Mittwoch 2. Dezember 2009, 12:37
Ein Erfahrungsbericht
Zu diesem Thema ist die wissenschaftliche Datenlage bisher nicht sehr umfangreich und wirklich gesicherte Empfehlungen über Dosierung, die Wirkungen und das Langzeitverhalten gibt es nicht. Umso wichtiger erscheint es mir, zumindest über einen Erfahrungsaustauschu.a. in diesem Forum eine gewisse Sicherheit zu gewinnen.
Status
Ich bin seit mehr als 20 Jahren alkoholkrank; es gab in dieser Zeit langjährige Abstinenzzeiten, aber auch immer wieder Rückfälle.
Ich versuchte in der ganzen Zeit nach der Diagnose des Alkoholismus von dieser Krankheit loszukommen und dauerhaft abstinent zu leben. Dazu habe ich Einzel-, Langzeit- und Gruppentherapie sowie pharmakologische Unterstützung (Campral und Naltrexon) genutzt, wobei für mich die Medikation mit diesen beiden Medikamenten nicht oder nur wenig hilfreich war.
Rückfälle
Meine Rückfälle sind, soweit ich das im Nachhinein sagen kann, immer in stark emotionalen Situationen in denen Angst, Freude und Trauer eine wesentliche Rolle spielten, aufgetreten.
In diesen Situationen war das Craving auf einmal da als Verlangen nach Alkohol oder als Wille, Alkohol zu konsumieren. Die Patentrezepte der Psychotherapie z.B. jemanden anrufen, Sport treiben usw. waren ohne jede Bedeutung. Diese Situationen hatten auch keine erkennbaren Vorboten, auch das ein Credo der psychologischen Therapie.
Wenn ich in der Vergangenheit während Abstinenzzeiten solche Situationen ausgehalten hatte, war das ein Kampf gegen den Alkohol.
Wirkung von Baclofen
Situationen mit stark emotionalem Anteil sind ein normaler und integraler Bestandteil des Lebens und damit war für mich der nächste Rückfall über Craving immer nur eine Frage der Zeit.
Baclofen wirkt offensichtlich bei mir genau an dieser Stelle und unterdrückt komplett durch seine Wirkung im Gehirn, vermutlich im GABA- System, das Craving. In den letzten drei Monaten, in denen ich Baclofen nehme, war ich dreimal mit einer solchen, für mich typischen Rückfallsituation konfrontiert in denen bei mir reflexartig der Gedanke nach Alkoholkonsum hochkam. Aber der Gedanke erzeugte nicht wie früher ein Craving, sondern konnte einfach ignoriert werden, der Gedanke war nicht relevant.
Dosierung/Nebenwirkungen
Ich habe vor 3 Monaten mit 3x 10mg Baclofen über den Tag verteilt begonnen. Dann die Dosis über 3x 12,5 mg und dann 3x 20 mg (so gut es geht, die 25 mg Tablette zu teilen) auf 3x 25 mg gesteigert (seit 8 Wochen). Das ist die maximal empfohlene Höchstdosis bei ambulanter Therapie gemäß der Packungsbeilage und auch nur bis zu dieser Dosierung von meinem Hausarzt erlaubt.
Meine Blutwerte lasse ich ein Mal pro Monat kontrollieren; bisher gibt es keine Auffälligkeiten.
An Nebenwirkungen hatte ich, vor allem zu Beginn der Medikation, am Abend eine stark erhöhte Müdigkeit, tagsüber gab und gibt es keine Beeinträchtigung.
Zusammenfassung
Für mich stellt Baclofen das Mittel der Wahl dar. Einige Fragen, z.B. „wie hoch darf/sollte die Dosierung als Dauermedikation sein“ und „gibt es eine zeitliche Limitierung der Wirkung“, sind noch offen.
Solange es keine wissenschaftlich gesicherten Aussagen dazu gibt und die sehe ich in den nächsten Jahren nicht, könnte der Erfahrungsaustausch von Nutzern Hinweise zur Klärung solcher oder ähnlicher Fragen ermöglichen.
Zuletzt geändert von invorio am Montag 7. Dezember 2009, 07:12, insgesamt 1-mal geändert.