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DHS Deutsche Hauptstelle für Suchtfragen

Mittwoch 5. März 2014, 17:07

Was ist dran an Nalmefen?

Große Aufmerksamkeit erzeugt in den letzten Monaten die Werbung und Lobbyarbeit für Nalmefen.
Von den Nalmefenherstellern und -forschern wird ein „Paradigmenwechsel“, ja eine Revolution
in der Behandlung Alkoholkranker versprochen. Ihr formuliertes Ziel, weitere Behandlungsoptionen
für Menschen mit einer Alkoholproblematik zu entwickeln, ist löblich, denn nicht alle Betroffenen
sind in der Lage oder bereit, vollständig auf Alkohol zu verzichten, sich für ein alkoholabstinentes
Leben zu entscheiden.

Eine Erweiterung der Behandlungsoptionen wäre daher ein begrüßenswerter Schritt.
Doch hält Nalmefen tatsächlich, was uns die Hersteller und Forscher versprechen?

Schauen wir uns die Ergebnisse der vielzitierten, aber kaum diskutierten randomisierten,
doppelblind-placebokontrollierten Studie zu Nalmefen genauer an.

Auf den ersten Blick scheinen sie beeindruckend: Eine Reduzierung des Alkoholkonsums
um 60% in der Gruppe derjenigen, die das Medikament erhalten haben (Interventionsgruppe).
Doch vergleicht man diesen Erfolg mit den Ergebnissen der Kontrollgruppe, die das Placebo
erhalten hat, so stellt man fest, dass sich auch in dieser der Konsum stark reduziert hat, um
ebenfalls beachtliche 50%. 


Folgerung 1: Das Medikament wirkt nur wenig besser als das Placebo.

Folgerung 2: Es liegt nahe, dass etwas anderes als das Medikament, z.B. die parallel
durchgeführten motivierendem Interventionen, für das Ergebnis verantwortlich ist.

Betrachtet man nun die so genannte „drop-out“ Quote, so zeigt sich, dass in der Interventionsgruppe
wesentlich mehr Studienaussteiger/-innen zu verzeichnen sind. 
Was mit den Studienaussteigern geschieht, wird in der Studie nicht weiter diskutiert. 
Die Vermutung liegt nahe, dass sie wieder mehr Alkohol trinken.

Folgerung 3: Unter Berücksichtigung der „drop-out“ Quoten sähen die Studienergebnisse
prozentual noch deutlich fragwürdiger aus.

Weitere Hinweise für eine realistische Einschätzung des Medikaments geben die beobachteten
Nebenwirkungen. Diese sind bei der Interventionsgruppe wesentlich stärker ausgeprägt als in
der Placebogruppe, was auch den hohen „drop-out“  erklären kann.
Folgerung 4: Die Medikamenteneinnahme birgt erhöhte Risiken für die Betroffenen aufgrund
starker Nebenwirkungen. Folgerung
5: Der Kreis derjenigen, für die das Medikament eine Alternative darstellen kann, ist äußerst begrenzt.
Aufgrund der unangenehmen Nebenwirkungen setzt ein großer Teil der Studienteilnehmer ab.
Bleibt zu fragen: Wiegen die geringfügig besseren Ergebnisse (1), die unter Berücksichtigung der
drop-out Rate noch schmaler ausfallen (3) die Risiken der Einnahme (4) auf? Und haben sie überhaupt
eine Relevanz für die zu behandelnden Menschen (5)? Und: Wie die Behandlungsergebnisse
nach einem oder zwei Jahren aussehen, darüber wissen wir noch gar nichts.

Unter diesen Voraussetzungen einen Paradigmenwechsel zu beschwören, scheint maximal
hochgegriffen und voreilig. Aber es bleibt ein Trost: Eine Behandlung mit Nalmefen scheint
auch nicht wesentlich schlechter, als mit einem Placebo!

(Ganz am Rande: An der aktuellen Nalmefen-Studie waren Mitarbeiter des Herstellers Lundbeck beteiligt.
Das wirkt ein wenig irritierend.

Dass der Begriff „Paradigmenwechsel“ wohl allenfalls umgangssprachlich verwendet wurde,
fällt da kaum noch ins Gewicht http://de.wikipedia.org/wiki/Paradigmenwechsel).

Quelle: DHS Newsletter 1-2014

Re: DHS Deutsche Hauptstelle für Suchtfragen

Donnerstag 6. März 2014, 01:30

Im gleichen Newsletter unter "Veranstaltungen", fast ebenso subtil:

„The Future of Addiction Research Revisited“ (Mannheim, 7. und 8. März 2014)

Für Professor Dr. med. Karl F. Mann, bislang Lehrstuhlinhaber für Suchtmedizin sowie national und international erfolgreicher Funktionär für dieselbe, veranstalten das Zentralinstitut für Seelische Gesundheit und die Deutsche Gesellschaft für Suchtforschung und Suchttherapie sowie die European Federation of Addiction Societies ein Abschiedssymposium im Zeichen der ewigen Suche nach dem heiligen Gral der Pharmakologie: Die Pille gegen Sucht. Dank Unterstützung der Firmen Pfizer (Spezialität: Nikotin-Pille) und Lundbeck (Spezialität: Alkohol-Pille) sind Eintritt und Diner dieser hochinteressanten Veranstaltung kostenfrei. Weitere Informationen unter http://www.zi-mannheim.de/institut/Veranstaltungen. Wir wünschen dem bisherigen Inhaber des ersten deutschen Lehrstuhls für (medizinische) Suchtforschung auch in der Pension alles Gute.

B-)
Lisa
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