Sonntag 27. November 2011, 12:07
Hier ein kurzer Bericht aus meinem kleinen Privatlabor:
bin jetzt bei 3x10mg. Die ersten Tage manchmal im Stehen eingeschlafen, und abends um 21h ins Bett. War aber ja vorgewarnt und habe das nicht überbewertet. Drumherum ein köstliches Gefühl von: klare, breite Tragfläche für die Gegenwart, viel Antrieb und Lust, meine Zeit mit Aktivität anzufüllen, viel Schönes aauch für Andere und mit Anderen geschafft. Klasse! Ich dachte manchmal: das ist die unvergiftete Lebens- und Daseinsfreude, die ich immer geahnt, gesucht und, jedenfalls früher also vor 20, 30 Jahren, nur mit der Hilfe von Giften gefunden habe. Echt sehr schön. "Das Buch" gelesen. Ein mutiger Mann. Ich bin von dieser ganzen Entdeckung Baclofen beeindruckt und erfreut. Habe auch das Gefühl, daß mein chronischer Muskelspasmus, der meine gesamte rechte Körperhälfte seit über 10 Jahren in Mitleidenschaft zieht (sodaß ich kaum joggen kann, obwohl ich das liebe, und Pilates auch büßen muß), allmählich allmählich etwas nachgibt...da denke ich an den Appell, GEDULD zu haben, nicht zu schnell hochdosieren, schön diszipliniert bleiben.
Gestern: wäre absolut der Tag für 2 Flaschen Wein gewesen, viel gekocht und gebacken und mit den Kindern in der Küche viel gesprochen und dann Nachbarschafts voradventsglühwein und dann Abendeinladung...Und was war?: ein Schnapsglas Sherry und ein halbes Glas Sekt und aus Schluß fertig. Das ist wirklich sehr, sehr beeindruckend, wie unspektakulär einfach der Druck wie weggeblasen ist: ich hatte keine LUST zu trinken! Ich kenne natürlich Zeiten, wo ich den Druck schaffe fernzuhalten, auch zeitweise abzuspalten, aber hilft nie für lang. Dies hier ist was komplett anderes. Sehr freundliches, dabei lebensstärkendes Medikament.
Ich lerne übrigens gerade viel!, ich glaube ich war auch so eine, die vor lauter Dünkel heimlich die Nase gerümpft hat über Leute, die noch tiefer drinstecken im Eimer. Komisches Phänomen. Muß ich noch weiter erforschen.
Bis hierher erstmal. Bei "Fede(r-)rico" habe ich übrigens immer die Assoziation von "reiche Feder" (falls das jemanden interessiert). Ist auch ein verkapptes Kompliment für zuverlässige Tragekraft. Bis ein andermal,
Grüsse von Anna
Sonntag 27. November 2011, 13:50
Komisches Phänomen.
Kein Phänomen, man nennt es Relative Deprivation. Wer erkennt, dass es anderen noch schlechter geht, kommt schneller aus dem eigenen Stimmungstief und sieht seine eigene Position besser als sie eigentlich ist.
Eine andere Erklärung finde ich bei Paul Watzlawick und seinem zweistufigen Konzept der Wirklichkeit: In der Wirklichkeit Erster Ordnung ist eine halb volle Flasche Wein ein Glasgefäß, das zu fünfzig Prozent mit Wein und zu fünfzig Prozent mit Luft gefüllt ist. In der Zweiten Ordnung der Wirklichkeit erfolgt eine wertende Zuschreibung: Pessimisten nennen die Flasche halb leer, Optimisten halb voll.
Oder bei dem Kybernetiker Heinz von Förster: Was ist real an unserer Umwelt? Die „Realität“ entsteht durch unsere persönliche Wahrnehmung. Und da der Mensch kein wissenschaftliches Messinstrument, sondern ein komplex fühlendes Wesen ist, kann er „Realität“ nur aus seinem eigenen, subjektiven Blickwinkel erkennen. „Die Umwelt, so wie wir sie empfinden, ist unsere Erfindung.“
Naserümpfen kann auch das Erschrecken vor einer beängstigenden Erkenntnis sein. Hochmut oder Arroganz ist es in Deinem Fall sicher nicht, Du würdest es ansonsten sicher nicht erwähnen.
LG Federico
Sonntag 27. November 2011, 17:45
@Warzo: ich fand deine Idee für mein Labor treffend und lustig.Vielleicht merkt man mir das hier nicht an, aber ich habe selbst eine scharfzüngige Seite und finde knappe Treffer gut! Dein Vorschlag ist doch durchaus bedenkenswert.
@Conny: danke, ich hoffe das, und es fühlt sich auch so an. Werde euch berichten!
Jetzt gehe ich alkoholfreien Tee

trinken.
Schöne Grüße, und bis bald
Anna