf den nächsten Ausfall zu. Ohne die Tiere gäbe es mich schon nicht mehr. Aber auch hier: Angst, Angst, Angst, dass ich eh nicht gut für sie bin und sie abgeben sollte, dass eines stirbt, leiden muss und vor allem, dass ich dann nicht da bin weil ich mich wieder weg dröhne und letzlich nur die Organisation des Nachschubs im Sinn habe.
Ich kann so einfach nicht weitermachen, ich möchte aber keine Therapien mehr, hatte derer soviele und hab es trotzdem nicht geschafft dauerhaft trocken zu leben. Grade dieses Wissen macht mich noch verzweifelter. Ich schaffe es ja doch wieder nicht!
Dieser Nächte war es so schlimm, dass ich zum 1. Mal wieder an Suizid dachte. Aber dieser Gedanke ist weg, ich beschloss, dass ich was finden muss, dass ich irgendwie aufhören muss, selbst wenn ich mich schon so dumm getrunken habe (und das habe ich bin völlig unstrukturiert, jeder Versuch Ordnung zu schaffen endet in noch größerem Chaos) und selbst wenn ich körperlich schon so krank bin, dass ich eh nicht mehr lange habe, aus Angst vor so einer Diagnose war ich schon jahrelang nicht mehr beim Arzt, würde ich so gerne noch einmal anders leben. Für mich und die, die mich trotzdem mögen. Wie auch immer sie das schaffen.
Ich habe aber keinen Arzt, die Hausärztin hier würde mir das nie geben. Und Kraft für Diskussionen habe ich nicht. Nicht mal den Mut mich mal durchzutelefonieren. Und im Internet möchte ich es nicht bestellen. Alleine trau ich mich das nicht und ich hab auch Schiss, dass das Medikament nicht sauber ist.
Sorry für das lange weichbirnige Geschreibsel, aber ich drehe mich ständig im Kreis und bin grade im Entzug. Hier habe ich Angst, dass die Geschäfte heute aufhaben und ich doch wieder was hole.

Re: Mitten in der Nacht

Montag 10. September 2012, 07:39

Hallo Juli,

herzlich willkommen im Forum und Danke für Deine ausführliche und schonungslose Vorstellung. Schön, dass Dich die „Freunde“ mit ihrem abgedroschenen „Lösungsspruch“ letztendlich doch hierher geführt haben, tatsächlich könntest Du mit Baclofen Dein Hauptroblem lösen.

Zeit sich zu entspannen – Deine PM beantworte ich gleich im Anschluss.

LG Federico

Re: Mitten in der Nacht

Montag 10. September 2012, 08:07

Vielen Dank, der Lösungsspruch hat mir zunächst mal den Rest gegeben, das waren und sind genau die Sprüche, die mir Angst machen.
Mit dem Narconon-Konzept das ich überflogen habe kann ich nichts anfangen.
Und ehrlich, ich weiß gar nicht, aufgrund welchen Stichworts ich hier gelandet bin.
Ich habe Hoffnung.

Re: Mitten in der Nacht

Montag 10. September 2012, 08:24

Hallo Juli

Auch von mir ein herzliches Willkommen im Forum. Danke für Deine Offenheit.
Ich habe Hoffnung
Sie soll Dich von nun an begleiten! Inzwischen ist es Tag geworden und die Sonne steht wieder am Himmel. Nimm dies wie ein Symbol für Deine Zukunft mit einer Therapie, welche manchem ein neues Leben geschenkt hat.

Ich wünsche Dir von Herzen alles Gute
LG moonriver

Re: Mitten in der Nacht

Montag 10. September 2012, 08:50

DANKE, ich hoffe, ich gehöre zu manchen!
GLG
Juli

Re: Mitten in der Nacht

Montag 10. September 2012, 11:11

Hi Juli

Angst vor dem Kieselstein vor der Haustüre

Dieser kleine Satz hat mich sehr berührt und Erinnerungen wach gerufen - Angst vor den Kieselsteinen, dem Schellen der Hausklingel, des Telefons, vor mir selbst usw. kenne ich zur Genüge - habe ich im Entzug 1000x durch. Gerade Deine Worte haben mich wieder darann erinnert wie grausam das alles ist bzw. war. Versuche es bitte mit Bac! Bei mir hat es fast auf Anhieb geholfen - und ich war letzendlich unterm Strich ca. 40 Jahre in diesem Hamsterrad gefangen.
Viel Glück und bei Unsicherheiten oder Fragen bitte fragen - es wird immer jemanden geben, der einen Rat hat. Wir sitzen hier schließlich alle im gleichen Boot.

LG tom

Re: Mitten in der Nacht

Montag 10. September 2012, 15:36

Telefon und Hausklingel geht gar nicht. Schweißausbrüche, Herzrasen...
Ihr seid wirklich anders! Danke, danke, danke!

Re: Mitten in der Nacht

Dienstag 11. September 2012, 16:42

Guten Tag Juli,

bin froh, dass Du uns gefunden hast, es klingt so, als ob Du richtig gut hierher passt. Wenn Du per PM mit Federico in Verbindung stehst, wird sich das Problem der Baclofenbeschaffung sicher lösen lassen, oder -wie ich ihn kenne- schon gelöst sein.

Zu allem was Du schreibst: Hilfe ist möglich (schau auch was ich an Didier geschrieben habe). Es gibt sogar Forenmitglieder, die Baclofen "nur" gegen ihre Angst/Panikerkrankung nehmen, ohne Suchtproblem. Und: es funktioniert! Hab keine Angst vor kleinen Schritten...wichtig ist nur: dass Du sicher ankommst.

Will Dir nur sagen: auch ich kann das, was Du schreibst zu 100% nachempfinden....Stichwort Türklingel...aber erklär das jemand "Gesundem"....

einen ganz herzlichen Gruss
jivaro

Re: Mitten in der Nacht

Dienstag 11. September 2012, 17:40

Hallo Juli,

ich hoffe, das Du es bald mit Baclofen versuchen wirst. Ist doch super, dass das Netz Dir die Möglichkeit mit Baclofen gebracht hat und dass Du so schnell hier her gefunden hast. Hier noch ein Link zu Narconon:

http://de.wikipedia.org/wiki/Narconon

"In der Öffentlichkeit, auch von deutschen Gerichten, wird Narconon – wie auch der Muttergesellschaft Scientology – vorgeworfen, die Geschäfts- und im Besonderen die Therapiemethoden seien menschenverachtend und nicht dem Zweck angemessen."

Das scheint nicht so sinnvoll zu sein.

Alles Gute!

Viele Grüße

Meta

Re: Mitten in der Nacht

Dienstag 11. September 2012, 17:54

Danke Meta,

diese Narconon-Sache habe ich unentschuldbarerweise tatsächlich überlesen.
Tatsächlich gibt es noch schlimmere Abhängigkeiten als die von stofflich gebundenen: Die Abhängigkeit von Scientology.

LG Federico
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