Web Modus
Nicht mehr trinken. Sondern weniger.
Antwort erstellen

Selincro® (Nalmefen): Nicht mehr trinken bleibt das Ziel.

Sonntag 29. Juni 2014, 13:22

Das vorläufige Ende von „weniger trinken“ in Deutschland.
Jedenfalls soweit es Selincro® (Nalmefen) betrifft.

Das Medikament mit dem Handelsnamen Selincro wurde von der dänischen Firma Lundbeck
mit Sitz in Dänemark erforscht und entwickelt. Bei dem Wirkstoff Nalmefen handelt es sich um
ein Opiatderivat, welches dafür sorgt, dass die Belohnungsreaktion des Gehirns auf Alkohol
ausbleibt. Das hilft den Betroffenen, ihren Abstinenzvorsatz auch durchzuhalten.
 


Um das Medikament verschrieben und finanziert zu bekommen, müssen die Betroffenen
genau wie beim Antritt einer Therapie bereit sein, komplett auf Alkohol zu verzichten.

Um die Wartezeit auf einen Therapieplatz zu überbrücken, wird das Medikament für maximal
drei Monate von den Kassen übernommen. Eine Verlängerung dieser Frist auf sechs Monate
ist im Einzelfall möglich. Verschrieben werden darf das Medikament nur von erfahrenen
Suchtmedizinern.


Hier finden Interessierte den kompletten Beschluss des Gemeinsamen Bundesausschusses 

über eine Änderung der Arzneimittel-Richtlinie: Anlage III Nummer 2 – Alkoholentwöhnungsmittel


Von der Lundbeck Deutschland GmbH wird bis zur Deutschland-Zulassung auf die Möglichkeit
des Bezugs über Europa-Rezept verwiesen. Selbstverständlich auf eigene Kosten, z.B. in Österreich
ist „weniger trinken“ für nur 7,32 € pro Trinkereignis möglich. Zum Beispiel über die Uniapotheke Wien.
Empfehlenswert ist die Bestellung von mind. 3 Packungen á 7 Stck., da ansonsten zu den Kosten
von 51,25 € (7 Stck.) noch 14,40 € für den Versand nach Deutschland fällig sind. Ab einem
Bestellwert von 150,– € ist der Versand kostenlos.

LG Federico

Re: Selincro® (Nalmefen): Nicht mehr trinken bleibt das Ziel

Sonntag 29. Juni 2014, 13:38

@Federico,

ohne Worte.....All das Theater rund um Selincro....dafür?!

Hinzu kommt, dass auch auf der Basis von Unterlagen niedrigerer Evidenzstufen ein Konsens in den einschlägigen Fachkreisen über den Stellenwert der Trinkmengenreduktion als gleichrangiges Therapieziel zur Behandlung der Alkoholabhängigkeit auch im Verhältnis zur Abstinenztherapie nicht feststellbar ist. Demgegenüber kann die Abstinenztherapie aufgrund der Abstinenzorientierung in der medizinischen Rehabilitation und der umfangreichen Erfahrungen mit entsprechend ausgerichteten Behandlungsprogrammen und im Bereich der Selbsthilfe als eine Behandlungsform angesehen werden, die sich in der Behandlung der Alkoholabhängigkeit bewährt hat und deshalb die vorrangig zu verfolgende Behandlungsform darstellt.

x_x (nicht wegen Selincro...aber die Begründung....)

Wie genau ist dieser Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA) eigentlich zusammengesetzt? Und könnte dieser Beschluß auch Auswirkungen auf die Off-Label-Verschreibung von Baclofen haben?

LG Nordlicht
Zuletzt geändert von Nordlicht am Sonntag 29. Juni 2014, 14:05, insgesamt 1-mal geändert.

Re: Selincro® (Nalmefen): Nicht mehr trinken bleibt das Ziel

Sonntag 29. Juni 2014, 13:49

@Nordlicht,

alles über den Gemeinsamen Bundesausschuss (G-BA) findest Du hier.
Die off-label Regelung bleibt davon völlig unberührt. Wenn Du die Zusammensetzung
gelesen hast wird klar, dass es mit „weniger trinken“ zu Lasten der Kostenträger auch auf
längere Sicht schlecht aussieht.
Es sei denn, es geschieht ein Wunder. :D

LG Federico
... wie man lesen kann, wird in einem anderen Forum schon fleissig darum gebetet.

Re: Selincro® (Nalmefen): Nicht mehr trinken bleibt das Ziel

Sonntag 29. Juni 2014, 14:04

Federico hat geschrieben:Die off-label Regelung bleibt davon völlig unberührt.

Nichts anderes wollte ich hören! Danke.

(Und jetzt würde mich nur noch interessieren, wer denn die beratend teilnehmenden Patientenvertreter waren.... :-? )

LG Nordlicht

Re: Selincro® (Nalmefen): Nicht mehr trinken bleibt das Ziel

Sonntag 29. Juni 2014, 14:31

@Nordlicht,

die Frage kann ich Dir leider auch nicht beantworten.
Ich war jedenfalls nicht dabei. B-)

LG Federico

Re: Selincro® (Nalmefen): Nicht mehr trinken bleibt das Ziel

Sonntag 5. Oktober 2014, 17:01

Mittlerweile gibt es so viele Selincro-Fäden, dass ich gar nicht mehr weiss, wo einfädeln. Da der Titel dieses Beitrags wie der Threadtitel lautet, also hier.

Nicht mehr trinken. Sondern weniger.
Kommentar zur Markteinführung eines neuen Medikamentes zur "Trinkmengenreduktion“, Dietmar Kramer
Salü Jahrgang 21, Juni 2014 / Salus Klinik Friedrichsdorf



Kramer nimmt sich die Zulassungsstudien zu Selincro vor und interpretiert die Daten.

Reduktion der „schweren Trinktage“ (>60g für Männer, >40g für Frauen) Studie 1
19 auf 8 Trinktage/Monat in der Nalmefene-Gruppe
20 auf 11 Trinktage/Monat in der Placebogruppe

Reduktion der „schweren Trinktage“ (>60g für Männer, >40g für Frauen) Studie 2
von 20 auf 7 Tage in der Nalmefene-Gruppe
von 18 auf 8 Tage in der Placebo-Gruppe

Reduktion Alkoholkonsummenge in Studie 1
von 84g auf 33g/Tag in Nalmefen-Gruppe
von 85g auf 45g/Tag in Placebogruppe
(statistisch signifikanter Vorteil für die Nalmefene-Gruppe)

Reduktion Alkoholkonsummenge in Studie 2
von 93g auf 30g/Tag in Nalmefen-Gruppe
von 89g auf 33g/Tag in Placebogruppe
(kein signifikanter Unterschied)

Auffällig waren sehr hohe Abbruchraten von 53% der Patienten in der Nalmefene-Gruppe im Vergleich zu 31% Abbrechern in der Placebo-Gruppe (Studie 1).


Er zieht das Fazit:

"Hilft Selincro®? – Wie sind die Daten zu interpretieren?

Bemerkenswert an den Studien ist vor allem die sehr starke Reduktion schwerer Trinktage und der konsumierten Alkoholmenge sowohl in den Selincro®-Gruppen wie auch in den Placebo-Gruppen. Das heißt: Auch die Einnahme vonTraubenzucker führte zu einer drastischen Verminderung des Trinkens! Hier drängt sich der Verdacht auf, dass der entscheidende Wirkfaktor für die Reduktion des Alkoholkonsums nicht das Medikament, sondern die motivational stützende Begleitung war, die alle Patienten erhielten. Der zusätzliche Effekt von Selincro® ist im Vergleich dazu als gering einzustufen.

Was die Trinkmengenreduktion angeht, ist festzustellen, dass der über Placebo hinausgehende Effekt von Selincro® selbst in der Studie, die ein signifikantes Ergebnis liefert, lediglich 12g Alkohol/Tag beträgt. Das entspricht gerade mal einer halben Flasche Bier, die pro Tag in der Selincro®-Gruppe [gegenüber der Placebo-Gruppe] weniger getrunken wurde. In der zweiten Studie konnte überhaupt keine signifikante Trinkmengenreduktion festgestellt werden.

Weiterhin sind die deutlich höheren Abbruchquoten der mit Selincro® behandelten Patienten im Vergleich zu den mit Placebo behandelten Patienten auffällig (53% vs. 31%). Dies dürfte auf die relativ häufig auftretenden Nebenwirkungen von Selincro® zurückzuführen sein.

Ein Paradigmenwechsel in der Suchttherapie?

Meines Erachtens sind die beschriebenen Effekte von Selincro® – trotz aller Werbekampagnen - weit davon entfernt, einen Paradigmenwechsel in der Therapie der Alkoholabhängigkeit zu rechtfertigen.


Ich kann die Daten der französischen Baclofen-Studien kaum erwarten! Dass "die motivational stütztende Begleitung" ungemein wichtig und uns über die Foren sicher ist, stellt dabei wohl niemand in Frage.

lg
Lisa
Antwort erstellen