Donnerstag 3. April 2014, 11:06
Dr. Pascal Gache’s Brief an Swissmedic (Schweizerische Zulassungs- und Aufsichtsbehörde für Heilmittel (Arzneimittel und Medizinprodukte))
Swissmedic
Hallerstrasse 7
Postfach
3000 Bern 9
Genf, 25. März 2014
Betrifft: Antrag auf Anerkennung von Baclofen in der Behandlung der Alkholabhängigkeit
Sehr geehrter Herr Direktor
Ich erlaube mir, Ihre Aufmerksamkeit auf die Entscheidung hinsichtlich der Verschreibung von Baclofen in der Behandlung von Alkoholproblemen zu lenken, die kürzlich von Ihrem Pendant in Frankreich, der Agence Nationale de Sécurité du Médicament (ANSM) getroffen wurde.
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http://ansm.sante.fr/Activites/Recomman ... 28offset/1[/url]
Diese RTU konkretisiert die Anerkennung der Wirksamkeit von Baclofen in den oben erwähnten Indikationen. In der Tat wurde seit 2008 in Frankreich, Belgien, in Deutschland und ebenso der Schweiz (Romandie und Deutschschweiz) eine breite Bewegung zugunsten der Anerkennung von Baclofen in der Behandlung von Alkoholproblemen ins Leben gerufen. Auch in anderen Ländern wurde kürzlich damit begonnen, das Medikament in dieser Indikation zu verschreiben (z.B. Portugal).
Diese Bewegung nahm ihren Anfang mit dem Kardiologen Professor Olivier Ameisen, der Baclofen an sich selbst testete, weil er an einer Alkoholabhängigkeit litt. Die Selbstverschreibung von Baclofen in hoher Dosierung erlaubte es ihm, sich von dem unwiderstehlichen Drang zu trinken (Craving) zu befreien und dem Alkohol gegenüber gleichgültig zu werden. Er hatte zuvor alle verfügbaren Behandlungsweisen durchlaufen, in den USA, wo er bis 2000 gelebt hatte, ebenso wie in Frankreich, wohin er darauf zurückkehrte. Die Sécurité Sociale français schätzt, dass seit 2008 mehr als 50 000 Patienten ihr Alkoholproblem mit Baclofen behandeln. Die Resultate der Beobachtungsstudien sind mit Erfolgsraten zwischen 50 und 80 % sehr ermutigend. Zwei randomisierte, doppelblind kontrollierte Studien sind im Gange und werden ihre Ergebnisse im Herbst 2014 liefern.
Ausserhalb von Frankreich ist die Verschreibung von Baclofen in der Behandlung des Alkoholismus nirgends offiziell anerkannt und Ärzte, die es in dieser Indikation anwenden, tun es auf eigenes Risiko und in eigener Verantwortung. In Anbetracht der vielversprechenden Resultate der Baclofen-Behandlung scheint es uns gerechtfertigt, dass Swissmedic den französischen Entscheid bis zur Bekanntgabe der definitiven Ergebnisse der randomisierten Studien übernimmt. Diese offizielle Anerkennung würde Tausenden von Patienten den einfachen Zugang zu dieser Behandlung mit der Sicherheit der Rückerstattung durch die Krankenkasse, was aktuell nicht der Fall ist, da mehrere Kassen in dieser off-label Indikation die Zahlung verweigern. Sie wissen, Herr Direktor, dass der exzessive Alkoholkonsum eine grosse Herausforderung für die öffentliche Gesundheit darstellt und hinter dem Tabak die zweithäufigste Ursache für vorzeitige Mortalität ist. Bis zum heutigen Tag existiert keine reell wirksame Behandlung der Alkoholabhängigkeit. Die Patienten, auch die höchst motivierten, werden sehr häufig rückfällig und viele sterben an dieser Erkrankung. Baclofen sorgt für echte Hoffnung bei zahlreichen Kranken, die vergeblich versuchen, dieser Abhängigkeit zu entrinnen. Eine offizielle Anerkennung analog dem französischen Modus würde nicht nur von den Patienten und ihren Familien mit Zustimmung begrüsst, sondern auch von den Berufsleuten des Gesundheitswesens, die auf eine wirksame Behandlungsmöglichkeit geradezu warten. Wir glauben weder naiv, dass Baclofen jeden heilen wird, noch dass es mit Baclofen allein getan ist. Doch es wird durch Erweiterung der Palette verfügbarer Optionen die bereits vorhandenen therapeutischen Hilfsmittel ergänzen.
Für weitere notwendige Informationen stehe ich Ihnen jederzeit gern zur Verfügung und grüsse Sie freundlich.
Dr. Pascal Gache