Samstag 26. März 2011, 19:32
Hallo!
In den U.S.A. ist Diazepam bei der stationären Alkoholentgiftung zwecks Deliriumsprophylaxe das Mittel der Wahl, möglicherweise gekoppelt mit Neuroleptika, nicht mehr Distraneurin, u.a wegen Atemsuppression und Schleimbildung.
Für die ambulante 5-Tage-Entgiftung in Eigenregie habe ich es schon selbst verwendet, war sogar arbeiten, um mich abzulenken, direkt danach Baclofen genommen (recht hoch dosiert) und kein Bedürfnis weder nach Alk noch nach Diazepam.
Selbst ambulant und on the Job von Alk und schließlich Benzos zu entgiften hat Vorteile, aber das muss jede/r selbst entscheiden und wissen, ob ein Delirium droht; im letzteren Fall kann es fatal sein, aber nicht jeder ist so weit, dass ein Delirium droht. Ich denke, das weiß man selber. Bei Zweifeln: besser stationär entgiften. Dauer: ca. eine Woche. Dafür am besten 7 Arbeitstage Urlaub nehmen, damit man am Arbeitsplatz nicht mitleidig-verständnisvoll behandelt, letztlich aber stigmatisiert wird.
Wenn man von Alk abhängig ist, finde ich das VIIIEL schlimmer als von Diazepam. Für letzteres gibt es wunderbare Ausschleichschemata; s. das legendäre Ashton-Manual, auch auf Deutsch (Federico hat hier im Forum dazu verlinkt).
Problematisch finde ich es, die eine Sucht durch die andere ersetzen zu wollen. Geht eigentlich gar nicht, meistens ergänzt man, denn die Benzos beseitigen morgens den Tremor und andere Entzugsrscheinungen und machen eine Zeit lang fit; Betroffene werden das kennen. In aller Regel kann also nicht ersetzt werden, sondern es wird ergänzt, und das ist weder gut noch die richtige Richtung.
Dann kann nämlich man wirklich in eine ziemlich aussichtslos scheinende und depressive Situation geraten.
Aber so schlimm wie die konventionellen Alk- und Psychotherapeuten immer tun, ist das - nach meiner Erfahrung - gar nicht. Hilfe: einfach über mehrere Wochen nach Schema selbstbestimmt ausschleichen. Von Hausärzten ist dabei nicht allzu viel erwarten - die blicken es nicht und stürzen einem mitunter noch tiefer ins Elend.
Ich sehe Benzos also recht locker, will sie aber nicht verharmlosen. Im Einzelfall kann ich sie mir schon verheerend vorstellen, wenn beispielsweise jemand so richtig in den ganzen Tavors u.a. anderen Mother's Little Helpers "badet". Außerdem gerät man in gefährliche Situationen beim Laufen und beim (illegalen) Autofahren: erhebliche Sturz- und Unfallgefahr.
Aber auch bei härteren Benzos würde das Umswitchen auf Diazepam und das Ausschleichen helfen, es dauert halt Wochen, und es ist nicht ganz einfach, sich Diazepam (wegen der ultrafeinen Ausschleichdosierung am besten in Tropfenform) zu besorgen.
Es werden beim langsamen Ausschleichen höchst angenehme psychische und physische Reserven freigesetzt, was sehr motivierend ist.
Lasst Euch von den Ärzten nicht kirre machen.
Good Luck!
warzo
Sonntag 27. März 2011, 12:56
@Warzo,
Wenn man von Alk abhängig ist, finde ich das VIIIEL schlimmer als von Diazepam.
Aus Deiner Sicht vielleicht. Eine allgemeine Aussage wäre fatal.
Aber so schlimm wie die konventionellen Alk- und Psychotherapeuten immer tun, ist das - nach meiner Erfahrung - gar nicht.
Ich finde nicht, dass sie so schlimm tun, sie sind heute nur nicht mehr so sorglos im Umgang wie noch vor 20 Jahren.
Im Einzelfall kann ich sie mir schon verheerend vorstellen,
Leider kenne ich eine erhebliche Anzahl von „Einzelfällen“. Speziell die „Drehtürpatienten“ in den Entzugsstationen sind davon betroffen. Man spricht von 30%.
Lasst Euch von den Ärzten nicht kirre machen.
Es gibt sie nicht „Die Ärzte“, genausowenig wie es „Die Alkoholiker“ gibt.
LG Federico
Sonntag 27. März 2011, 15:10
Hallo Federico,
ja meine Zeilen sind sehr subjektiv, ich will auch nicht den "Timothy Leary der Benzos" geben - um Gottes Willen!
Ich habe auch schon von Suchttherapeuten gehört und im Internet gelesen, dass Entzug von Benzos sehr schlimm sein kann und kann mir das auch vorstellen.
Ich habe andereseits schon von einem erfahrenen Alkoholtherapeuten von der Diakonie gehört, dass die meisten Todesfälle beim klinischen Alkohol-Entzug zu beklagen seien, sogar wenn man die Quantität wegrechnet und von den bekannten Gesundheitsfolgen absieht.
Was die Ärzte angeht, sehe ich es eine Nuance anders: Die allermeisten verstehen nichts von den neuen Ansätzen (s. Baclofen und Benzo-Entzugs-Schemata) und haben im Rahmen der 4-Minuten-Medizin auch weder Zeit noch Lust, sich auf solch schwierige Problemlagen einzulassen. Sie bleiben bewusst ignorant. Es wird wohl auch andere geben; hoffentlich überfordern die sich nicht!
LG warzo