Dienstag 27. September 2011, 08:35
So, Erwerbseinkommensjob für heute erledigt.
Dafür wartet genug andere Arbeit auf mich *arrggh*.
Ich habe mittlerweile viele postings gelesen und könnte eine Menge sofort unterschreiben!
Was war zuerst: die Angst oder der Alk?
Bei mir eindeutig die Angst.
Schon vor dem Kindergarten, bin mit 3 Jahren dorthin gekommen, hatte ich Angst. Ich wurde von den älteren Kindern stets verprügelt- bis ich irgendwann zurück schlug. Gewalt war mir bis dahin fremd- in meiner Familie gabs keine Prügelstrafe.
In der Grundschule rannte ich bis in die 2. Klasse auf dem Heimweg, da ich auch dort oft verprügelt wurde. Ich war nicht besonders stark, aber pfiffig- so hörten die Prügelattacken in der 2. Klasse auf.
Fünf Jungs gegen ein Mädchen, oft Veilchen und aufgeschlagene Knie, einmal sogar ein abgerissener Tornister und zerissene Schulhefte- das war häßlich.
Vor der Schule selbst hatte ich damals keine Angst- Schule machte Spaß, brachte gute Noten und Lob zuhause ein.
Im Gymnasium war es nicht viel anders, auch wenn dort eher subtile Gewalt und Sachbescheschädigung seitens der "Klassenkameradieschen" eingesetzt wurde. Das ließ erst nach, als ich 10 Kilo abnahm, mich modern kleiden durfte (meine Eltern hatten sehr viel dagegen!) und plötzlich zur beliebtesten Mitschülerin mutierte.
Vor meiner Mutter hatte ich ebenfalls Angst.
Duch das ADHS vergaß ich regelmäßig die Hausaufgaben, sogar das Hausaufgabenheft, welches ich in der 3. Klasse zu führen begann. Das Theater zuhause war so groß, daß ich oft Angst davor hatte, zu klingeln, denn ich hatte wieder einmal das Hausaufgabenheft vergessen

Kam ich allerdings nicht pünktlich nach Hause, setzte es ebenfalls Demütigungen...
Ich hatte also die Wahl zwischen Teufel und Beelzebub.
Ganz schlimm wurde es am Gymnasium. Ich schrieb nun nicht mehr ausschließlich Einser und Zweier, sondern brachte immer häufiger eine drei, eine vier und sogar gelegentlich ein "Mangelhaft" nach Hause.
Dann hieß es, ich wäre zu dumm fürs Abi, ich würde als Putzfrau enden (was ich heute in der Tat geworden bin), ich wäre eine Versagerin, eine Niete und ähnliche Nettigkeiten.
AD(H)S wurde früher mit körperlicher Gewalt, verbalen Demütigungen, Verhöhnungen und emotionalen Mißhandlungen "therapiert"- im schlimmsten Fall mit Sonderschule und Erziehungsheim.
Das Ergebnis war, wie ich heute weiß, eine ausgesprochene Sozialphobie.
Ich hatte Angst vor anderen Leuten, Angst vor Gleichaltrigen, Angst vor der Tanzschule, Angst, in ungewohnten Situationen den Mund aufzumachen, vor der Disco- kurzum, Angst vor dem eigenen Schatten.
Wer sollte mich schön mögen, da ich doch eine Versagerin und eine Niete war...!?
Bier war für mich _das_ Medikament 1. Wahl.
Frei zugänglich, nicht teuer und äußerst hilfreich.
Ich konnte frei reden, entwickelte eine gewisse Schlagfertigkeit, die ich mir in die Woche rettete und immer weiter verfeinerte. Plötzlich war ich anerkannt.
Ich frage mich, warum in den ambulanten und auch stationären Therapien nie auf die Ursache meines Trinkens, die Angst, eingegangen wurde.
Damit scheine ich nicht allein zu stehen.
Angst ist bis heute mein ständiger Begleiter.
Angst vor meinem Arbeitsplatz, Angst davor, daß mein Uralt-Auto nicht über den TÜV kommt, Angst vor dem Zahnarzt, Angst vor der Schlaflosigkeit, Angst, im täglichen Leben zu versagen, Angst..., Angst...
Dagegen helfen weder Trimipramin, Doxepin noch die anderen Nettigkeiten aus dem tri- und tetrazyklischen AD-Bereich. SSRI ebenfalls nicht, SNRI auch nicht. Ritalin habe ich vier Monate lang genommen; wurde in der REHA drauf eingestellt. Leider habe ich es wegen meines Bluthochdrucks nicht gut vertragen, so daß ich es wieder absetzen musste.
lg
Nexe