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Frischling

Freitag 20. Juli 2012, 13:45

Hallo an Alle,
bin neu hier und freue mich das Forum gefunden zu haben.
Ich bin seit ca. 20 Jahren alkoholabhängig und habe eine entsprechende Vita mit 3 Therapien, unzähligen kalten Entzügen und Entgiftungen.
Ich war nie Spiegeltrinker sonder Rauschtrinker - lange Zeit als Quartalssäufer mit längeren Trockenzeiten. Die alkfreihen Phasen wurden immer kürzer, die Exzesse und Entzüge immer heftiger.
Ich hatte mich schon 2010 mit Baclofen beschäftigt und versucht in die Studie der Charite reinzukommen. Hat nicht geklappt, da ich im Rsaum Hannover wohne.
Nach der letzten Entgiftung Ende Mai d. J. hab ich mich entschlossen, einen Selsttest mit Baclofen durchzuführen. Habe mit 25mg begonnen und bin jetzt bei 150 mg. Ich protokoliere alle Einnahmen und Nebenwirkungen. Ein Nebeneffekt: Ich konnte schrittweise die Dosis von Metropolol (Bluthochdruck) reduzieren und jetzt ganz beenden.
Nebenwirkungen gibt es einige, aber keine gravierenden.
Brauche morgens länger um in die Gänge zu kommen und fühle mich nachmittags öfter schlapp. Komischerweise hat sich mein Schlafverhalten zum negativen verändert, ausreichend Schlaf ist eher selten obwohl ich erschöpft bin. Vielleicht verursacht dadurch, dass ich den Alkohol auch als Einschlafhilfe benutz habe.
Ich treibe trotzdem regelmäßig Sport (3x p. W.) und Yoga. Parallel besuche ich eine angenehme, tolerante SHG. Aufgrund der regelmäßigen körperlichen Belastung habe ich auch noch keine Atemprobleme verspürt.
Das Carcing ist im Zeitraum der letzten Wochen deutlich geringer geworden, aber noch nicht völlig verschwungen. Vorerst werde ich die letzte Dosis von 150 mg beibehalten. Wenn das craving nicht ausbleibt ggf. weiter erhöhen.
Das war es zum Einstieg.
Freundliche Grüße
Michael

Re: Frischling

Freitag 20. Juli 2012, 16:34

Hallo Michel,

herzlich willkommen im Forum. Gleich zu Beginn von mir ein paar Fragen, woher beziehst Du Baclofen, wirst Du ärztlich begleitet und wie hat sich Dein Alkoholkonsum entwickelt?

Das Schlafproblem ist eher ungewöhnlich für User die zu Beginn der Therapie abstinent waren. Wie ist das bei Dir? EIn Grund für Schlafprobleme könnte die relativ zügige Hochdosierung sein, andere Möglichkeiten gibt es auch. Bin schon auf Deine Antworten gespannt, sie dürften andere Mitglieder auch interessieren. Vielleicht hast aber auch Du ein paar Fragen?

LG Federico

Re: Frischling

Freitag 20. Juli 2012, 18:31

Hallo federico,
ich werde von einer Neurologin begleitet, sie verschreibt mir das Baclofen auf Privatrezept und beobachtet aufgrund meines Protokolls die Dosierung und Nebenwirkung. Ich bin jetzt seit 7 Wochen trocken und hab vor 6 Wochen angefangen mit dem Selbsttest.
Vorher hatte ich exzessive Trinkphasen von 5-10 Tagen Dauer mit ca. 200-300 g alkohol p. T. (1-1,5 Fl. Wodka).Diese Menge war immer in etwa gleich, meist gab es eine Einstigphase mit Rotwein 1/2 bis 1 Flasche sporadisch, dann täglich - irgendwann nach ca. 1 Woche kam der Wodka auf den Tisch.
Anfang waren tatsächlich 2-3 Monate Trinkpause ganz "ohne" dazwischen, hab viel gearbeitet und musste auch täglich Autofahren.
In der Endphase seit ca. einem Jahr hatten sich die Trockenzeiten auf 4-6 Wochen verkürzt, was zu vermehrten Fehlzeiten in der arbeit führte und letztlich die beendigung des Arbeitsverhältnisses zu Folge hatte. Hab aber eine sehr kulante Abschiedsregelung erreicht, so dass ich vorerst keine wirtschaftlichen Engpässe erwarten muss.
Die Arbeit hat mir Spaß gemacht, hab mich Zeit meines Lebens über Leistung definiert. Aber sie hat auch zu diesem Suchtverhalten beigetragen - Trockenphasen waren durch Suchtverlagerung mit 60-70 Wochenstunden verbunden, dann wieder Aussteigen, Abschalten = Saufen, Entzug. Keinen Ausgleich, kaum soziale Kontakte.So ging das Karussell ein paar Jahre. Verschärft hat sich die Situation nach dem plötzlichen Tod (Hirnbluten) meiner Lebensgefährtin in 2006. Von da an gings steil bergab.
Das komische ist - bin jetzt seit 3 Monaten freigestellt - ich vermisse nichts, kümmerte mich um Haus und Garten, treibe Sport mehrmals die Woche, Besuche die Selbsthilfegruppe und kümmer mich um mich. Und das tut gut. Dachte erst mir fällt die Decke auf den Kopf - bis jetzt nicht und mir gets gut. Besonders seit der Einnahme von Baclofen wobei das craving noch nicht ganz weg ist. Ich denke, dass ich die hinreichende Dosis noch nicht erreicht habe. Nach Absprache mit der Ärztin bleib ich erst mal 2 Wochen bei 150 mg.
LG Michae

Re: Frischling

Freitag 20. Juli 2012, 20:06

Lieber Michael,

sich ein Leben über Leistung definieren – wie bekannt mir das vorkommt. Dazu passt das Ventil Alkohol gut wenn der Druck zu groß wird. Überforderung ist gefährlich und schleicht sich unbemerkt ein. Beruhigend auch, dass Du in neurologischer Begleitung bist und auch gut wenn die Dosierung kompetent austariert wird.

Über neue Arztadressen freuen wir uns immer ...

LG Federico

Re: Frischling

Dienstag 24. Juli 2012, 14:14

Hallo Micha,

willkommen im Boot.
... und kümmer mich um mich. Und das tut gut

Das ist sicher das beste, was Du tun kannst und sei froh, das Du die Gelegenheit dazu hast. Im Arbeitsstress und unter Alk ist es schwierig, den Ausstieg zu schaffen - so meine Erfahrung. Wir haben Jahrzehnte Schindluder mit Körper, Geist u. Seele betrieben - was sind da ein paar Tage o. Wochen der Ruhe u. des Ausgleichs? Ich hatte das Glück in einer guten Privatklinik diese Ruhe u. den nötigen Abstand zu finden.
Bei meinem letzten Entzug, Ende April, begann ich mit Bac und mittlerweile gelingt es mir auch, Ruhe und Entspannung bei extremer Arbeitshektik zu "organisieren". Das ist Voraussetzung, die nötige Achtsamkeit für mich u. mein Umfeld aufrecht zu erhalten. Seitdem der Alk dank Bac nicht mehr mein Leben diktiert ist eigentlich alles (wieder) möglich!!! Und das schon nach schlappen 3 Monaten - für mich eigentlich ein nicht mehr erwartetes Wunder!

Viel Erfolg tom

Re: Frischling

Dienstag 24. Juli 2012, 14:50

Hallo Tom,
danke für die lieben Worte.
Ich bin auf dem Weg, merke aber, dass da noch was in mir gärt. Es geht jetzt schon viel, aber die Zeit ist noch zu kurz und das Suchtgedächtnis noch sehr wach.
Eine Frage an alle: Wie geht Ihr mit dem Thema Baclofen in den Selbsthilfegruppen um. Bin zwar in einer angenehmen und auch toleranten Gruppe, aber von Medikamenten wolln die nix hören - ist ein verstoß gegen die Paradigmen. Will aber das Thema dort auch nicht ausblenden, da es mich schon sehr beschäftigt.
Eine Frage an federico: Wie ist das mit der Teilnahme an anderen Foren ? Kann ich mich da einfach einloggen oder muss da was freigeschaltet werden ?
LG Micha

Re: Frischling

Dienstag 24. Juli 2012, 15:34

@Michael,

habe mich schon gewundert, dass Deine SHG so tolerant ist. Ich fürchte das wird noch etwas dauern, bis die ersten SHG's sich dem Thema Medikamente zur Unterdrückung des Craving öffnen werden. Speziell die SHG mit der langen Tradition hat da enorme Schwierigkeiten damit, Blaues Kreuz toleriert m. E. schon eher.

Die Frage welchen Sinn eine intolerante Gruppe für den Baclofenuser hat, kann ich nicht viel beitragen. Ich kann nur von mir ausgehen und da hätte sie keinen Sinn.

Mit anderen Foren meinst Du wahrscheinlich PESA, es ist der einzige nichtöffentliche Bereich für Mitglieder. Wenn Du einen Arzt suchen solltest und es willst, schalte ich Dich gerne dafür frei.

LG Federico

Re: Frischling

Mittwoch 25. Juli 2012, 08:56

Hallo Michael

Herzlich Willkommen auch von mir!
Eine Frage an alle: Wie geht Ihr mit dem Thema Baclofen in den Selbsthilfegruppen um.
Ich besuchte zweimal bei einer öffentlichen Stiftung hier in der CH einen Gruppenkurs. Das erste Mal noch ohne Baclofen und mit dem üblichen inneren willentlichen Kampf gegen das übermächtige Craving. Dieser Kurs hatte damals eine sinnvolle Wirkung. Im Jahr darauf, 2011, besuchte ich nochmals denselben Kurs, dieses Mal bereits in Bac-Therapie. Der Unterschied war wie Tag und Nacht... dauernd "vergass" ich, warum ich eigentlich dort anwesend bin, diskutierte trotzdem fleissig mit, aber aus einer ganz anderen Sicht.
Am letzten Abend erschien ich ausgerüstet mit Dokumentation und berichtete in einem kurzen Statement über meine Erfahrungen mit Bac. Dieser Schuss ging vollständig nach hinten los... nach ein paar kurzen Worten des Kursleiters (wir haben mal davon gehört, in irgend einer Schublade liegt noch eine Info, wohl wieder eine neue Wunderpille, etc...) war jegliches Interesse in der Gruppe verschwunden! Selbst in einem anschliessenden persönlichen Gespräch mit einem Teilnehmer musste ich feststellen, dass er lieber auf Antabus setzt. Er sagte mir übrigens: "Du wirst den verheerenden Suchtdruck ein Leben lang mit dir tragen. Ich musste mich damit abfinden. Mein täglicher Kampf..." Gerne hätte ich ihn vom Gegenteil überzeugt! Gerne hätte ich ihm einen neuen Weg aufgezeigt.

Heute sehe ich schlichtweg keinen Sinn mehr in eine Gruppe zu gehen. Ich kann mich dort nicht mehr einreihen...

Dies meine Erfahrung zu diesem Thema.

Die Wirkung von Bac lässt sich rational und biochemisch vielleicht sogar erklären, die mentale, gefühlte Wirkung jedoch bleibt für mich unbeschreiblich und äusserst verblüffend. Dies meine Erfahrung, da ich das Raubtier Craving kennengelernt habe und immer wieder seine Pranken gefühlt habe.

Ich wünsche Dir von ganzem Herzen Erfolg!

LG moonriver

Re: Frischling

Mittwoch 25. Juli 2012, 13:41

Federico hat geschrieben:sich ein Leben über Leistung definieren – wie bekannt mir das vorkommt.
LG Federico


Och kommt mir gar nicht bekannt vor.... :))

Rico
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